OGH 10Ob529/94

OGH10Ob529/9423.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Martin Ö*****, geboren am 2. Mai 1990, *****, vertreten durch Dr.Rainer Toperczer, Rechtsanwalt in Wien, als bestellter Kollisionskurator wider die beklagten Parteien 1) B*****T*****G*****Hotelgesellschaft mbH & Co KG 2) B*****T*****G*****Hotelgesellschaft mbH, beide *****, beide vertreten durch Dr. Peter Fiegl, Dr.Frank Riel und Dr. Josef Cudlin, Rechtsanwälte in Krems, wegen S 456.972,20 und Feststellung (S 140.000,--), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Zwischenurteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgerichtes vom 6. Juli 1994, GZ 2 R 53/94-13, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Horn vom 23. Dezember 1993, GZ 2 C 73/93g-7, in der Hauptsache mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Entscheidungsgründe:

Die erstbeklagte Partei, deren persönlich haftende Gesellschafterin die zweitbeklagte Partei ist, betreibt unter der Bezeichnung "B*****T*****D*****" in G*****ein Hotel und im selben Ort unter einer anderen Anschrift eine Tennishalle mit angeschlossenem Restaurant. Im Sommer 1991 verbrachte der damals 16 Monate alte Kläger gemeinsam mit seinen Eltern eine Woche als Gast im Hotel der Beklagten. Gegen Mittag des 4.9.1991 suchte er mit seinen Eltern und zwei weiteren Personen das der Tennishalle angeschlossene Restaurant auf. Dort verletzte er sich durch Trinken eines Spülmittels schwer.

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld, Spitalskosten und Transportkosten in der Gesamthöhe von S 456.972,20 und die Feststellung, daß die Beklagten ihm für alle Folgen des Unfalles haften. Dazu brachte er vor, daß seine Eltern auf der Terrasse des Restaurants gesessen seien und bei der Kellnerin Getränke bestellt hätten. Der Kläger habe Anstalten gemacht ins Restaurant zu laufen, sei jedoch von seinen Eltern zurückgeholt worden. Die Kellnerin, die dies bemerkt habe, habe wörtlich erklärt:

"Lassen Sie ihn ruhig herumlaufen, es kann eh nichts passieren...". Der Kläger sei ins Innere des Lokals gelaufen und hinter der Theke verschwunden. Bevor ihn seine Eltern zurückholen konnten, habe er aus einem offenen Plastikbehälter, in dem sich ein ätzendes Spülmittel befunden habe, getrunken.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Weder sie selbst noch ihre Mitarbeiter hätten irgend ein Verschulden an der Verletzung des Klägers zu vertreten. Es wäre Sache der Eltern des Klägers gewesen, ihn am Betreten des Restaurants zu hindern. Die Kellnerin habe keine wie immer geartete Äußerung gemacht, auf Grund derer die Eltern hätten annehmen können, daß im Inneren des Gastraumes keinerlei Gefahrenquellen für ein unbeaufsichtigtes sechzehn Monate altes Kind gegeben seien. Das Abstellen eines Plastikbehälters mit einem Spülmittel auf dem Boden in einer lediglich vom Inneren der Eßtheke aus zugänglichen Öffnung, also in einem dem Publikum nicht offenstehenden Bereich stelle keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht dar. Das Alleinverschulden treffe vielmehr die Eltern des Klägers, die ihre Aufsichtspflicht verletzt hätten.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Beklagten dem Kläger für alle Folgen des Unfalls zu haften hätten. Es stellte im wesentlichen fest, daß sich an der Innenseite der U-förmigen Schank ein nicht verschlossener Teil befindet, in welchem üblicherweise ein Plastikcontainer mit Spülmitteln aufbewahrt wird. Bis zum Unfallszeitpunkt haben die mit der Gläserspülung beauftragten Mitarbeiter der Beklagten neben diesem Container noch Spülmittel in einem Plastikbecher aufbewahrt, um dieses Spülmittel jederzeit bei Bedarf zur Hand zu haben. Spezielle Aufträge der Dienstgeber haben in diesem Zusammenhang nicht bestanden. Die Kellnerin Hildegard W*****bemerkte, daß der Kläger wiederholt zur Eingangstür des Restaurants und auch ein Stück in das Lokal hineingelaufen ist, jedoch von seinen Eltern immer wieder zurückgeholt wurde. Sie äußerte, daß es sie nicht störe, wenn das Kind auch ins Restaurant hinein käme, weil ohnehin keine anderen Gäste anwesend seien. Sie äußerte sich auch dahin, daß "nichts passieren könne".

