OGH 6Ob646/95

OGH6Ob646/9523.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Melanie P*****, infolge Revisionsrekurses der Mutter Mag.Elisabeth G*****, gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgerichtes vom 10.Oktober 1995, AZ 1 R 42/95 (ON 183), womit der Rekurs der Mutter gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 15.Mai 1995, GZ 13 P 185/89-178, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird ersatzlos aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Mutter unter Abstandstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Das am 7.Oktober 1973 geborene Kind - das am 7.Dezember 1989 aus der Obhut der obsorgeberechtigten Mutter in die faktische Obsorge der Wiener Magistratsabteilung 11 (Jugendamt) "geflüchtet" war und sich in der Folge überwiegend in einem Heim aufgehalten hatte - wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 13.Jänner 1992 gemäß § 174 ABGB rechtskräftig (6 Ob 1613/92) für volljährig erklärt. In der Folge hat das Erstgericht beschlußmäßig eine Reihe von seiner Meinung nach obsolet gewordene, noch offene Anträgen erledigt, wobei hier nur die Beschlußpunkte 1.) und 2.) relevant sind. Das Erstgericht hat

1.) den - auf §§ 215, 176a ABGB gestützten - Antrag des Amtes für Jugend und Familie 21 (gemeint: Magistrat der Stadt Wien/Amt für Jugend und Familie für den 21.Bezirk vom 13.Dezember 1989 ON 1), die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung dem "Jugendamt 21" zu übertragen und die volle Obsorge zu verfügen, unangefochten als gegenstandslos zurückgewiesen,

2.) die tatsächlich durchgeführte Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung durch das "Jugendamt 21" in der Zeit vom 7.Dezember 1989 bis 13.Jänner 1992 nachträglich pflegschaftsbehördlich genehmigt.

Die zweite Instanz wies den erkennbar gegen Punkt 2.) des erstgerichtlichen Beschlusses erhobenen Rekurs der Mutter als unzulässig mit der Begründung zurück, daß dieser Punkt durch Zeitablauf überholt und auch die vom Erstgericht nur rein deklaratorisch ausgesprochene Genehmigung der Unterbringung drei Jahre nach Volljährigkeitserklärung des Kindes völlig entbehrlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter ist berechtigt.

Partei des Außerstreitverfahrens ist, wer durch den Ausgang des Verfahrens in seinen rechtlich anerkannten Interessen berührt wird. Als Interesse gilt jedes anerkannte subjektive Recht, bloß wirtschaftliches oder ideeles Interesse am Ausgang des Verfahrens gibt dagegen keine Parteistellung. Das Fehlen des Rechtsschutzinteresses, das noch im Zeitpunkt der Entscheidung gegeben sein muß, macht ein Rechtsmittel unzulässig.

a) Wenn die Mutter den Rekurs namens des volljährig gewordenen Kindes erhoben hätte, wäre sie durch Punkt 2.) des erstinstanzlichen Beschlusses nicht beschwert, weil ihre gesetzliche, hier prozessuale, Vertretungsbefugnis für das Kind mit dem Eintritt von dessen Volljährigkeit (§ 172 ABGB idF Art I Z 16 KindRÄG) erlosch und ab diesem Zeitpunkt die Volljährige ihre Angelegenheiten selbst vertreten muß.

b) Anders verhält es sich freilich, soweit die Mutter eigene rechtliche Interessen vertritt. Beim gegebenen Aktenstand können diese schon deshalb nicht ohne weiteres verneint werden, weil die Inanspruchnahme der Mutter als Elternteil für die faktische Heimunterbringung ihrer Tochter nicht ausgeschlossen werden kann (§§ 19, 39, 40 Wiener JWG 1990). Daher kann nicht gesagt werden, die bekämpfte Entscheidung wäre jedenfalls durch Zeitablauf überholt und einer Sachentscheidung käme nur mehr abstrakt-theoretische Bedeutung zu.

Die zweite Instanz hat das Rechtsmittel der Mutter zu Unrecht ohne sachliche Prüfung aus prozessualen Erwägungen zurückgewiesen. Sie wird sich mit dem Rekurs inhaltlich auseinanderzusetzen haben.

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