OGH 3Ob118/95

OGH3Ob118/9529.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Xuan T*****, vertreten durch Dr.Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die verpflichtete Partei Kazim O*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 92.480,-- sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 1. September 1995, GZ 22 R 622/95-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hallein vom 16.März 1995, GZ E 1159/95p-2, abgeändert wurde, nachstehenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Revisionsrekurskosten der betreibenden Partei werden mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

Mit Urteil des Erstgerichtes vom 11.11.1994, GZ 4 C 564/94p-10, wurde der Verpflichtete (dort Siebtbeklagte) schuldig erkannt, zur ungeteilten Hand mit dem dort Drittbeklagten (einem seiner volljährigen Söhne, der als Mietvertragspartner des dortigen Klägers zur Zahlung von rückständigem Mietzins verurteilt wurde, während der Verpflichtete "diesem Mietvertrag hinsichtlich der finanziellen Verpflichtungen" beigetreten war) verpflichtet, den Betrag von S 92.480,-- samt stufenweisen Zinsen und S 10.658,50 Kosten samt 4 % Zinsen gemäß § 54a ZPO binnen 14 Tagen zu bezahlen. Das Urteil wurde dem Vertreter des Verpflichteten (dort aller beklagten Parteien) am 2.12.1994 zugestellt.

Am 30.12.1994 (Postaufgabedatum) erhob der Drittbeklagte gegen dieses Urteil durch seinen Rechtsvertreter Berufung, welche am 2.1.1995 beim Erstgericht einlangte und dem Rechtsvertreter des Klägers (Betreibenden) am 24.2.1995 zugestellt wurde. Der Schriftsatz führt im Rubrum als beklagte Partei nur den (näher bezeichneten) Drittbeklagten als Berufungswerber an, ist durchgehend in "Ich-Form (des Drittbeklagten)" gehalten und am Ende nur "maschinschriftlich" durch den Drittbeklagten "gefertigt". In den Ausführungen zur Berufung im Kostenpunkt äußert der Berufungswerber den Rechtsstandpunkt, "er und (ua) der Siebtbeklagte (der Verpflichtete) seien im Prozeß einheitliche Streitparteien (im Sinn des § 14 ZPO), die Prozeßhandlung einer Streitpartei wirke auch für die andere; dies gelte im übrigen für die gesamte von ihm hier eingebrachte Berufung; er weise darauf hin, daß gegenständliche Berufung auch für die siebtbeklagte Partei als Streitgenosse geltend gemacht werde". Der Primärantrag der Berufung lautet auf Abänderung des Ersturteils durch Abweisung des Klagebegehrens gegenüber sämtlichen beklagten Parteien, die Eventualanträge lauten auf Aufhebung des Urteiles und Rückverweisung der Sache an das Erstgericht oder auf eingeschränkte Kostenverpflichtungen des Dritt- und Siebtbeklagten.

Am 6.3.1995 beantragte die betreibende Partei beim Titelgericht, ihr aufgrund des vollstreckbaren Urteiles vom 11.11.1994 zur Hereinbringung der darin genannten Beträge gegen den Verpflichteten Fahrnis- und Gehaltsexekution (gemäß §§ 290a, 294a EO) zu bewilligen. Nachdem der Prozeßrichter am 15.3.1995 die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit seines Urteils im Verhältnis zwischen Kläger und Siebtbeklagten (Verpflichteten) bestätigt hatte, bewilligte der Exekutionsrechtspfleger des Erstgerichtes mit Beschluß vom 16.3.1995 die beantragte Exekution. Der Bewilligungsbeschluß wurde dem Verpflichteten anläßlich des Vollzugs(versuches) vom 15.5.1995 durch Aushändigung an seinen Sohn, den Drittbeklagten, zugestellt. In seinem dagegen am 19.5.1995 erhobenen Rekurs führte der Verpflichtete aus, sein Sohn (der Drittbeklagte) habe gegen das Urteil Berufung erhoben, von ihm sei nicht Berufung erhoben worden; da es sich aber bei sämtlichen beklagten Parteien des Titelprozesses um einheitliche Streitgenossen handle, gelte die Handlung (Berufung) des einen Streitgenossen auch für die übrigen, sodaß kein rechtskräftiger (und vollstreckbarer Exekutions-)Titel vorliege.

