OGH 8ObA209/96

OGH8ObA209/968.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic und die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinz Paul und Helmut Stöcklmayer als Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Siegfried S*****, Elektrotechniker, ***** vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde Hainburg a.d. Donau, vertreten durch den Bürgermeister Franz H*****, Hainburg, Hauptplatz 23, vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 300.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.November 1995, GZ 8 Ra 119/95-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7.Februar 1995, GZ 4 Cga 86/94h-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 7.3.1983 bei der beklagten Partei als Gemeindebediensteter nach dem NÖ GVBG und zwar als technischer Leiter des Krankenhauses tätig. Mit Schreiben vom 22.8.1988 hatte er seinem Arbeitgeber mitgeteilt, daß er neben seiner Tätigkeit im Spital nebenberuflich ein technisches Büro für Elektrotechnik und Sicherheitstechnik sowie ein konzessioniertes Gewerbe für Elektroinstallation der Oberstufe (früher § 166 Abs 2 GewO, nunmehr § 210 GewO idF GR 1992 "Elektrotechniker") "ohne Einfluß auf seinen Hauptberuf" ausüben werde. Am 25.4.1994 erfuhr der Verwaltungsdirektor des Spitals, daß der Kläger als Subunternehmer eines für das Krankenhaus tätigen Unternehmens bei einem Auftrag, den er selbst ausgeschrieben und zu überwachen hatte, tätig geworden war. Hievon wurde der Bürgermeister der beklagten Partei am 25.4.1994 verständigt, der den Kläger zunächst suspendierte. Dieser lehnte am 28.4.1994 die ihm angebotene einvernehmliche Auflösung seines Arbeitsverhältnisses ab. Am selben Tag fand eine Gemeinderatssitzung statt, die Entlassung des Klägers wurde sodann vom Bürgermeister mit einem dem Kläger am 2.5.1994 zugestellten Schreiben vom 29.4.1994 ausgesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend begründet, daß die Entlassung des Klägers zufolge seiner Vertrauensunwürdigkeit (§ 39 Abs 2 lit b NÖ GVBG) berechtigt und rechtzeitig erfolgte, sodaß es genügt auf die zutreffende Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen des Klägers zu erwidern:

Die gerügten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Auch unter der Annahme, es wären Feststellungsmängel gemeint, vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen, aufgrund welcher anderer Feststellungen eine andere rechtliche Beurteilung hätte vorgenommen werden müssen.

Für den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit ist Schädigungsabsicht bzw der tatsächliche Eintritt eines Schadens beim Arbeitgeber nicht erforderlich (Petrovic, Die Vertrauensunwürdigkeit als Entlassungsgrund nach § 27 Abs 1 letzter Satz AngG, ZAS 1983, 49, 50 mwN in FN 15; ebenso Kuderna, Entlassungsgrecht2, 86 mwN in FN 6). Die Frage, ob der Kläger als Subunternehmer des von ihm aufgrund einer Ausschreibung beauftragten Unternehmers, den er "begleitend" zu kontrollieren hatte, den Schaltkasten im Rahmen eines Pauschalpreises anbot und ob ein Vertrauensbruch dadurch auszuschließen war, ist rechtlich unerheblich; es unterliegt keinem Zweifel, daß die für eine wirksame Kontrolle notwendige Unparteilichkeit im Falle des Tätigwerdens des Klägers als Subunternehmer des von ihm beauftragten Unternehmers nicht mehr gewährleistet war. Er befand sich hinsichtlich einer allfälligen Beanstandung des von diesem gelieferten Werkes vielmehr in einer offenkundigen Interessenkollision.

Tatbestandsvoraussetzung bei dem Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit ist ein Verstoß gegen die wohlverstandenen Interessen des Arbeitgebers; ein Verstoß gegen eine ausdrückliche Weisung würde allenfalls einen anderen Entlassungsgrund erfüllen. Mit der Gestattung der nebenberuflichen Tätigkeit kann sich der Kläger nicht rechtfertigen. In seiner Meldung (Beil ./4) hat er versichert, diese werde keinen "Einfluß auf seinen Hauptberuf haben", womit nur gemeint sein kann, sie werde keinen nachteiligen Einfluß im Sinne einer Interessenkollision haben.

Der Kläger war zwar kein "leitender Angestellter" im Sinne des § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG bzw § 1 Abs 2 Z 8 a ZG und bezog auch keine "Leiterzulage"; maßgeblich ist aber nicht nicht die Eigenschaft als leitender Angestellter, sondern die erhöhte Inanspruchnahme des Vertrauens für eine Aufsichts- und Prüfungstätigkeit.

Nach der im Sinne des beweglichen Systems vorzunehmenden Konkretisierung der "wichtigen Gründe" bei der Auflösung von Dauerschuldverhältnissen (dazu Fenyves in F.Bydlinski ua, Das bewegliche System im geltenden und künftigen Recht, 141) ist das Verschulden im Sinne eines Auflösungsinteresses des Arbeitgebers unterschiedlich zu graduieren (vgl Fenyves 155). Dabei ist nicht nur "auf alle Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen" (Fenyves aaO, 156), sondern darauf, daß die Pflicht des Klägers zur Wahrung der Arbeitgeberinteressen notwendig auch mitumfaßte, seine eigenen wirtschaftlichen Interessen hintanzusetzen. Bei vielen Arbeitsverträgen, deren Inhalt sich nicht in rein mechanisch auszuführenden Tätigkeiten erschöpft, sind Elemente einer Geschäftsbesorgung (§ 1151 Abs 2 ABGB) enthalten. Den Machthaber trifft neben der Gehorsamspflicht auch eine Treuepflicht als zur Geschäftsbesorgung hinzutretende Hauptpflicht (Strasser aaO Rz 18). Ein geschäftsbesorgender Angestellter darf einen Subauftrag von dem von ihm auszuwählenden und zu beaufsichtigenden Unternehmer demgemäß nur mit ausdrücklicher Erlaubnis übernehmen. Der Kläger hat solcherart auch gegen eine ihn treffende Informationspflicht (vgl Martinek ua, AngG7, 613, insb infas 1985, A 33) verstoßen. Sein Verhalten insgesamt macht ihn zweifellos vertrauensunwürdig.

Der Umstand, daß außer dem Kläger noch ein weiterer Bediensteter der beklagten Partei mit zusätzlichen Kontrollaufgaben betraut war, beseitigt nicht den Vorwurf, der dem Kläger zu machen ist. Das sogenannte "Vier-Augen-Prinzip" (vgl etwa §§ 5 Abs 1 Z 12 und 42 Abs 3 BankwesenG) darf nicht zu einer wechselseitigen Freizeichnung hinsichtlich der Verantwortung führen, indem sich einer auf den anderen zu verlassen glaubt.

In den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer in erhöhtem Maß das Vertrauen des Arbeitgebers in Anspruch nimmt, sei es als leitender Angestellter (Martinek ua, aaO, 610; Kuderna aaO, 86 jeweils mwN) oder auch als der Kontrolle des Arbeitgebers weitgehend entzogener Arbeitnehmer (etwa im Außendienst vgl Arb 10.636/III; zu unrichtigen Reiseberichten und Reisekostenabrechnungen RdW 1986, 250; WBl 1993, 22; Arb 10.001 - Benzin für Privatfahrten auf Kosten des Arbeitgebers; Martinek ua aaO 616, 618) ist grundsätzlich ein strengerer Maßstab bei der Prüfung des Entlassungsgrundes nach § 27 Z 1 dritter Fall (entspricht § 39 Abs 2 lit b NÖ GVBG) anzuwenden. Dieser strengere Maßstab rechtfertigt es, solchen Verfehlungen ein erhöhtes Gewicht bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist zu geben (vgl Arb 9431 = EvBl 1976/128, 241 = ZAS 1978/7, 50).

Eine Verspätung der Entlassungserklärung liegt nicht vor und hat daher nicht zum Verlust des Entlassungsrechtes geführt; der Kläger wurde sogleich nach Bekanntwerden des Vorwurfes suspendiert, überdies wollte der Bürgermeister einen Gemeinderatsbeschluß bzw eine Erörterung des Vorfalles im Gemeinderat abwarten. Die Suspendierung des Arbeitnehmers bis zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage hat in der Regel zur Folge, daß aus dem Zeitablauf allein nicht mehr auf einen Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechtes geschlossen werden darf (zuletzt 9 Ob A 28/95).

Der Kläger hat bisher eine seine Entlassung betreffende Beschlußfassung im Gemeinderat nicht in Zweifel gezogen; sein nunmehriges Revisionsvorbringen stellt eine unzulässige Neuerung dar; auch in dem Schriftsatz ON 11 fehlt nämlich jegliches Vorbringen zum Mangel eines Gemeinderatsbeschlusses, wodurch die Entlassung durch den Bürgermeister rechtsunwirksam wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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