OGH 10Ob504/96 (10Ob505/96)

OGH10Ob504/96 (10Ob505/96)6.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** & K***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Semotan, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Tamer A*****, vertreten durch Dr.Gerd Hartung, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 28.Juni 1995, GZ 39 R 334/95-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 23.Jänner 1995, GZ 5 C 437/93f-22, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei kündigte der beklagten Partei die getrennt angemieteten Wohnungen top Nr.27 und top Nr.28 im Hause ***** mit getrennten gerichtlichen Aufkündigungen auf. Top Nr.27 sei zur Gänze untervermietet; top Nr.28 sei nicht wie vereinbart mit top Nr.27 fristgerecht zusammengelegt worden, wobei dieser Umstand als Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG vereinbart worden sei.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung der Wohnung top Nr.27 für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es hob hingegen die Aufkündigung der Wohnung top Nr.28 als rechtsunwirksam auf und wies das diesbezügliche Räumungsbegehren ab.

Es ging von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Am 14.9.1989 mietete der Beklagte die Wohnung top Nr.28. In der am selben Tag unterschriebenen Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag findet sich folgender (verstümmelter) Passus: "Der Mieter verpflichtet sich, bei Freiwerden einer Nachbarwohnung der Ausstattungskategorie D, diese zuzumieten und umzugestalten (Kat.C) und den Mietzins nach § 16 Abs 2 Z 13 als wichtig und bedeutsam anzusehen ist." Am 29.8.1990 mietete der Beklagte mit einem zweiten Mietvertrag die Wohnung top Nr.27 und nahm zur Kenntnis, daß eine Wohnungszusammenlegung mit der Wohnung top Nr.28 innerhalb eines Jahres auf seine Kosten ordnungsgemäß von Professionisten durchzuführen ist. In einer Zusatzvereinbarung vom selben Tag wurde festgelegt, "daß der Mieter verpflichtet ist, eine Zusammenlegung der top Nr.27 auf eigene Kosten vorzunehmen und die erforderlichen baubehördlichen Bewilligungen und Einreichpläne einzuholen." Am 5.4.1993 wurde der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 29.8.1990 folgender Wortlaut angefügt: "Da der Einreichplan bis heute nicht vorgelegt wurde, wird letzte Frist von 14 Tagen eingeräumt. Nichteinhaltung der Frist wird als wesentlicher Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 1 Z 13 MRG vereinbart." Die Ehegattin des Beklagten unterschrieb diese Zusatzvereinbarung in Vertretung des Mieters ohne eine schriftliche Vollmacht zu besitzen.

Im September 1990 zog Fatis G***** mit ihrem Ehemann in die Wohnung top Nr.27 ein. Das Ehepaar bezahlte dem Beklagten eine Kaution von S 40.000. Vereinbart wurde, daß "die Beklagten" (offenbar richtig: sie an den Beklagten) monatlich S 3.000 an Mietzins zu zahlen hätten. Ferner wurde vereinbart, daß sie nur kurzfristig in der Wohnung wohnen sollten, nämlich solange, bis sie eine eigene Wohnung gefunden hätten.

Im Jahr 1993 forderte der Beklagte wiederholt das Ehepaar zur Räumung auf und ging schließlich mittels Räumungsklage gegen die Ehegatten vor. Im Frühjahr 1994 wurde die Wohnung vom Ehepaar G***** geräumt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß bezüglich der Wohnung top Nr.28 die Unterlassung der Zusammenlegung nicht in einer gültigen Form als Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG vereinbart worden sei. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG sei jedoch bei der Wohnung top Nr.27 verwirklicht, weil zum Zeitpunkt der Aufkündigung diese Wohnung vom Ehepaar G***** entgeltlich bewohnt wurde und kein dringendes Wohnbedürfnis des Beklagten gegeben sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten gegen die Rechtswirksamerklärung der Aufkündigung hinsichtlich der Wohnung top Nr.27 und gegen die Räumungsverpflichtung Folge, hob die Kündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Die ordentliche Revision erklärte es nicht für zulässig.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß die Vereinbarung der Zumietung und Umgestaltung einer Wohnung bei Freiwerden einer Nachbarwohnung und die Willenseinigung über eine Wohnungszusammenlegung unter Anhebung des Standards durch die Anmietung der beiden selbständigen Wohnungen ein einheitliches Bestandverhältnis begründet habe. Die Geltendmachung des Kündigungsgrundes der gänzlichen Weitergabe scheitere schon daran, daß nach dem Kündigungsvorbringen nur der die Räumlichkeiten der top Nr.27 umfassende Teil des Bestandobjektes weitergegeben sei, während der Beklagte mit seiner Familie die der top Nr.28 zugeordneten Räumlichkeiten weiterhin bewohne.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei. Sie macht unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend und stellt den Abänderungsantrag dahin, daß das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich der Wohnung top Nr.27 wieder hergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage, ob und wann bei getrennter Vermietung von Nachbarwohnungen zum Zwecke der Zusammenlegung im Rahmen des § 5 MRG ein einheitlicher Bestandgegenstand vorliegt, über den Einzelfall hinausgeht.