Mittlerweile entschied das Landesgericht Salzburg als Berufungsgericht am 3.7.1995 zu AZl 54 R 50/95 über die Berufung des Drittbeklagten und (wie es ausführte "im Zweifel auch") des Siebtbeklagten durch Zurückweisung der wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung und Bestätigung des Ersturteils unter Erhöhung der Prozeßkostenersatzverpflichtung und Auferlegung von Kosten eines angenommenen Kostenrekurses an die "beiden Berufungswerber". Es ging allerdings in seiner Entscheidung davon aus, daß die Berufungswerber keine einheitliche Streitpartei bildeten, sondern bloß materielle Streitgenossen nach § 11 ZPO seien.

Mit dem angefochtenen Beschluß (vom 1.9.1995) wies das Landesgericht Salzburg (durch einen anderen Rechtsmittelsenat) den Exekutionsbewilligungsantrag ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es machte sich den Verfahrensrechtsstandpunkt des Berufungssenates zu eigen, daß zufolge der auch für den Siebtbeklagten (Verpflichteten) geltendgemachten Berufung das Ersturteil auch gegenüber dem Verpflichteten noch nicht in formelle Rechtskraft erwachsen sei, sodaß die vom Erstrichter des Titelverfahrens erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung gesetzwidrig und unbeachtlich sei, zumal bei dieser "Sachlage (dem Inhalt der vorliegenden Berufung)" die Beurteilung, ob eine zulässige Berufung des Siebtbeklagten vorliege, vom Berufungsgericht, welches schließlich auch von einer rechtswirksamen Berufung des Siebtbeklagten ausgegangen sei, vorzunehmen gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die rekursgerichtliche Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist berechtigt.

Eine gerichtliche Entscheidung erster Instanz hat auf Grund der Sach- und Rechtslage zu ergehen, wie sie im Entscheidungszeitpunkt oder, wenn zwingend eine Verhandlung vorgelagert sein mußte, mit Schluß dieser Verhandlung bestanden hat. Dieser Grundsatz gilt auch für das Exekutionsverfahren, zumal sich die Ansicht durchsetzte, daß selbst im Falle der Exekutionsbewilligung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung irrelevant ist (EvBl 1995/146 mwN). Zum maßgeblichen Zeitpunkt lag nur eine Berufung des im Titelverfahren Drittbeklagten vor. Der in diesem Verfahren Verpflichtete führte mit der Aktenlage des Titelverfahrens daher auch zutreffend in seinem gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß gerichteten Rekurs aus, nur der Drittbeklagte habe Berufung ergriffen. Zwar äußerte der Drittbeklagte im Schriftsatz den Rechtsstandpunkt, zufolge Vorliegens einer einheitlichen Streitpartei auf Seiten aller beklagter Parteien (der Mutter und des Vaters sowie der teils minderjährigen Geschwister des Drittbeklagten) wirke seine Berufung auch für den allein mitverurteilten Siebtbeklagten, doch war andererseits aus den Urteilsfeststellungen die Unhaltbarkeit dieses Rechtsstandpunktes abzuleiten, weil der Vater des Berufungswerbers nicht etwa als Mitmieter, sondern als "dem Mietvertrag hinsichtlich der finanziellen Verpflichtungen Beigetretener" zur Zahlung mitverpflichtet wurde und demnach als einfacher materieller Streitgenosse gemäß § 11 Z 1 ZPO anzusehen war. Nach herrschender Auffassung wirken aber Verfügungen eines derartigen Streitgenossen über den Streitgegenstand oder über das Rechtsschutzbegehren (wie eine Rechtsmittelerhebung) immer nur für und gegen diesen einzelnen Streitgenossen allein und nicht für einen oder die anderen (SZ 48/46; 46/35 uva; Fucik in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 14; Fasching, LB2 Rz 378 ua). Abweichende Rechtsauffassungen der Parteien oder auch der Instanzgerichte im Titelverfahren bei der Beurteilung der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels sind unbeachtlich. Auch aus der Bestimmung des § 490 ZPO, wonach das Berufungsgericht auf Antrag noch vor der Entscheidung über die Berufung durch Beschluß auszusprechen hat, inwieweit das Urteil der unteren Instanz als nicht angefochten zur Exekution geeignet ist, ist für den Standpunkt des Rekursgerichtes und der verpflichteten Partei nichts zu gewinnen, zumal ein solcher Antrag von den Parteien an das Berufungsgericht nicht gestellt wurde.

Diese Erwägungen führen zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.

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