OGH 7Ob517/96

OGH7Ob517/9631.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schalich, Dr.Tittel, Dr.I.Huber und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Walter Lattenmayer ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Ahmed A*****, vertreten durch Dr.Erhard Hanslik, Rechtsanwalt in Wien, wegen (restlicher) S 166.560,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 27.April 1995, GZ 17 R 82/95-54, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20.Dezember 1994, GZ 5 Cg 174/93g-49, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Revisionskosten bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Der Beklagte bestellte am 20.8. und 4.9.1990 bei der Klägerin für sein Haus in O*****, S*****allee I, Parzelle *****, Türen und Fenster. Die ÖNORM 2110 wurde dabei als Vertragsgrundlage vereinbart (deren Inhalt jedoch nicht festgestellt). Die Lieferung und Montage dieser Teile sollte im Oktober und November 1990 erfolgen. Die Fensterbänke wurden überhaupt nicht geliefert, die Ersatzvornahme kostete S 7.440,--. Die übrige Lieferung erfolgte vereinbarungswidrig erst im Jahre 1991, doch konnte nicht festgestellt werden, daß der Beklagte sinnhafterweise S 10.000,-- für eine Winterabsicherung aufwenden mußte.

Bei der Naturmaßabnahme durch den späteren Geschäftsführer der klagenden Partei Reinhard D***** an Ort und Stelle waren der Beklagte, sein Neffe, ein Architekt, der (nur) die Fensterausschreibung vorgenommen hatte, und ein Maurer, der ihm als Baumeister vorgestellt wurde anwesend. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Räume, in denen die Garten- und Eingangstüren angebracht werden sollten, zur Gänze im Rohbauzustand. D***** stand bei der Maßabnahme ein Einreichplan zur Verfügung, in dem ein 15 cm hoher Fußbodenaufbau vorgesehen war (tatsächlich wurde nach dem gegenständlichen Auftrag nur 11,6 cm dicker Fußboden aus den später erwähnten Gründen aufgebracht). Da die Kellerdecke zu hoch ausgefallen war betrug die Rohbaulichte statt der im Einreichplan ausgewiesenen 286 cm tatsächlich nur 281,8 cm. Im Einreichplan war eine endgültige Raumhöhe von 270 cm angezeigt. D***** fiel auf, daß kein (für den Einbau von Türen und Fenstern notwendiger) Waagriß am Rohbau angebracht war, welcher üblicherweise 1 m oberhalb der geplanten Fußbodenoberkante gezogen wird. Die Kenntnis dieses Niveaus ist für das Ausmessen der Türmaße unerläßlich. Nachdem sowohl der Beklagte als auch sein Neffe erklärten, nicht zu wissen, wie der Fußbodenaufbau aussehen werde, fragte D*****, ob er vor Abnahme der Naturmaße die Anbringung des Waagrisses abwarten solle, oder ob man sich auf einen Hilfswaagriß einigen könne. Der Beklagte entschied sich für das Letztere und wies D***** an, von einer Raumhöhe von 270 cm auszugehen. D***** maß daraufhin unter Berücksichtigung einer Dicke des Verputzes von 1 cm 171 cm von der Raumdecke herunter und markierte dies mit einem Bleistift an der im Rohbau befindlichen Wand. Er brachte damit einen Hilfswaagriß an, wobei er im Einvernehmen mit dem Beklagten davon ausging, daß die Fußbodenoberkante 1 m darunter zu liegen kommen wird. Er kontrollierte nicht, ob die danach verbleibende Raumhöhe für den geplanten Fußbodenaufbau wie im Einreichplan vorgesehen noch weitere 15 cm auswies. Hätte er die Raumhöhe im Gesamten vermessen, so wäre ihm die Abweichung gegenüber dem Einreichplan um 4,2 cm aufgefallen. Infolge der um diese Differenz höheren Fußbodenausführung mußte im Bereich der Gartentüre ein ca. 15 bis 18 cm breiter, 4 cm tiefer und 4 m langer Streifen des Fußbodens wieder abgetragen werden, damit die von der Klägerin gelieferte Türe eingepaßt werden konnte. Für die Beseitigung dieser Stufe wäre die Anfertigung einer neuen Schiebetüre mit korrigierten Maßen erforderlich. Die Eingangstüre wurde durch in die Scharniere eingelegte Beilagsscheiben angehoben. Beide Türen sind nicht dicht. Außer Streit steht, daß mit Ausnahme der Eingangstüre und der Terrassentüre alle Mängel behoben worden sind (vgl AS 167 in ON 43).