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die Kellnerin die erwachsenen Begleiter des Klägers auf die hinter der Theke drohende Gefahr hätte aufmerksam machen müssen, zumindest aber den ausdrücklichen Hinweis auf die Ungefährlichkeit für den Kläger hätte unterlassen müssen. Als zumutbare Abwehrmaßnahmen hätte die Kellnerin den Becher entleeren oder "den Becher an unerreichbarer Stelle" deponieren müssen, da sie vom Vorhandensein des Bechers und von seiner leichten Erreichbarkeit auch für ein Kleinkind Kenntnis gehabt habe. Es treffe sie daher ein Verschulden am Unfall des Kindes. Zwischen den Streitteilen liege ein Gastwirtevertrag vor; die Kellnerin sei als Erfüllungsgehilfin im Sinne des § 1313 a ABGB anzusehen. Auf Grund der Verkehrssicherungspflicht wäre es Sache der Beklagten gewesen, ihren Betrieb so zu gestalten, daß Schäden an Personen hintangehalten würden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten in der Hauptsache nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, daß es aussprach, das Klagebegehren auf Zahlung von S 456.972,-- sA bestehe dem Grunde nach zu Recht. Es nahm eine Beweiswiederholung vor und traf folgende weitere Feststellungen:

Der Kunststoffbecher ähnelte dem Aussehen des Materials nach einem Milchglas, also weitestgehend undurchsichtigem Glas. Er war 10 bis maximal 15 cm hoch, sein Durchmesser betrug mindestens 10 cm. Er war jedenfalls so groß, daß ihn der zum Unfallszeitpunkt sechzehn Monate alte Kläger nicht mit einer Hand erfassen und zum Mund führen konnte, wohl aber mit beiden Händen. Er hatte insgesamt ein solches Aussehen, daß er - zumal von einem Kind - mit einem Trinkgefäß verwechselt werden konnte. Zum Unfallszeitpunkt war er derart aufbewahrt, daß er in einer Nische, die sich in der Innenseite der Theke befindet, in Griffhöhe für ein Kleinkind abgestellt war, wobei nicht mehr feststellbar ist, ob der Becher in der Nische auf einem Kanister oder auf dem Boden stand. Am Unfallstag war der Becher von der Kellnerin auch gar nicht verwendet worden. Dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten war die Aufbewahrung des Spülmittels in dem Becher bereits vor dem Unfall bekannt.

In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht von § 65 Abs 3 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung BGBl 1983/218 (in Hinkunft AAV) aus, der unter der Überschrift "Lagerung von besonderen Arbeitsstoffen" bestimme, daß für die Aufbewahrung von gesundheitsgefährdenden, brandgefährlichen oder explosionsgefährlichen Arbeitsstoffen Trinkgefäße, Getränkeflaschen und Gefäße, die ihrer Art nach für die Aufbewahrung von Lebens- oder Genußmitteln bestimmt sind, nicht verwendet werden dürfen; dies gelte auch für Behälter, die mit solchen Gefäßen oder Flaschen verwechselt werden können. Bei dieser Bestimmung handle es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB. Der Zweck des Schutzgesetzes sei nach einer oberstgerichtlichen Entscheidung zwar auf den Schutz solcher Personen beschränkt, die befugterweise in den Gefahrenbereich gelangten (SZ 43/132). Die damit ausgedrückte Ansicht, daß ein unberechtigt in den Gefahrenbereich Kommender nicht vom Schutz der Norm erfaßt sei, werde in dieser Allgemeinheit von der Lehre nicht geteilt (Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 13 zu § 1311; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 96, II 104), mögen auch Unfallverhütungsvorschriften in der Arbeitswelt vor allem die Aufgabe haben, jene zu schützen, die sich im tatsächlichen Gefahrenbereich wegen ihrer Tätigkeit aufhalten müssen, in zweiter Linie dagegen erst den Verkehrsbereich. Dies habe auch der Oberste Gerichtshof bejaht (SZ 40/55). Das Berufungsgericht schließe sich der Ansicht an, daß durch Schutzgesetze auch der Verkehrsbereich gesichert werde, daß der Zweck des Gesetzes also auch den Schutz solcher Personen umfasse, die sich unbefugt dem Gefahrenbereich nähern, soferne der Adressat der Schutznorm damit rechnen müsse, daß dies eintrete. Dies sei hier zu bejahren: der Schankinnenraum, wo die Gefahrenquelle in Gestalt des mit einem Spülmittel gefüllten Bechers in Griffhöhe für ein Kind bestanden habe, sei in Richtung jenes Bereiches des allgemein zugänglichen Gastraumes, der auch durch die Terrassentür betreten werde, offen und ungesichert gewesen. Der Weg von der Terrasse führe durch die Tür geradeaus in die Öffnung der Schank hinter einem Mauerpfeiler und von dort einige Schritte nach links in den Schankinnenraum. Dieser sei daher ohne Erschwernisse und ohne ein Hindernis durch jedermann zu betreten gewesen. Es sei notorisch, daß gerade Kinder oft nicht fähig seien, längere Zeit still in einem Gasthaus oder auf einer Terrasse zu sitzen und von den Aufsichtspersonen mehr oder weniger geduldet, im Betrieb herumlaufen und damit auch in Bereiche wie den hinter der Schank gelangen könnten. Der Schutzzweck des § 65 Abs 3 AAV sei daher so weit zu ziehen, daß er auch den Schutz des minderjährigen Klägers erfaßt habe. Es stehe fest, daß der Becher mit einem Trinkgefäß verwechselt werden konnte und daß der damalige Geschäftsführer der Zweitbeklagten schon vor dem Unfallstag Kenntnis gehabt habe, auf welche Weise der Becher mit Spülmittel aufbewahrt worden sei. Daraus folge, daß die erwähnte Schutznorm verletzt worden sei. Damit sei die Haftung der Beklagten für die Folgen des Unfalls zu bejahen, zumal sie den Gegenbeweis, daß sie sich vorschriftsmäßig verhalten hätten oder der Schaden auch in diesem Fall eingetreten wäre, nicht erbracht hätten.Darüber hinaus sei mit dem Erstgericht eine Haftung der Beklagten für ihre Erfüllungsgehilfin (die Kellnerin) gemäß § 1313 a ABGB zu bejahen. Die Beklagten hätten auch die Schutz- und Sorgfaltspflichten als Nebenleistungspflichten des Gastaufnahmevertrages verletzt. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes sei zwar die erwähnte Äußerung der Kellnerin nicht haftungsbegründend, weil die Aufsichtspflicht über den Kläger die Eltern getroffen hätte und die Äußerung, daß nichts passieren könne, nur dahin verstanden werden konnte, daß die Kellnerin aus betrieblicher Sicht keinen Einwand gegen das Herumlaufen des Klägers habe, keineswegs aber dahin, daß sie damit auch die Haftung für den Ausschluß jeglicher Gefahr und für das Kind übernehme. Haftungsbegründend sei jedoch, daß die Kellnerin die Gefahrenquelle, die sie bei Dienstantritt am Unfallstag vorgefunden habe, nicht beseitigt habe. Eine Kellnerin müsse aus ihrer Erfahrung wissen, daß Kleinkinder in Gaststuben häufig unbeaufsichtigt herumlaufen. Daher bestehe eine Haftung der Beklagten nicht nur nach § 1311 ABGB, sondern auch nach § 1313 a ABGB. Schließlich sprach das Berufungsgericht aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Es wird die Abänderung dahin beantragt, daß das Klagebegehren mit Endurteil zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsausführungen der Beklagten lassen sich dahin zusammenfassen, daß nach ihrer Ansicht Schutz- und Sorgfaltspflichten unter anderem nur gegen beaufsichtigte Kinder, nicht aber gegenüber einem sechzehn Monate alten unbeaufsichtigten Kleinkind bestanden hätten, weil solche Kinder in dem einer Tennishalle angeschlossenen Restaurant typischerweise nicht verkehrten. § 65 AAV sei nicht analog anzuwenden, weil ein Kind nicht vom Schutzzweck dieser Norm erfaßt sei, weshalb kein Rechtswidrigkeitszusammenhang bestehe. Der an das Verhalten der Kellnerin angelegte Sorgfaltsmaßstab sei realitätsfern und unzumutbar. Der Unfall sei vielmehr auf das Alleinverschulden der Eltern zurückzuführen, die die Aufsichtspflicht vernachlässigt hätten.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Der im Unfallszeitpunkt sechzehn Monate alte Kläger befand sich damals unbestrittenermaßen mit seinen Eltern im gastgewerblichen Betrieb der Beklagten, weshalb die Rechtsbeziehungen der Streitteile unter dem Aspekt eines Gastaufnahmevertrages zu beurteilen sind. Gastaufnahmeverträge weisen als gemischte Verträge nicht nur miet-, sondern auch werk-, kauf- und dienstvertragliche Elemente auf. Es sind gemischte Verträge, bei denen einer einheitlichen (Geld-)Leistung Gegenleistungen gegenüberstehen, die verschiedenen gesetzlichen Vertragstypen zuzurechnen sind (JBl 1980, 652 uva; Gschnitzer in Klang2 IV/1 660; Würth in Rummel, ABGB2 § 1090 Rz 4). Soweit es um die Unterbringung des Gastes geht, treffen den Gastwirt (ebenso wie beim Bestandvertrag den Bestandgeber) als vertragliche Nebenpflichten bei Erbringung der Hauptleistung dem Vertragspartner bzw den nach dem Vertrag unterzubringenden Personen als geschützten Dritten gegenüber besondere Schutz- und Sorgfaltspflichten, vor allem soweit es um Gefahrenquellen geht, die mit der Beschaffenheit der Unterkunft (oder auch des Gastlokales) im Zusammenhang stehen und nicht ohnedies für jedermann leicht erkennbar sind. Der Gastwirt hat demnach dafür Sorge zu tragen, daß der Gast infolge solcher Gefahrenquellen, die mit der Unterkunft, deren Beschaffenheit bzw der Art des Gebrauchs in Zusammenhang stehen, keinen Schaden leide. Insbesondere hat er den Gast vor Gefahrenquellen, soweit ihm das zumutbar ist, zu schützen und soweit ihm das nicht zugemutet werden kann, davor eigens zu warnen. Für die infolge Vernachlässigung dieser Pflichten an der Person oder am Eigentum des Gastes (oder der geschützten Dritten) verursachten Schäden hat der Gastwirt einzustehen (vgl 1 0b 600/93=RdW 1994, 276; 1 Ob 600/87; Würth aaO § 1096 Rz 12). Wird der Gastwirt - wie hier die Beklagten - aus der Verletzung solcher Schutzpflichten in Anspruch genommen, hat er gemäß § 1298 ABGB, dessen Beweislastumkehr auch bei Übertretung vertraglicher Nebenpflichten anzuwenden ist (JBl 1986, 113 uva), nachzuweisen, daß er alle gebotenen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat. Diesen Beweis haben die Beklagten indes nicht erbracht.

