OGH 9ObA8/96

OGH9ObA8/9617.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Theodor Zeh und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karin C*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Harald Bisanz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*****A***** AG, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 1,040.976,--) und S 390.366,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.August 1995, GZ 8 Ra 71/95-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25.November 1994, GZ 24 Cga 111/93f-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird wird hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens sowie des Leistungsbegehrens im Betrag von S 289.160,-- samt 10 % stufenweiser Zinsen seit 1.8.1993 als Teilurteil bestätigt. Im übrigen, hinsichtlich des weiteren Betrages von S 101.206,-- samt 10 % Zinsen ab 1.7.1993 werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Arbeitrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt nach Ausdehnung den Betrag von S 390.366,-- sA an Entgelt sowie die Feststellung, daß ihr Dienstverhältnis zur Beklagten als Flugbegleiterin ungeachtet der mit Schreiben vom 21.12.1992 erfolgten Kündigung zum 31.3.1993 aufrecht fortbestehe. Das Kündigungsschreiben sei ihr erst nach ihrer Rückkehr vom Urlaub am 4.1.1993 zugekommen. Die Kündigung sei rechtsunwirksam, da sie zum Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens schwanger gewesen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Klägerin für den Flugdienst nicht tauglich gewesen sei, sie trotz Aufforderung keine Stellungsnahme zum Anbot der Beklagten, als kaufmännische Angestellte im Bodendienst zu arbeiten innerhalb der ihr gesetzten Frist abgegeben habe und sie sohin infolge Ablehnung in einer anderen Verwendung tätig zu sein, gekündigt worden sei. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestehe nicht.

Das Erstgericht wies ohne auf die Ausdehnung des Leistungsbegehrens ziffernmäßig Bedacht zu nehmen, das Klagebegehren zur Gänze ab.

Es legte seiner Entscheidung folgenden wesentlichen Sachverhalt zugrunde. Die Klägerin war seit 1.4.1986 als Flugbegleiterin mit einem Monatsgehalt von S 13.640,--, einer Flugzulage von S 10.776,-- und Diäten in variabler Höhe beschäftigt. Infolge einer großen Zahl von Krankenstandstagen von 1986 bis 1992 von 60 bis 212 Tagen jährlich bestand das Bestreben der Beklagten die Klägerin im Flugdienst nicht mehr einzusetzen. In einem Gespräch am 26.11.1992 in Anwesenheit des Personalchefs wurde der Klägerin angeboten, sich für eine Tätigkeit am Boden zu entscheiden, wobei sie sich die Tätigkeit aussuchen könne. Sie wollte aber nur im Flugdienst tätig sein, worauf ihr erklärt wurde, daß eine solche Verwendung nicht mehr in Frage komme. Der Personalchef fragte dann die Klägerin, ob sie in den nächsten Tagen für ihn erreichbar sein werde, was die Klägerin zusagte. Er sagte der Klägerin, daß sie sich das in den nächsten Tagen überlegen soll, wobei ca eine Zeitspanne von 1 Woche bis 10 Tagen gemeint war. Die Klägerin war vom Flugdienst freigestellt, befand sich aber nicht im Krankenstand. Über einen Urlaub der Klägerin - ein Urlaub für den Zeitraum 3.12.1992 bis 4.1.1993 war der Klägerin bereits antragmäßig genehmigt worden - wurde bei dieser Gelegenheit nicht gesprochen. Mit Schreiben vom 1.12.1992 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis des Gespräches vom 26.11.1992, insbesondere die Unmöglichkeit ihrer Weiterverwendung aus gesundheitlichen Gründen im Flugdienst mit und bot ihr, um ihr eine weitere Tätigkeit im Unternehmen zu ermöglichen, ab sofort eine Tätigkeit im Bodendienst an. Zur Reaktion auf dieses Anbot wurde der Klägerin eine Frist bis 9.12.1992 gesetzt. Die Zustellung des Schreibens erfolgte am 2.12.1992. Die Klägerin behob es aber nicht. Am 3.12.1992 flog sie mit ihrem Gatten auf Hochzeitsreise nach Mauritius. Am 17.12.1992 kehrte sie zurück und fuhr am gleichen Tag noch auf Schiurlaub, von dem sie am 3.1.1993 nach Wien zurückkehrte. Inzwischen hatte die Beklagte mit Schreiben vom 21.12.1992 das Dienstverhältnis der Klägerin schriftlich per 31.3.1993 gekündigt. Die Postsendung wurde am 28.12.1992 benachrichtigt und beim Postamt zur Abholung bereitgehalten. Die Ausfolgung des Briefes erfolgte am 4.1.1993.