Die Klägerin begehrt für die Lieferung und den Einbau ihrer Fenster und Türen einen Werklohn von letztlich S 174.000,--.

Der Beklagte wendete mangelnde Fälligkeit wegen vorhandener Mängel ein. Trotz Mängelrüge sei keine Verbesserung erfolgt. Die Terrassen- und die Eingangstüre seien zu tief versetzt und undicht. Lediglich prorisorisch habe der Boden in Stufenform aufgestemmt werden müssen. Die klagende Partei habe die versprochene Mängelbehebung nicht vorgenommen. Wegen verspäteter Lieferung der Fenster habe der Beklagte für Abdichtungen wegen des bevorstehenden Winters S 10.000,-- aufwenden müssen.

Auf die Mängelrüge replizierte die Klägerin vorerst, daß der Fußboden höher als geplant ausgeführt worden sei; nachdem sich die Unrichtigkeit dieses Vorbringens herausgestellt hatte, trug die Klägerin vor, daß der Beklagte bei der Abnahme der Naturmaße ausdrücklich die Raumhöhe mit 270 cm als für die Maße der Türe maßgeblich bezeichnet habe und daß Bauungenauigkeiten mit dem Fußbodenaufbau dann ausgeglichen werden.

Das Erstgericht stellte das Zurechtbestehen der Klagsforderung mit S 166.560,-- fest, erachtete die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend, gab dem Klagebegehren mit S 166.560,-- sA statt und wies das Mehrbegehren von S 7.440,-- sA (unbekämpft) ab. Rechtlich führte es aus, daß Fensterbänke im Wert von S 7.440,-- nicht geliefert worden seien, wodurch sich die Klagsforderung um diesen Betrag verringere. Die Gegenforderung von S 10.000,-- bestehe nicht zu Recht, weil der Beklagte einen durch die verspätete Lieferung verursachten Schaden nicht nachgewiesen habe. Ansonsten sei der nunmehrige Geschäftsführer der klagenden Partei zu Recht bei der Dimensionierung der Türen von dem vom Beklagten vorgegebenen fiktiven Fußbodenniveau ausgegangen. Er sei nicht zur Kontrolle verpflichtet gewesen, ob die nach diesen Angaben für den Fußbodenaufbau verbleibende Höhe mit den im Einreichplan aufscheinenden Maßen übereinstimmten. Einerseits habe nämlich der Beklagte selbst nicht über den zur Ausführung gelangenden Fußbodenaufbau Bescheid gewußt, andererseits fiele es nicht in den Aufgabenbereich des Türherstellers, den Besteller in Fragen des Fußbodenaufbaues zu beraten. Er sei vielmehr an die vom Bauherrn vorgegebene Höhenangabe gebunden und nicht verpflichtet, diese mit dem Einreichplan zu vergleichen. Dementsprechend sei der klagenden Partei auch keine Verletzung der Aufklärungsvorschriften vorzuwerfen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Bei der tatsächlichen Rohbaulichthöhe (Raumhöhe) von 181,8 cm hätten - nach Abzug von 1 cm für den Deckenverputz - wegen der geplanten Raumhöhe von 270 cm nur noch 10,8 cm auf den Fußbodenaufbau entfallen können. Dies entspreche jenem vorgesehenen Mindestmaß von 10 bis 11 cm, das für einen Fußbodenaufbau unerläßlich sei. Die durch die höhere Ausführung der Terrassentüre erforderlich gewordenen Vertiefung des Fußbodens im Bereich des Türrahmens sei nur auf die fehlerhafte Anweisung des Bestellers zurückzuführen. Bei der Dimensionierung der Türen habe die Klägerin daher von einer Raumhöhe von 270 cm auszugehen gehabt. Ihr Angestellter sei nicht verpflichtet gewesen, den Beklagten zu warnen, weil ihm die erteilte Weisung, diese Raumhöhe zu beachten, nicht als offenbar unrichtig habe auffallen müssen und die verbleibende Höhe von 10,8 cm für einen Fußbodenausbau durchaus ausreichend gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Prüf- und Warnpflicht des Unternehmers abgewichen ist; sie ist auch berechtigt.

