OGH 15Os169/95

OGH15Os169/9515.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Mänhardt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Othmar Peter H***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 26.September 1995, GZ 26 Vr 683/95-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte habe zwischen dem 16.Februar und 1.März 1995, nämlich am 16.Februar, am 17.Februar, am 27.Februar, am 28.Februar und am 1. März 1995 in Linz eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er Christina K***** (auch) an der Brust betastete, sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Kassierung des Strafausspruches verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch den erfolglosen Teil seines Rechtsmittels verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Othmar Peter H***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Linz in der Zeit zwischen dem 16.Februar und 1.März 1995, nämlich am 16.Februar, am 17.Februar, am 27.Februar, am 28. Februar und am 1.März 1995 dadurch, daß er die zwölfjährige Christina K***** zum Handverkehr aufforderte und sie im Genitalbereich und an der Brust betastete, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf mißbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf die Gründe der Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO stützt; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

In der Hauptverhandlung vom 26.September 1995 beantragte der Angeklagte ua (Punkt 2 des Antrages wird in der Verfahrensrüge nicht releviert)

1. die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Persönlichkeit des Angeklagten zum Beweis dafür, daß die angelasteten sexuellen Handlungen seiner Person wesensfremd und daher nicht zuzutrauen seien, und

3. die Einvernahme des Zeugen Alfons D***** zum Beweise dafür, daß dieser ihn überraschend besuchte und es zu keiner inkriminierten Handlung gekommen sei oder irgendwelche Umstände auf einen Mißbrauch hingedeutet hätten (S 167).

Diese Beweisanträge wies das Schöffengericht in einem Zwischenerkenntnis gemäß § 238 Abs 2 StPO mit der Begründung ab, daß die Beiziehung eines "psychologischen" Sachverständigen nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens nicht notwendig sei, weil nach der Lebenserfahrung auch ein bisheriges Wohlverhalten nicht ausschließe, daß sich ein Mensch an einem Kind sexuell vergehe, mag dies auch im Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten stehen; selbst ein Sachverständiger könne nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen, daß auch ein völlig normal veranlagter Mensch unter gewissen Umständen zu einer solchen Tat fähig sei; es handle sich somit um einen aussichtslosen Beweis. Die Einvernahme des Zeugen D***** hielt das Erstgericht für entbehrlich, weil diesem erst die Tür (zur Wohnung des Angeklagten) geöffnet werden mußte und Übergriffe in seiner Gegenwart nicht zu erwarten waren, jedoch solche Übergriffe zu anderen Zeiten nicht auszuschließen seien; in Gegenwart des Zeugen seien keine sexuellen Übergriffe erfolgt.

Durch die Nichtdurchführung der Einholung des Sachverständigenbeweises sowie der Einvernahme des Zeugen D***** erachtet sich der Angeklagte in seinen Verteidigungsrechten verletzt; dies indes zu Unrecht.

Es mag zutreffen, daß die dem Angeklagten angelasteten Taten seiner Person im allgemeinen wesensfremd und ihm nicht zuzutrauen sind; dies erhellt schon aus der den Angeklagten betreffenden Strafregisterauskunft: Keine der dort angeführten fünfzehn Vorverurteilungen erfolgte wegen einer strafbaren Handlung gegen die Sittlichkeit. Dies besagt aber nach den Gesetzen logischen Denkens keineswegs, daß - was nach Lage des Falles von allein entscheidender Bedeutung wäre - der Angeklagte im gegenständlichen Strafverfahren die Handlungen nicht begangen haben kann. Dazu kommt, daß ein psychiatrischer Sachverständiger nach forensischer Erfahrung die vom Angeklagten begehrte Schlußfolgerung nicht treffen kann.

Zur Klarstellung des in diesem Zusammenhang (jedoch auch schon hier zu den Ausführungen zu den Nichtigkeitsgründen der Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO) erhobenen Beschwerdevorbringen, dem Angeklagten liege fünffache Wiederholung sämtlicher im Urteilsspruch genannter Tathandlungen zur Last, sei festgehalten, daß die Tatrichter eine derartige Feststellung nicht getroffen haben. Die Tatzeit im gegenständlichen Verfahren lag - wie schon in der Anklageschrift zutreffend angeführt - zwischen dem 16.Februar und dem 1.März 1995. Daß das Schöffengericht die fünf Tage, an denen die Zeugin K***** den Angeklagten in seiner Wohnung besucht hat, im Urteilsspruch zusätzlich schon einzeln anführte, war überflüssig. Keinesfalls haben die Tatrichter aber damit zum Ausdruck gebracht, daß der Angeklagte die Zeugin K***** fünfmal zum Handverkehr aufgefordert und er sie fünfmal im Genitalbereich betastet hat.