Die Revision ist auch berechtigt.

Ob mehrere in Bestand gegebene Objekte eine einheitliche Bestandsache bilden, ist teilweise eine Tat - und teilweise eine Rechtsfrage, deren Beantwortung in erster Linie vom Parteiwillen bei Vertragsabschluß abhängt (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 15 zu § 1092 bis 1094, MietSlg 38.460/10; WoBl 1992/22, WoBl 1993/127 = MietSlg 45.438). Da die Zusammenlegung zur Standardanhebung aber mit Ausnahme der Willenseinigung über die Zusammenlegung und deren nähere Umstände einschließlich des Mietvertragsinhalts kein von den Parteien frei gestaltbares obligatorisches Rechtsverhältnis ist, sondern im Rahmen der zwingenden Bestimmungen des § 5 Abs 2 MRG erfolgt, erübrigen sich weitere Feststellungen über die Vorstellungen der Parteien vom Sinn und Zweck des Vertragsabschlusses. Maßgeblich ist vielmehr die Auslegung der Bestimmung des § 5 Abs 2 MRG, wann nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Einheit der zusammenzulegenden Bestandobjekte eintritt.

Gegenstand der beiden Mietverträge sind zwei selbständige Nachbarwohnungen. Das gegenseitige Erforderlich- und Nützlichsein zweier Wohnungen allein stellt im Zusammenhang mit einem Zusammenlegungswillen die Einheitlichkeit des Bestandobjektes nicht her. § 5 Abs 2 MRG sieht vor, daß durch Zusammenlegung der Wohnungen eine Wohnung einer gehobenen Ausstattungskategorie geschaffen wird. Der Zins richtet sich nach der gehobenen Kategorie der "so vergrößerten" Wohnung. Das bedeutet aber, daß erst nach der faktischen Zusammenlegung auch eine wirtschaftliche (erhöhter gemeinsamer Zins) Einheitlichkeit der Bestandobjekte gegeben ist. Die vertragliche Verpflichtung und der Parteienwille zur Zusammenlegung läßt zwar den Willen, ein einheitliches Objekt zu schaffen, erkennen. Die Einheitlichkeit des Bestandobjektes entsteht aber erst durch die Zusammenlegung, weil nur dadurch die gesetzes- und vertragskonforme Standardanhebung hergestellt wird, nicht aber schon durch die bloße örtliche Nahebeziehung im Zusammenhang mit der Zusammenlegungsverpflichtung.

Vorbehalte einer Partei gegen den Eintritt der vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen sind bedeutungslos. Das Nichtzuhalten der Zusammenlegungsverpflichtung zieht unter anderem, so dies bereits im Mietvertrag (MietSlg 39.468) vereinbart ist, eine Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG nach sich (MietSlg 45.228). Da die Vereinbarung des Kündigungsgrundes im Mietvertrag zu erfolgen hat, betrifft dieser vereinbarte Kündigungsgrund jedoch nur die Wohnung, in deren Mietvertrag die Unterlassung der Zusammenlegungsverpflichtung als Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG vereinbart worden ist. Auch dies spricht für eine getrennte Behandlung der Wohnungen bis zur Zusammenlegung. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß bereits ein einheitliches Bestandverhältnis vorgelegen sei, weshalb von einer (gänzlichen) Weitergabe des (ganzen) Bestandobjektes nicht die Rede sein könne, weil ja nur top 27 untervermietet worden war, kann daher nicht aufrechterhalten werden.

Zwar steht die entgeltliche Weitergabe der also getrennt zu behandelnden top Nr 27 nach den erstgerichtlichen Feststellungen fest. Diese wurden aber vom Beklagten mit Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht hat sich aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht nur mit der Rechtsrüge beschäftigt, ohne auf die übrigen Berufungsgründe einzugehen.

Dies wird es im zu ergänzenden Verfahren nachzuholen haben. Weiters wird zu erheben sein, ob die kurzfristige Untervermietung mit der Absicht der Wohnungszusammenlegung in Verbindung mit der Beschaffung der Einreichpläne und der Auflösung des Untermietverhältnisses die darin liegende Einwendung des absehbaren dringenden Bedarfes des Beklagten oder eintrittsberechtigter Personen am Mietgegenstand begründet. In diesem Falle wäre auch für den Fall der gänzlichen Weitergabe der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG nicht gegeben (MietSlg 45.389).

Daher war mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht vorzugehen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 51 Abs 1 ZPO.

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