Das Erstgericht geht zwar in seiner Beweiswürdigung von einer verbindlichen Vereinbarung der ÖNORM B 2110 aus, unterließ es aber, deren Inhalt festzustellen. Dem kommt jedoch im vorliegenden Fall keine rechtliche Bedeutung zu, weil sich die Verpflichtung des Unternehmers, Weisungen des Bestellers zu überprüfen, ohnedies schon aufgrund von § 1168a ABGB ergibt und die zitierte Norm zu diesem Detailpunkt keine darüber hinausgehende Verschärfung vorsieht (vgl U.Schwarz, Gedanken zur Warnpflicht des Werkunternehmers, RdW 1996, 9 ff mwN).

Erteilt ein Besteller eine Anweisung, so hat ihn der Werkunternehmer davor zu warnen, wenn er erkennen mußte, daß diese Weisung offenbar unrichtig ist (vgl Krejci in Rummel ABGB2 § 1168 a Rz 27 und 32 mwN). Der Unternehmer ist im Rahmen seiner Warnpflicht grundsätzlich nicht gehalten, besondere, sonst nicht übliche Prüfungen und Untersuchungen anzustellen. Er hat auch grundsätzlich nur jene Ausführungsunterlagen bzw Weisungen zu überprüfen, die Grundlage für das Gelingen des von ihm herzustellenden Werkes sind (vgl Schwarz aaO mwN). Der Unternehmer muß die Anweisung des Auftraggebers aber "durchdenken". Es genügt, wenn er dabei jene Aufmerksamkeit an den Tag legt, die bei der Übernahme von Werkaufträgen für Fachleute seiner Art redlicherweise nach Treu und Glauben üblich ist. Der Werkunternehmer muß die von einem fachentsprechenden Sachverständigen zu erwartenden Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Untersuchung einsetzen (vgl Krejci aaO Rz 33 mwN). Muß der Unternehmer annehmen, daß dem Besteller die Umstände zum Entfall seiner weitergehenden Prüfpflicht nicht bekannt sind oder bekannt sein müssen, so hat er ihn auf jeden Fall schon allein aufgrund seiner vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflicht darauf aufmerksam zu machen, daß er von einer weiteren Prüfung absieht. Die Warnpflicht des Unternehmers besteht auch gegenüber dem sachkundigen oder sachverständig beratenen Besteller. Sie entfällt nur dann, wenn sich der Besteller selbst von der Untauglichkeit der von ihm erteilten Weisung überzeugen kann. Der Unternehmer wird aber nur entlastet, wenn er davon ausgehen darf, daß der Besteller über Mängel seiner Sphäre durchaus Bescheid weiß und das Risiko der Werkerstellung dennoch übernimmt (vgl Krejci aaO Rz 32).

Reinhard D***** war im vorliegenden Fall bekannt, daß weder der Beklagte noch sein Neffe, der die Fensterausschreibung vorgenommen hatte, Kenntnisse über den noch aufzubringenden Fußboden hatten. D***** hätte daher nach Erhebung des Hilfswaagrisses zur Kontrolle das restlich verbleibende Maß von dem im Rohbau befindlichen Fußboden nehmen müssen und dem Beklagten - im Vergleich der vorhandenen Naturmaße mit dem Einreichplan - erklären müssen, daß sich der im Einreichplan vorgesehene 15 cm hohe Fußbodenausführung bei Zugrundelegung einer Raumhöhe von 270 cm nicht ausgehen wird. Die Fußbodenhöhe ist jedoch bei einer mit dem Fußbodenniveau gleich auszuführenden Türe von ganz besonderer Wichtigkeit für das Gelingen des Werkes.

Die klagende Unternehmerin hat daher nicht bewiesen, daß sie ihrer Warnpflicht nachgekommen ist oder daß eine solche mangels Schutzbedürfnisses des Bestellers gar nicht auszuüben war (vgl. Krejci aaO Rz 37).

Rechtsfolge der Warnpflichtverletzung ist der Verlust des Anspruches auf das Entgelt und die Verpflichtung, den weitergehenden Schaden zu ersetzen. Es wird nur auf die Differenz zwischen dem tatsächlich eingetretenen und jenem fiktiven Schaden gehaftet, der auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten wäre. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn den Warnpflichten entsprochen worden wäre. Wer nicht darüber aufklärt, daß das Werk in seiner vereinbarten Beschaffenheit untauglich ist, haftet demnach nur für den Vertrauensschaden, dh dafür, daß der Besteller nicht gleich ein zweckentsprechendes Werk anderer Beschaffenheit herstellen ließ; das Interesse an diesem Werk als solchem ist nicht zu ersetzen. Zum zu ersetzenden Schaden gehören auch die Verbesserungskosten (vgl Krejci aaO Rz 35 mwN).

Ob das Werk hinsichtlich der Eingangstür und der Terrassentür als mißlungen anzusehen ist und die Klägerin insoweit keinen Anspruch auf Werklohn hat, kann im vorliegenden Fall noch nicht beurteilt werden, weil Feststellungen für die Prüfung der Frage fehlen, ob der Beklagte noch einen Erfüllungsanspruch hat. Daß die beim Einbau der Terrassentür geschaffene Rille im Estrich nur beseitigt werden kann, wenn neue Türen mit den richtigen Ausmaßen eingebaut werden, sagt darüber allein nichts aus. Hätte der Beklagte nämlich, wie er behauptet, die Türen nur "provisorisch" einbauen lassen und der Klägerin damit zu erkennen gegeben, daß er auf Erfüllung seines Anspruchs auf Türen mit den richtigen Ausmaßen besteht, dann dürfte aus dem Einbauenlassen (nach den von ihm angeordneten entsprechenden Baumaßnahmen am Fußboden) nicht geschlossen werden, daß der Beklagte auf ordnungsgemäße Erfüllung verzichtet hat. In diesem Fall käme der vom Beklagten erhobene Einwand der mangelnden Fälligkeit zum Tragen. Hat der Beklagte aber keinen solchen Vorbehalt ausgesprochen und die Baumaßnahmen (Vertiefungen des Estrichs) angeordnet, um den endgültigen Einbau der in den Ausmaßen fehlerhaften Türen zu ermöglichen, dann könnte von einem Mißlingen des Werks und damit vom Verlust des Werklohnanspruchs der Klägerin nur gesprochen werden, wenn diese Art des Einbaues der Türen rein objektiv zur Beurteilung führen muß, daß das Werk unbrauchbar ist. Diesfalls ergäben sich Rückabwicklungsansprüche, sollte der Beklagte nicht doch bloß Preisminderung oder - wie bisher - Verbesserung geltend machen. Ergeben sich bei dieser Art des Einbaus aber nur Nachteile bei der Benützung, die sonst mit ordnungsgemäßen Türen nicht verbunden wären, dann käme nur ein Preisminderungsanspruch in Frage.

Das Erstgericht wird daher nach Erörterung mit den Parteien die Frage zu klären haben, wie es zu dem Einbau der Türen mit den unrichtigen Ausmaßen gekommen ist und welche Erklärungen dazu abgegeben wurden. Ergibt sich danach nach dem vorhin Gesagten, daß der Beklagte noch einen Anspruch auf Erfüllung hat, dann wäre der auf die Türen entfallende Werklohn wegen mangelnder Fälligkeit abzuweisen. Hat der Beklagte aber die Türen als Erfüllung angenommen, hätte die Klägerin bei Mißlingen des Werks, wenn also trotz dieses Einbaus die Türen unbrauchbar sind, ihren Werklohnanspruch insoweit verloren. Ist das aber nicht der Fall, dann könnte ein allenfalls im fortgesetzten Verfahren geltend gemachter Preisminderungsanspruch in Frage kommen.

Aufgrund der getroffenen Feststellungen läßt sich auch noch nicht beurteilen, ob das unrichtige Ausmaß der Eingangstür ebenfalls zu einer Vertiefung des Estrichs geführt hat. Auch ist nicht erkennbar, ob die festgestellte Undichtheit der Türen den ordnungsgemäßen Gebrauch hindert oder ob dieser Mangel noch verbessert werden kann. Schließlich wird das Erstgericht auch noch zu berücksichtigen haben, daß der eingeklagte Betrag auch noch die mängelfreie Lieferung und Montage von Fenstern umfaßt.

Der außerordentlichen Revision war daher Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen waren aufzuheben und dem Erstgericht war aufzutragen, nach Verfahrensergänzung ein neuerliches Urteil zu fällen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte