OGH 1Ob504/96

OGH1Ob504/9630.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brüder M***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Heinz Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. C.F***** & Söhne, ***** 2. B***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** und 3. Claudia S*****, alle vertreten durch Dr.Alix Frank, Rechtsanwältin in Wien, wegen 600.000 S sA, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 20.September 1995, GZ 4 R 128/95-13, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 22.März 1995, GZ 11 Cg 5/94-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch von 600.000 S sA und brachte im wesentlichen vor, daß sie mit der erstbeklagten Partei am 13.Oktober 1992 die Übernahme eines von den Österreichischen Bundesbahnen „gepachteten“ Grundstücks im Bereich eines Bahnhofs in Wien 21. um einen „Ablösepreis“ von 500.000 S zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer vereinbart habe. Dieses Rechtsgeschäft sei „inhaltlich als Kaufvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Eingehung eines Bestandvertrages durch die ÖBB zu qualifizieren“, weil Vereinbarungsgegenstand die der erstbeklagten Partei „überlassenen Baulichkeiten (Superädifikate ... ), weiters auch die Einbauküche, Einbaubürokasten mit Schreibtisch sowie Sozialraumeinrichtung, die Brückenwaage sowie der Tankbehälter samt Zapfsäule“ gewesen seien. Sie habe in der Folge „ihre Bestandverträge mit den ÖBB“ gekündigt. Die Bestandgeberin habe die Kündigung zur Kenntnis genommen und angekündigt, die bis zum 28.Februar 1993 zu räumenden Objekte ab 1.März 1993 an die erstbeklagte Partei weiterzugeben. Diese habe mit den Österreichischen Bundesbahnen im Dezember 1992 „Bestandverträge“ abgeschlossen, sodaß die begehrte „Pauschalablöse“ von 600.000 S inklusive Mehrwertsteuer fällig sei. Die erstbeklagte Partei habe jedoch die Zahlung abgelehnt. Die zweitbeklagte Partei und die Drittbeklagte seien die persönlich haftenden Gesellschafter der erstbeklagten Partei, die eine Kommanditgesellschaft sei. Auf die Vereinbarung vom 13.Oktober 1992 sei § 27 MRG nicht anwendbar, da die Bestandverhältnisse mit den Österreichischen Bundesbahnen gemäß § 1 Abs 2 Z 1 MRG vom Geltungsbereich dieses Gesetzes zur Gänze ausgenommen seien. Das Vertragsobjekt sei ein Lagerplatz, den die Österreichischen Bundesbahnen „im Rahmen des Betriebes ihres Verkehrsunternehmens in Bestand“ gäben.

Die beklagten Parteien erhoben die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit und wendeten im wesentlichen ein, daß eine Streitigkeit über eine verbotene Ablöse gemäß § 27 MRG Prozeßgegenstand sei. Ein Rechtsstreit dieser Art falle gemäß § 49 Abs 2 Z 5 JN in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte. Da das vermietete Grundstück „samt leeren aufstehenden Gebäuden“ im 21. Wiener Gemeindebezirk liege, sei das Bezirksgericht Donaustadt zuständig. Unzutreffend sei die Behauptung der klagenden Partei, daß das Mietrechtsgesetz hier keine Anwendung finde. Da die Ablösevereinbarung verbotswidrig sei, bestehe der Klageanspruch aber auch inhaltlich nicht zu Recht. Die klagende Partei habe die beklagten Parteien beim Abschluß des Vertrages vom 13.Oktober 1992 „in Irrtum geführt“, weil sie verschwiegen habe, daß sie die in Bestand genommene Bahngrundfläche „mit Altmetallen kontaminiert“ habe. Im übrigen werde ein Betrag in Höhe des Klagebegehrens wegen der für die erforderlichen Entsorgungsmaßnahmen zu erwartenden Kosten aufrechnungsweise eingewendet.

Das Erstgericht sprach aus, „für diese Rechtssache sachlich unzuständig“ zu sein, und wies die Klage zurück. Es führte in seiner Begründung lediglich aus, „der Rechtsansicht der Beklagten“ zu folgen, weil es „gleichfalls“ meine, „daß auf das streitgegenständliche Bestandsverhältnis die Bestimmungen des MRG anzuwenden“ seien. Es handle sich demnach um eine Streitigkeit im Sinne des § 49 Abs 2 Z 5 letzter Halbsatz JN, für die „das Bezirksgericht sachlich zuständig“ sei.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf, trug dem Erstgericht die „Einleitung“ des gesetzmäßigen Verfahrens auf und sprach im übrigen aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es erwog rechtlich, daß seit der Wertgrenzen-Novelle 1989 nunmehr alle Streitigkeiten über verbotene Ablösen gemäß § 27 MRG unabhängig davon, zwischen welchen Personen sie stattfänden, in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fielen. Daraus sei aber nicht der Schluß zu ziehen, der Gesetzgeber habe den Grundsatz, daß die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte nur gegeben sei, wenn der Rechtsstreit zwischen den Parteien des Bestandverhältnisses geführt werde, durchbrechen und ganz allgemein eine Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte für alle Streitigkeiten aus Bestandverträgen schaffen wollen. Die Streitteile seien „nicht Parteien des Bestandverhältnisses“. Außerdem stütze die klagende Partei ihr Begehren nicht auf eine verbotene Ablöse. Lediglich die beklagten Parteien hätten sich auf § 49 Abs 2 Z 5 letzter Halbsatz JN berufen. Die „bezirksgerichtliche Zuständigkeit“ sei daher schon deshalb zu verneinen, weil die Zuständigkeitsprüfung nach den Klageangaben vorzunehmen sei und die klagende Partei keine „Streitigkeit über eine verbotene Ablöse“ behaupte.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffenen Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, sind nach § 45 JN idF des Art II Z 14 ZVN 1983 nicht anfechtbar, solche, mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat. Das erklärte Ziel der Neufassung des § 45 JN, der schon in seinem Abs 1 der bis zum 30.April 1983 geltenden Fassung angeordnet hatte, daß Entscheidungen eines Gerichtshofs erster Instanz über seine sachliche Zuständigkeit nicht deshalb angefochten werden können, weil für die Rechtssache die Zuständigkeit eines anderen Gerichtshofs oder eines Bezirksgerichts begründet ist, war die weitere Zurückdrängung von Zuständigkeitsstreitigkeiten. Durch die Neuformulierung des Gesetzeswortlauts sollte noch klarer ausgedrückt werden, daß die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit eines Gerichts nie angefochten werden kann (AB 1337 BlgNR 15. GP 3). Diese Unanfechtbarkeit gilt auch dann, wenn ein Gericht zweiter Instanz die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts bejaht (4 Ob 509/94; 7 Ob 623/91; 1 Ob 622/89; JBl 1987, 792 [Fink]; EvBl 1986/113; SZ 40/102; SZ 39/205 u.a.; Fasching, LB2 Rz 231).

Das Rekursgericht hob den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichts mit seiner diesen inhaltlich abändernden und daher auch die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit verwerfenden Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die „Einleitung“ (gemeint offenbar: Fortsetzung) des gesetzmäßigen Verfahrens auf. Es bejahte damit die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts. Diese Entscheidung ist aber - wie bereits dargestellt - gemäß § 45 JN unanfechtbar. Daran vermag auch die Tatsache der Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses durch das Gericht zweiter Instanz nichts zu ändern, weil der Oberste Gerichtshof an diesen Ausspruch nicht gebunden ist.

Wegen der unanfechtbaren Bejahung der sachlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien ist demnach auch nicht mehr zu prüfen, ob nicht schon der Rekurs der beklagten Parteien gegen den Zurückweisungsbeschluß des Gerichts erster Instanz gemäß § 45 zweiter Halbsatz JN unzulässig war (1 Ob 622/89; JBl 1987, 592 [Fink]; SZ 39/205 u.a.).

Die beklagten Parteien behaupten erstmals im Revisionsrekurs aber auch die Unzulässigkeit des Rechtswegs, weil vor Anrufung des Gerichts gemäß § 37 Abs 1 Z 14 MRG im Verfahren außer Streitsachen „die örtlich zuständige Verwaltungsbehörde zu bemühen sein“ werde. Darauf ist deshalb nicht einzugehen, weil der Oberste Gerichtshof eine allfällige Unzulässigkeit des Rechtswegs nur aus Anlaß eines zulässigen Rechtsmittels aufgreifen könnte.

Der Revisionsrekurs ist als unzulässig zurückzuweisen.

Die klagende Partei unterließ in ihrer Rekursbeantwortung einen Hinweis auf den vorliegenden Zurückweisungsgrund und hat daher deren Kosten selbst zu tragen.

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