Bei der Abgrenzung der aus einer vertraglichen Sonderverbindung entspringenden Schutz- und Sorgfaltspflichten, die - wie auch sonst vertragliche Nebenpflichten - nicht überspannt werden dürfen, sind gewiß auch - wie für außervertragliche Verkehrssicherungspflichten - die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die von den Verwaltungsbehörden erteilten Bewilligungen bedeutsam. Durch diese werden nämlich im Einzelfall die Grenzen der verkehrsüblichen und vom Erwartungshorizont der beteiligten Kreise als zumutbar umfaßten Anforderungen, bei deren Beachtung der mit den Schutzpflichten belastete Vertragsteil von jeder Schadenersatzhaftung befreit ist, nicht schlechthin abgesteckt, sondern es wird vielmehr lediglich der Mindeststandard der dem Verantwortlichen obliegenden Sicherheitsvorkehrungen umrissen. Diese Grundsätze lassen sich sinngemäß auf die Abgrenzung der Schutzpflichten eines Gastwirts übertragen, vor allem wenn diese die Entschärfung bestehender Gefahrenquellen zum Inhalt haben (1 Ob 600/93 = RdW 1994, 276).

Das Berufungsgericht hat zutreffend auf § 65 Abs 3 AAV hingewiesen, wonach für die Aufbewahrung unter anderem von gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen Trinkgefäße oder damit verwechslungsfähige Behälter, die ihrer Art nach für die Aufbewahrung von Lebens- und Genußmitteln bestimmt sind, nicht verwendet werden dürfen. Wohl erstreckt sich der Schutzzweck dieser Arbeitnehmerschutzvorschrift nicht unmittelbar auf ein Kleinkind, das sich in Begleitung seiner Eltern in einem Gastbetrieb aufhält, doch sind solche Vorschriften um so mehr dann Ausdruck der Mindestanforderungen an die Aufbewahrung von gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen, wenn der Aufbewahrungsort in Räumlichkeiten liegt, die Gästen offen zugänglich sind. Bei der Lagerung ätzender, giftiger oder sonst besonders gefährlicher Materialien in einem Gastgewerbebetrieb ist besondere Vorsicht angebracht. Die Verkehrssicherungspflicht von Geschäftsräumen muß auf die spezifischen Verkehrsgefahren Bedacht nehmen, die sich aus der Eigenart des jeweiligen Verkehrs ergeben. Besondere Anforderungen sind an Gaststätten zu stellen, denn hier ist typischerweise mit Gästen zu rechnen, deren Aufmerksamkeit etwa durch Alkoholgenuß herabgesetzt ist, aber auch mit Kleinkindern die, wenn auch nur vorübergehend, aus dem Aufmerksamkeitsbereich ihrer Eltern oder Erziehungsberechtigten treten und von Neugier getrieben auch entlegenere Bereiche der Räumlichkeiten aufsuchen (vgl dazu Mertens im Münchener Kommentar zum BGB2 § 823 Rz 213, 214). Eine mit den Unfallverhütungsvorschriften oder Arbeitnehmerschutzvorschriften vertraute Person hätte nicht den Fehler gemacht, ein ätzendes Mittel in einem Kunststoffbecher, der einem Trinkgefäß ähnlich sieht, ungesichert vor dem Zugriff Dritter in der Theke eines Gastgewerbebetriebes, wo auch mit dem unbefugten Verweilen von Kindern gerechnet werden muß, aufzubewahren (vgl den ähnlichen Fall der Aufbewahrung eines ätzenden Mittels in einem Trinkglas in der Küche eines Gastgewerbebetriebes 7 Ob 590/92 = JBl 1993, 396). Der Schaden, den der Kläger durch diese sorglose Aufbewahrung eines ätzenden Mittels erlitten hat, entspricht daher der Natur der von den Beklagten gesetzten Vertragsverletzung und ist nicht nur auf eine - bei der Beurteilung der Kausalität unbeachtliche - gänzlich ungewöhnliche Verkettung von Umständen zurückzuführen. Daß der Schädiger aber den im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehenden Schaden vorhersehen konnte, ist für dessen Zurechenbarkeit nicht erforderlich. Somit liegen sämtliche Voraussetzungen für die Haftung der Beklagten dem Grunde nach vor.

Ein möglicherweise bestehendes Mitverschulden der Eltern des Klägers durch Verletzung ihrer Aufsichtspflicht ist im vorliegenden Verfahren unbeachtlich. Lassen sich die Anteile am Gesamtschaden nicht feststellen, so haften Nebentäter nach § 1302 ABGB solidarisch für den ganzen Schaden, also auch für Schäden, die vom einzelnen nicht sicher verursacht sind. § 1302 ABGB ordnet somit eine Haftung für bloß potentielle Kausalität an (Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts10 I 462). Daß den Kläger selbst ein Mitverschulden trifft, wurde nicht eingewendet und ist auch im Hinblick auf sein Alter nicht anzunehmen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 52 Abs 2, 393 Abs 4 ZPO.

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