Nach seinem Vorbringen vor der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Linz am 2.März1995 (S 37 f) besuchte Alfons D***** den Angeklagten am 28.Februar und am 1.März 1995 jeweils gegen zwölf Uhr; dabei hat er keine unsittliche Handlung zwischen dem Angeklagten und der Zeugin K***** festgestellt und auch nichts, was auf einen sexuellen Mißbrauch der Zeugin hingedeutet hat. Davon sind die Tatrichter in ihrem abweislichen Zwischenerkenntnis auch ausgegangen (S 169, US 11). Aus der begehrten Vernehmung des Zeugen D***** wäre demnach eine den Angeklagten exculpierende Feststellung, daß die Zeugin K***** auch in Abwesenheit des beantragten Zeugen nicht zur Unzucht mißbraucht worden ist, nicht zu gewinnen gewesen.

Durch die Unterlassung der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens sowie der begehrten Zeugeneinvernahme des Alfons D***** wurden demnach Verfahrensgrundsätze, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten ist, nicht hintangesetzt, weshalb die Verfahrensrüge (Z 4) unbegründet ist.

Die Prüfung der in der Beweisrüge (Z 5 a) erhobenen Einwänden durch den Obersten Gerichtshof ergab, daß damit keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen dargetan werden. Der Sache nach unternimmt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen insgesamt nur den im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren auch im Rahmen der Tatsachenrüge unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter und damit nach Lage des Falles die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin Christina K***** in Zweifel zu ziehen (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5a E 4), ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) läßt eine gesetzmäßige Ausführung vermissen, weil sie nicht den Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.

Nach den Urteilsfeststellungen (US 4) hat der Angeklagte Christina K***** im Genitalbereich gestreichelt. Wenngleich im Urteil nicht konstatiert ist, daß diese Berührung über der Bekleidung des Mädchens erfolgt ist, muß davon ausgegangen werden, weil zum einen eine Feststellung, der Angeklagte hätte die Zeugin K***** am entblößten Geschlechtsteil berührt, nicht getroffen wurde und auch der gesamte Akteninhalt hiefür keinerlei Anhaltspunkte bietet.

Sofern der Beschwerdeführer ausführt, das bloße Betasten im Genitalbereich müsse den Tatbestand des Mißbrauchs zur Unzucht nicht ohneweiters verwirklichen, weil es auf die Intensität und Dauer der betreffenden Handlung ankomme, ist ihm beizupflichten. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte aber die Zeugin K***** nicht, wie in der Beschwerde unterstellt, nur kurz und oberflächlich "betastet", sondern das Mädchen am Geschlechtsteil gestreichelt, sodaß sie nicht von der dem Angeklagten zur Last liegenden Unzuchtshandlung ausgeht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob - was die Beschwerde bezweifelt - die bloße Aufforderung, einen Handverkehr durchzuführen, den Tatbestand des § 207 Abs 1 StGB erfüllt; nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte die Zeugin K***** nämlich nicht bloß aufgefordert, einen Handverkehr an ihm durchzuführen, sondern er hat auch seinen Hosenschlitz geöffnet, sein Glied entblößt und das Kind aufgefordert, seinen Penis zu betasten, welcher Aufforderung Christina K***** nachkam (US 4, 5), sodaß auch hier nicht der tatsächliche Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz verglichen wird.

Inwiefern aber sonstige Feststellungen über Art, Umfang und Dauer der sexuellen Übergriffe geboten waren, um eine einwandfreie Subsumierung unter den Tatbestand des § 207 Abs 1 StGB zu ermöglichen, ist der in diesem Punkt unsubstantiierten Beschwerde nicht zu entnehmen.

Berechtigung kommt hingegen der Mängelrüge (Z 5) zu, soweit sie sich dagegen wendet, der Angeklagte habe den verfahrensgegenständlichen Tatbestand auch dadurch erfüllt, daß er die Zeugin K***** an der Brust betastete. Abgesehen vom Inhalt des Urteilstenors, in dem die Worte "und an der Brust betastete" aufscheint, findet sich im Ersturteil keine Feststellung, daß der Angeklagte die Zeugin K***** neben dem Streicheln in ihrem Genitalbereich und der Aufforderung, seinen Penis zu betasten, welcher Aufforderung sie nachkam, auch an der Brust betastete. Auf ausdrückliches Befragen in der Hauptverhandlung hat die Zeugin außerdem verneint, daß der Angeklagte sie an der Brust gestreichelt habe (S 161); darauf ging das Schöffengericht im Urteil nicht ein.

Die Urteilsannahme, der Angeklagte habe Christina K***** auch an der Brust betastet, wovon das Gericht auch in den rechtlichen Erwägungen ausgeht (vgl US 12), ist daher mit einem Begründungsmangel behaftet, der die Kassierung des Urteils und die Verfahrenserneuerung in diesem Punkt erfordert.

Die Teilaufhebung des Urteils bedingt auch die Kassierung des Strafausspruchs, weshalb der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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