OGH 4Ob1668/95(4Ob1669/95)

OGH4Ob1668/95(4Ob1669/95)5.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dipl.-Ing.Klaus O*****, 2. Dr.Arnold G*****, beide vertreten durch Dr.Herbert Pochwieser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dipl.Ing.Helmut L*****, 2. Marlene L*****, beide vertreten durch Dr.Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30.August 1995, GZ 40 R 439, 443/95-39, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der Kläger wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Erstgerichtes übernommen; es ist daher nicht richtig, daß es von den Feststellungen des Erstgerichtes abweichende Feststellungen getroffen hätte. Das Berufungsgericht setzt sich ausführlich mit den Einwendungen der Kläger gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes auseinander; inwiefern es damit gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen haben sollte, ist nicht ersichtlich. Das rechtliche Gehör wird einer Partei verwehrt, wenn einer gerichtlichen Enscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt wurden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Das Gericht hat daher den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen (SZ 54/124 mwN; SZ 64/1 = JBl 1991, 597 ua) Daß den Klägern die Berufungsbeantwortung nicht zugestellt wurde, hat ihr Recht auf Gehör nicht verletzt. Wurde die Berufungsbeantwortung doch in der Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Kläger (ihres Vertreters) vorgetragen.

Die Kläger haben die Aufkündigung (ua) auf erheblich nachteiligen Gebrauch der Wohnung gestützt. Im vorbereitenden Schriftsatz ON 3 haben sie dazu vorgebracht, der Erstbeklagte habe in der aufgekündigten Wohnung Elektroleitungen verlegt, die nicht dem Stand der Technik entsprechen und den Vorschriften widersprechen; er habe bewilligungspflichtige Bauarbeiten eigenmächtig, ohne Einwilligung der Vermieter, ohne baubehördliche Genehmigung durchgeführt. Das Erstgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen; in der rechtlichen Beurteilung hat es ausgeführt, daß der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches nicht gegeben sei. Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß ein substanzgefährdender Eingriff durch konsenslose Bauarbeiten weder behauptet worden sei noch auf der Hand liege. Daß das Erstgericht keine Feststellungen getroffen habe, mache das Verfahren daher nicht mangelhaft.

Der Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches liegt vor, wenn durch eine wiederholte länger währende vertragswidrige Benützung des Mietgegenstandes oder durch eine längere Unterlassung notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstandes erfolgte oder auch nur droht (SZ 48/132). Ein erheblich nachteiliger Gebrauch kann auch dann gegeben sein, wenn durch das Verhalten des Mieters sonstige wichtige Interessen des Vermieters verletzt werden (MietSlg 42.305 mwN). Die Kläger haben in erster Instanz nicht vorgebracht, daß die behaupteten Umbauarbeiten die Substanz des Hauses gefährdeten oder sonstige wichtige Interessen verletzten. Sie haben den Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches demnach nicht gehörig ausgeführt.

Nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG kann eine Wohnung aufgekünfigt werden, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters ... regelmäßig verwendet wird. Nach ständiger Rechtsprechung ist das dringende Wohnbedürfnis nicht mehr zu prüfen, wenn die Wohnung regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet wird (MietSlg 31.417; 34.470 mwN; ImmZ 1992, 297 mwN uva; s auch Würth in Rummel, ABGB2 § 30 MRG Rz 31). Die gesonderte Prüfung erübrigt sich, weil sich das dringende Wohnbedürfnis schon aus der regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken ergibt. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Der Erstbeklagte wohnt in der aufgekündigten Wohnung; er hält sich dort regelmäßig auf. Daß er in der Wohnung auch seine freiberufliche Tätigkeit als Bauingenieur ausübt, vermag an ihrer primären Verwendung zu Wohnzwecken nichts zu ändern. § 31 Abs 1 MRG läßt eine Teilkündigung nur für den Fall der Eigenbedarfskündigung zu. Liegt ein anderer Kündigungsgrund vor, so ist eine Teilkündigung zulässig, wenn der Kündigungsgrund nicht hinsichtlich des ganzen Mietgegenstandes gegeben ist (MietSlg 21.643f; 24.408; Würth in Rummel aaO § 31 Rz 5). Die Rechtsprechung lehnt eine Teilkündigung bei den Kündigungsgründen nach § 30 Abs 2 Z 6 und 7 MRG mit der Begründung ab, daß eine Teilkündigung nach diesen Gesetzesstellen nur dann zulässig sei, wenn die Voraussetzungen für die Kündigung des ganzen Mietgegenstandes gegeben seien (ua SZ 44/9 = MietSlg 23.471/5). Diese Rechtsprechung wird von Würth (in Rummel aaO § 31 MRG Rz 5) kritisiert, aber doch soweit als unbedenklich bezeichnet, als die Prüfung des Bedarfs des Mieters an einzelnen Räumen des Mietgegenstandes abgelehnt wird; dies ergebe sich nämlich schon aus der richtig verstandenen Auslegung der Z 6 und 7, wonach es einerseits nicht nur auf den Bedarf, sondern auch auf die Verwendung ankommt. Im vorliegenden Fall ist eine Teilkündigung demnach auch nach der von Würth (aaO) vertretenen Auffassung unzulässig, steht doch fest, daß der Erstbeklagte die ganze Wohnung regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet, soweit sie nicht von der Zweitbeklagten entsprechend dem Mietvertrag genutzt wird. Inwiefern das Gesetz verfassungswidrig sein sollte, ist den Ausführungen der Kläger nicht zu entnehmen.

Der Erstbeklagte und die Zweitbeklagte sind Mitmieter der Wohnung; an der gekündigten Wohnung besteht ein Gesamtmietverhältnis. Unter einem Gesamtmietverhältnis wird ein von mehreren Mietern am selben Bestandobjekt ungeteilt bestehendes Mietverhältnis verstanden, das entweder von vornherein als solches begründet wurde oder durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge entstanden ist. Das einen wichtigen Kündigungsgrund bildende Verhalten eines der Mitmieter ist den übrigen zuzurechnen und wirkt gegen sie; der Tod eines der Mitmieter berechtigt hingegen nur dann zur Aufkündigung, wenn auch gegenüber den anderen Mitmietern ein Kündigungsgrund besteht (s Würth aaO § 1090 Rz 20). Mehrere Mitmieter bilden eine einheitliche Streitpartei, weil sich die Wirkung des zu fällenden Urteiles kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses auf sämtliche Streitgenossen erstreckt (§ 14 ZPO; Würth aaO § 1116 Rz 17).

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