Die Klägerin wurde am 22.9.1993 von einem Knaben entbunden. Hinsichtlich des tatsächlichen Zeitpunktes der Konzeption konnte keine exakte Feststellung getroffen werden. Der wahrscheinlichste Zeitpunkt des Eintrittes der Empfängnis ist im Zeitraum 1. bis 9.1.1993 anzunehmen. Theoretisch sei auch schon der Empfängniszeitpunkt mit 23.12.1992 oder in den folgenden Tagen möglich.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß die Klägerin das Zukommen des Schreibens vom 1.12.1992 vereinbarungswidrig vereitelt habe, weil sie zugesagt hätte, die nächsten 10 Tage für den Personalchef erreichbar zu sein. Ihr sei auch aufgrund des Gesprächs vom 26.11.1992 klargewesen, daß sie zum Flugdienst nicht mehr eingesetzt werde und sohin eine Klärung der Situation erforderlich wäre. Da die Klägerin das Schreiben vom 1.12.1992 nicht unverzüglich behob, gelte das Kündigungsschreiben vom 21.12.1992 am 28.12.1992 als zugegangen. Die Klägerin habe damit rechnen müssen, daß die Beklagte nicht nur eine Stellungsnahme von ihr wünsche, sondern auch irgendwelche Schritte setzen werde und sie mit einer Kündigung für den Fall rechnen müsse, daß sie das Anbot der Beklagten nicht annehme. Der Kündigungsschutz des § 10 Abs 1 MSchG käme der Klägerin nicht zugute, da am 28.12.1992 keine Schwangerschaft vorlag.

Das Gericht der zweiten Instanz bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es auch das ausgedehnte Klagebegehren abwies.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß die Klägerin treuwidrig den Zugang des Kündigungsschreibens vereitelt habe, weil sie verpflichtet gewesen sei ihren Auslandsaufenthalt mitzuteilen. Es läge auf der Hand, daß sie schlechte Nachrichten, wie eine zu erwartende Kündigung und deren Zugang offenbar bis zum Eintritt einer erwünschten Schwangerschaft hinauszögern wollte. Dies gelte nicht nur für das Schreiben vom 1.12.1992 sondern auch für das Kündigungsschreiben. Sie habe in eigenen Angelegenheiten grob fahrlässige Sorglosigkeit an den Tag gelegt, sodaß das Kündigungsschreiben am 28.12.1992 als zugestellt anzusehen sei. Der Beweis der Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Zukommens der Kündigung am 28.12.1992 sei der Klägerin nicht gelunden, weil der Beginn der Schwangerschaft nur zwischen dem 1.1. und dem 9.1.1993 mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit eingetreten sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei stellte den Antrag, der als zulässig anzusehenden Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist schon deshalb gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig, weil es sich um eine Streitigkeit handelt, bei der der Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses strittig ist.

Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Das Berufungsgericht führt zutreffend aus, daß bei einer Treu und Glauben zuwidergehenden Verhinderung des rechtzeitigen Zugehens eines angekündigten oder nach den Umständen zu erwartenden Schreibens des Dienstgebers durch eine den Gepflogenheiten widersprechende Abwesenheit durch den Dienstnehmer die Rechtsprechung dieses Schreibens als zugegangen fingiert (EvBl 1995/43 = ecolex 1994, 637). Im vorliegenden Fall trat diese Zugangsfiktion beim Kündigungsschreiben der Beklagten aber nicht ein. Die Klägerin hat wohl in Kenntnis ihres schon bewilligten Urlaubes für den Zeitraum vom 3.12.1992 bis 4.1.1993 bei dem mit dem Personalchef geführten Gespräch am 26.11.1992, in dem ihr gesagt wurde, daß sie aus gesundheitlichen Gründen im Flugdienst nicht mehr eingesetzt werde und sie sich für eine Tätigkeit am Boden entscheiden und sie sich das in den nächsten Tagen überlegen soll, zugesagt, daß sie in den nächsten Tagen für den Personalchef erreichbar sei, ohne auf den bewilligten Urlaub hinzuweisen.

Da die Klägerin davon ausgehen konnte, daß der Dienstgeber Kenntnis von dem ihr bewilligten Urlaub haben mußte, traf sie keinerlei Verpflichtung auf ihre Urlaubsabwesenheit hinzuweisen. Unter diesen Umständen mußte die Klägerin mangels einer ihr im Gespräch vom 26.11.1992 erkennbar angekündigten oder in Aussicht gestellten Auflösungserklärung auch bei Einräumung einer Überlegungsfrist und der dem Personalchef zugesagten Erreichbarkeit in den nächsten Tagen nicht erkennbar mit einer Kündigung während ihres Urlaubes rechnen.

Die Klägerin hat daher ihre Verhaltenspflichten nicht verletzt, sodaß mangels Eintrittes der Zugangsfiktion die Kündigung erst mit ihrem Zugehen am 4.1.1993 Wirksamkeit erlangte (infas 1995 A, 105; 8 Ob A 223/95).

Die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nach § 10 Abs 1 MSchG liegt nicht vor. Der nach den Intentionen des Mutterschutzgesetzes schützenswerte Zustand der Schwangerschaft der Frau besteht ab Empfängnis bis zum Eintritt der Geburt (infas 1995a 112 = DRdA 1995, 420). Wendet der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Schwangerschaft ein, so hat er diese zum Zeitpunkt der Kündigung nachzuweisen (Knöfler, MSchG10, 162; Arb 10.895). Im vorliegenden Fall steht als wahrscheinlichster Zeitpunkt des Eintrittes der Empfängnis und somit der Schwangerschaft der Zeitraum vom 1. bis 9.1.1993 fest. Eine exakte datumsmäßige Feststellung des Beginnes der Schwangerschaft vor dem 9.1.1993 war sohin medizinisch nicht möglich.

Damit hat aber die Klägerin nicht bewiesen, daß sie zum Zeitpunkt des Zugehens des Kündigungsausspruches am 4.1.1993 schon schwanger war. Die vor Beginn der Schwangerschaft der Klägerin ausgesprochene Kündigung wird durch den Kündigungsschutz nicht berührt (Knöfler aaO, 157 mwN).

Die zum 31.3.1993 ausgesprochene Kündigung löste bei der einzuhaltenden, von der Revisionsgegnerin in der Revisionsbeantwortung zugestandenen Kündigungsfrist von drei Monaten zwar das Arbeitsverhältnis zum erklärten Kündigungstermin, es traten aber die Rechtsfolgen des § 29 AngG für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch ordnungsgemäße Kündigung hätte verstreichen müssen, ein (Ind 1994/2222).

Zur Feststellung der Höhe der auch begehrten Kündigungsentschädigung waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Ist auch die Höhe des monatlichen Gehaltes von S 13.640,-- und der Flugzulage von S 10.776,-- unbestritten, so sind Diäten als Aufwandsersatz grundsätzlich nicht Entgelt (Martinek/M. und W.Schwarz, AngG7, 453 mwN). Die Beklagte hat auch die Berechtigung der Flugzulage wegen der mangelnden Flugtauglichkeit der Klägerin bestritten. Ferner steht nicht fest, ob nicht in den von der Klägerin begehrten Diäten Entgeltteile beinhaltet waren.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte