OGH 2Ob505/96

OGH2Ob505/9611.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brigitte M*****, vertreten durch Dr.Wilhelm Winkler, Dr.Gebhard Heinzle und Dr.Julia Winkler, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Land V*****, vertreten durch Dr.Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 221.000,-- sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14.September 1995, GZ 2 R 185/95-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 11.April 1995, GZ 7 Cg 29/94y-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin ist neben ihrer Tätigkeit als Hausfrau in der Landwirtschaft ihres Ehegatten tätig; sie unterzog sich aufgrund eines Krampfadernleidens an beiden Beinen (venöse Insuffizienz) über Anraten ihres Hausarztes im Landeskrankenhaus B*****, dessen Rechtsträger das beklagte Bundesland ist, einer medizinisch indizierten beidseitigen Varizenoperation. Diese wurde am 3. und 5.4.1993 durch Dr.Jörg T***** durchgeführt. Dabei wurde ein Nerv beim sogenannten "Fischen" der Astvarikositäten beschädigt; eine derartige Komplikation kann auch bei einem fachgerecht durchgeführten Eingriff auftreten, sie ist jedoch äußerst selten (Wahrscheinlichkeit im Promillebereich). Als Folge wurde eine Peronaeuslähmung mit distaler Gefühlsstörung und Spitzfuß festgestellt (totaler Ausfall des Ramus profundus, des Nervus peronaeus rechts und hochgradige Schädigung des Ramus superficialis). Die Klägerin wurde am 9.4.1993 in häusliche Pflege entlassen. Am 14.5.1993 erfolgte eine Nachoperation mit Freilegung des nicht durchtrennten Nerves samt Durchführung einer Neurolyse. Derzeit ist bei der Klägerin nur mehr der Barfußgang deutlich behindert, und zwar im Sinne einer Restperonaeusparese; die Klägerin kann auf Zehenballen stehen und vermindert gehen, jedoch mit rascher Ermüdbarkeit und unsicherem Stand am rechten Bein allein, womit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 0 bis 10 % verbunden ist.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung eines Schmerzengeldes von 100.000,-- S und (aus prozeßökonomischen Gründen) von ihrer mit S 218.050,-- für 1557,50 Stunden a S 140,-- bezifferten Verdienstentgangsforderung vorerst lediglich S 121.000,--; weiters begehrt sie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden aus der Behandlung Anfang April 1993. Sie brachte vor, die Behandlung sei kunstwidrig gewesen und die Haftung vom Leiter der chirurgischen Abteilung dem Grunde nach anerkannt worden; außerdem sei sie über allfällige Risken nicht aufgeklärt worden. Hätte man sie über das aufklärungsbedürftige Risiko einer Nervenschädigung bei einer Varizenoperation aufgeklärt, hätte sie diese nicht durchführen lassen. Es liege prima facie ein von der beklagten Partei zu vertretender Behandlungsfehler vor, da die aufgetretene Komplikation einen äußerst hohen Seltenheitsgrad aufweise. Dieser äußerst hohe Seltenheitsgrad einer solchen Komplikation bei kunstgerechter Behandlung indiziere, daß im Laufe der Behandlung ein Fehler unterlaufen sei, der diese Schädigung hervorgerufen habe.

Die beklagte Partei wendete ein, die bei der Klägerin aufgetretene Nervenschädigung sei dem Operationsrisiko zuzuordnen und nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen. Das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses bestritt die Beklagte. Da die Varizenbeschwerden der Klägerin im Falle des Unterbleibens einer Operation ein wesentlich gravierenderes Beschwerdebild und damit auch eine wesentlich gravierendere Erwerbsminderung in der Landwirtschaft und im Haushalt erbracht hätten, als das Ergebnis der tatsächlich vorgenommenen Operation, liege kein künftiger kausaler Schaden vor, sodaß auch das Feststellungsbegehren unberechtigt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab, wobei es - über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend - von folgenden Feststellungen ausging:

Der Zustand der Klägerin vor der Operation war so, daß er sich nicht mehr verbessern, sondern eher verschlechtern konnte; die Operation war medizinisch indiziert. Hiezu gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder das Tragen eines Kompressionsverbandes auf Dauer (welche Methode jedoch üblicherweise bei jungen Patientinnen, wozu auch die damals ca. 45jährige Klägerin zu zählen ist, nicht angewendet wird) oder - normalerweise - der Ausführung einer Varizenoperation. Vor Durchführung dieses Eingriffes führte Dr.T***** in Vertretung des Oberarztes ein Gespräch mit der Klägerin. Er war selbst Facharzt für Chirurgie und Oberarzt an der Zweiten Universitätsklinik für Chirurgie in I*****. Er klärte bei diesem Gespräch die Klägerin darüber auf, daß als Folgen der Operation Blutergüsse, Störungen des Lymphabflußsystems und auch Nervenschädigungen (Gefühlsausfälle) auftreten könnten; ob er ihr auch sagte, es könne im Rahmen einer Komplikation zu einer Lähmung des Peronaeusnervs kommen, konnte nicht festgestellt werden.

Die eingangs wiedergegebenen Schädigungen traten bereits unmittelbar nach der Operation auf. Die Klägerin konnte den rechten Fuß nicht flektieren und bei der Mobilisierung in den darauffolgenden Tagen nicht am rechten Vorfuß stehen. Trotzdem erfolgte die Behandlung im Krankenhaus der beklagten Partei nach den Regeln der Medizin kunstgerecht. Daß Dr.T***** in Zuge der Operation ein Fehler unterlief und er nicht die notwendige Sorgfalt aufwendete, konnte nicht festgestellt, jedoch auch nicht ausgeschlossen werden. Dr.T***** war jedenfalls aufgrund seiner Ausbildung ein für die Operation geeigneter Arzt.

Die Klägerin hatte im Zusammenhang mit dem Aufenthalt und dem Eingriff im Krankenhaus der beklagten Partei zwei Tage leichte Schmerzen zu ertragen.

Da sich in der Folge im Rahmen der ambulanten Behandlung keine Besserung einstellte, wurde die Klägerin am 13.5.1993 im Landeskrankenhaus F***** stationär aufgenommen und am 14.5.1993 operiert. Dabei zeigte sich, daß der Nerv nicht durchtrennt war. In der Folge wurde eine Neurolyse durchgeführt. Am 19.5.1993 wurde die Klägerin mit Knieschiene in häusliche Pflege entlassen. Im Zusammenhang mit der zweiten Operation hatte die Klägerin ein bis zwei Tage starke Schmerzen, drei bis vier Tage mittelstarke Schmerzen und eine Woche leichte Schmerzen zu ertragen. Nach der Entlassung hatte sie noch 10 bis 14 Tage Schmerzen zu erdulden. Außerdem traten noch kurze Schmerzperioden anläßlich der EMG-Untersuchung auf.

Derzeit ist der Barfußgang der Klägerin noch deutlich behindert, Dauerschäden und Spätfolgen sind nicht auszuschließen.

Wäre die Operation im Landeskrankenhaus B***** komplikationslos verlaufen, wäre die Klägerin ca. drei Wochen nach dem Operationstermin wieder voll einsatzfähig gewesen. Sie hätte in diesem Fall nur Gummistrümpfe tragen müssen. Die Klägerin war in der Zeit, in der sie jeweils im Krankenhaus war und jeweils in den folgenden drei Wochen zu 100 % arbeitsunfähig. In der Zeit von Anfang Mai bis Mitte Mai und von Juli bis Mitte September 1993 war die Klägerin in bezug auf ihre Tätigkeiten in der Landwirtschaft im Ausmaß von 50 % erwerbsunfähig, hinsichtlich ihrer Tätigkeiten im Haushalt waren keine Einschränkungen gegeben.

Während des Krankenhausaufenthaltes im Landeskrankenhaus B***** und den folgenden drei Wochen hätte die Klägerin täglich 6,5 Stunden in der Landwirtschaft gearbeitet. In der Zeit vom 1.Mai 1993 bis zur stationären Aufnahme im Landeskrankenhaus F***** am 13.5.1993 wäre sie 3,2 Stunden täglich mehr in der Landwirtschaft tätig gewesen, vom 13. Mai bis 30.Juni 1993 hätte die Klägerin täglich vier Stunden in der Landwirtschaft gearbeitet, in der Zeit Anfang Juli bis Mitte September 1993 ergibt sich eine Anzahl von 255,5 Arbeitsstunden, die die Klägerin in der Landwirtschaft verrichtet hätte. Der verkehrsübliche Stundensatz für eine Aushilfskraft mit entsprechenden landwirtschaftlichen Kenntnissen beträgt 118,-- S.

Der Leiter der chirurgischen Abteilung des Landeskrankenhauses F***** teilte mit Schreiben vom 3.6.1993, das an die Verwaltung des Landeskrankenhauses B***** gehen sollte und irrtümlicherweise dem Klagevertreter zuging, folgendes mit:

"Da aufgrund des zeitlichen Ablaufes und der Art der Operation eine iatrogene Schädigung anzunehmen ist, glaube ich, daß die Haftung für die Folgen anzuerkennen ist."

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die unaufklärbaren Zweifel über das Vorliegen eines Kunstfehlers zu Lasten der Klägerin gingen. Es sei auch eine Aufklärung vor der Operation über die Gefahr einer Peronaeuslähmung nicht erforderlich gewesen, weil die Gefahr einer Schädigung dieses Nerves nur im Promillebereich gelegen und der Eingriff medizinisch indiziert gewesen sei.

Gegen dieses Urteil - ausgenommen eine Teilabweisung des Leistungsbegehrens über 20.000,-- S sA - erhob die Klägerin Berufung. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Nach teilweiser Beweiswiederholung beseitigte das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichtes, die Operation sei nach den Regeln der Medizin kunstgerecht erfolgt; es beließ aber die Negativfeststellung, daß nicht festgestellt werden könne, daß bzw ob allenfalls ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Die Feststellungen des Erstgerichtes hinsichtlich des Arbeitsausfalles der Klägerin übernahm das Berufungsgericht als für die Entscheidung entbehrlich, nicht; die diesbezügliche Beweisrüge blieb unerledigt.

Im übrigen führte das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, daß eine Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der operationsbedingt aufgetretenen Komplikation einer Lähmung des Peronaeusnerves, welches Risiko selbst bei fachgerecht durchgeführtem Eingriff so weit herabgesetzt sei, daß es nur im Promillebereich auftrete, also praktisch keine Rolle spiele, in Würdigung der Gesamtheit aller maßgeblichen Umstände verneint werden müsse. Die Aufklärungsanforderungen dürften nicht überspannt werden; der operierende Arzt sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf alle nur erdenklichen nachteiligen Folgen des medizinisch indizierten Eingriffes hinzuweisen, zumal mit der tatsächlich eingetretenen Komplikationsfolge bei Würdigung aller Umstände nach dem Stand der ärztlichen Erfahrung nicht gerechnet werden mußte.

Zur Frage eines Behandlungsfehlers führte das Berufungsgericht aus, daß diesen im Sinne der allgemeinen Schadenersatzregeln die Klägerin nachzuweisen hätte. Dabei genüge es, daß der Geschädigte das Entstehen des Gesundheitsschadens durch das Verhalten des Arztes im Sinn eines hohen Grades wahrscheinlich machen könne; sei dieser Beweis erbracht, dann liege es am Arzt, die Schuldlosigkeit zu beweisen; der Arzt wäre also dann entschuldigt, wenn er nachweise, daß eine bei seiner Behandlung eingetretene Verletzung ohne sein Verschulden herbeigeführt werden konnte. Bei - wie hier - bloß möglicherweise mit Behandlungsfehlern zusammenhängenden Gesundheitsschäden seien an den Kausalitätsbeweis geringere Anforderungen zu stellen und genüge der Nachweis einer hohen Wahrscheinlichkeit der Ursächlichkeit des ärztlichen Kunstfehlers für den erlittenen Körperschaden. Diesen Nachweis habe aber die Klägerin nicht erbringen können.

Auch ein (konstitutives) Anerkenntnis habe das Erstgericht zu Recht verneint.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren hinsichtlich des Zahlungsbegehrens über 201.000,-- S und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens stattgegeben werde.

Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der Klägerin zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie in der Folge noch darzulegen sein wird - wohl die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes richtig zitiert hat, den festgestellten Sachverhalt aber nicht richtig darunter subsumiert hat, sodaß die Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO gegeben sind (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 502).

Das Rechtsmittel der Klägerin ist im Sinne seines im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags (SZ 48/1; Fasching IV, 64) auch berechtigt.

Die Klägerin vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, der sie behandelnde Arzt habe seine Aufklärungspflicht verletzt. Wenngleich die Operation medizinisch indiziert war, sei sie nicht dringlich gewesen. Es sei die von der Rechtsprechung verlangte Typizität der Komplikation trotz ihrer Seltenheit zu bejahen, sodaß trotz des relativ geringen Komplikationsrisikos eine Aufklärungspflicht bestanden hätte.

Überdies seien bei der gegebenen Sachlage die Regeln des Anscheinsbeweises anzuwenden. Der äußerst hohe Seltenheitsgrad der bei der Klägerin eingetretenen Komplikation bei kunstgerechter Behandlung indiziere typischerweise, daß im Laufe der Behandlung ein Fehler unterlaufen sei, welcher die Schädigung verursacht habe. Für den Fall, daß die ärztliche Aufklärungspflicht wegen der hohen Seltenheit verneint werde, müsse diese Überlegung umso mehr für den Anscheinsbeweis gelten.

Die Ausführungen der Klägerin betreffend die Aufklärungspflicht sind grundsätzlich zutreffend:

Der mit dem Arzt oder dem Träger eines Krankenhauses abgeschlossene Behandlungsvertrag umfaßt auch die Pflicht, den Patienten über Art und Schwere sowie über die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen

der Behandlung oder ihrer Unterlassung zu unterrichten (SZ 63/152 =

JBl 1991, 445; SZ 67/9 = JBl 1995, 245 = RdM 1994, 121 uva). Es ist

nämlich grundsätzlich jede ärztliche Heilbehandlung, die mit einer Verletzung der körperlichen Integrität verbunden ist, als Körperverletzung und damit als Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes zu werten und somit rechtswidrig. Erst die Zustimmung des Patienten vermag den rechtswidrigen Eingriff zu rechtfertigen. Die Zustimmung setzt aber zu ihrer Rechtswirksamkeit eine vorangegangene entsprechende Aufklärung voraus, weshalb bei einem Unterbleiben der Aufklärung der Arzt bzw der Krankenhausträger auch bei kunstgerechter Operation für die dadurch entstandenen Schäden zu haften haben (JBl 1994, 336 = RdM 1994, 28; EvBl 1995/149 = JBl 1995, 453).

Wenngleich im allgemeinen eine Aufklärung des Patienten über mögliche schädliche Folgen einer vorgesehenen Operation dann nicht erforderlich ist, wenn die Schäden nur in äußerst seltenen Fällen auftreten, ist auf typische Risiken einer Operation ganz unabhängig von der prozentmäßigen statistischen Wahrscheinlichkeit, also auch bei einer allfälligen Seltenheit ihres Eintrittes, hinzuweisen; insoweit ist die Aufklärungspflicht bei Vorliegen einer typischen Gefahr verschärft. Die Typizität ergibt sich nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, daß das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist. Auch das typische Risiko muß allerdings von einiger Erheblichkeit und dadurch geeignet sein, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen

(SZ 62/154 = JBl 1990, 459; SZ 67/9 = RdM 1994, 121 = JBl 1995, 245;

EvBl 1995/149 = JBl 1995, 453 uva). Ist der Eingriff zwar medizinisch

empfohlen, aber nicht eilig, so ist grundsätzlich eine umfangreiche Aufklärung notwendig. Selbst auf die Möglichkeit äußerst seltener Zwischenfälle ist hinzuweisen, wenn für den Eingriff aus medizinischer Sicht keine Dringlichkeit oder überhaupt keine zwingende Indikation besteht (SZ 67/9 = JBl 1995, 245 = RdM 1994, 121 mwN). Entscheidend ist die Erheblichkeit des seltenen Risikos und damit seine Eignung, die Willensbildung des Patienten zu beeinflussen, nicht aber die Seltenheit der Verwirklichung des Risikos selbst (Steiner, JBl 1995, 455).

Legt man nun diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann hätte der die Klägerin behandelnde Arzt sie auf das Risiko der bei ihr aufgetretenen Komplikationen hinweisen müssen: Es handelte sich um ein typisches Risiko, das auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden war. Es war von einiger Erheblichkeit und ohne Zweifel geeignet, die Entscheidung der Klägerin zu beeinflussen. Der Eingriff an der Klägerin war zwar medizinisch indiziert, doch bestand keine Dringlichkeit und schließlich hätte noch eine alternative (wenn auch ungünstigere) Behandlungsmethode bestanden. Die beklagte Partei kann sich auch nicht auf die relativ geringfügige Risikohäufigkeit berufen, weil bei der Beurteilung der Aufklärungspflicht nicht an statistischen Werten zu haften ist und diese nicht schon bei einer Risikodichte im Promillebereich entfällt (RdM 1994, 27 mwN; siehe auch NJW 1994, 3012).

Keinesfalls kann der in der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei vertretenen Ansicht, die Klägerin wäre ohnehin ausreichend aufgeklärt worden, gefolgt werden. Die Aufklärung muß nämlich so beschaffen sein, daß der Patient die Tragweite seiner Erklärung, in die Operation einzuwilligen, überschauen kann, also weiß, worin er einwilligt (SZ 67/9 = RdM 1994, 121 = JBl 1995, 245). Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin darüber aufgeklärt, daß als Folgen der Operation Blutergüsse, Störungen des Lymphabflußsystems und auch Nervenschädigungen (Gefühlsausfälle) auftreten könnten; den Nachweis einer Aufklärung darüber, daß es im Rahmen einer Komplikation zu einer Lähmung des Peronaeusnervs kommen könne, konnte die dafür beweispflichtige beklagte Partei (JBl 1994, 336 = RdM 1994, 28) nicht erbringen. Der bloße Hinweis auf "Nervenschädigungen (Gefühlsausfälle)" stellt aber keine ausreichende Aufklärung vor dem Risiko der Lähmung eines Nerves dar.

Daraus folgt, daß der von der Klägerin geltend gemachte Schadenersatzanspruch grundsätzlich berechtigt ist und es daher weiterer Feststellungen über dessen Höhe bedarf. Der vom Berufungsgericht herangezogene Grund für die Abweisung des Klagebegehrens erweist sich sohin als nicht berechtigt, sodaß dessen Entscheidung aufzuheben und ihm eine neue Entscheidung aufzutragen war, weil auch noch Tatfragen strittig sind.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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