OGH 15Os151/95

OGH15Os151/959.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Unterrichter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rifat L***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29.Juni 1995, GZ 12 Vr 3000/94-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rifat L***** der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (I) und der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB (II) sowie der Vergehen der Körperletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III) und der teils vollendeten, teils versuchten Nötigung nach § 105 Abs 1 und § 15 StGB (IV) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Graz

zu I: mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Margarete H***** durch Täuschung über Tatsachen zu nachangeführten Handlungen verleitet, welche die Genannte um den Betrag von 195.971 S an ihrem Vermögen schädigten, wobei er die Tathandlungen in der Absicht vornahm, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1) im August 1993 durch die Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Zuzählung eines Darlehens in der Höhe von 45.000 S und

2) am 7.September 1993 und am 19.Oktober 1993 durch die Vorgabe, mit ihr eine Lebensgemeinschaft eingehen und das zur Verfügung gestellte Geld für die Anschaffung einer Wohnung verwenden zu wollen, zur Ausfolgung von Geldbeträgen in der Höhe von insgesamt 150.971 S;

zu II: seine Ehefrau Sigrid L***** und Margarete H***** teils mit Gewalt und teils durch gefährliche Drohung zu nachangeführten Handlungen, welche diese oder andere am Vermögen schädigten, genötigt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern und die Erpressung, die er zumindest gegen Margarete H***** längere Zeit hindurch fortsetzte, indem er den, seinen Aufforderungen entgegenstehenden Willen der beiden Frauen dadurch brach, daß er sie durch Versetzen von Schlägen und Tritten attackierte und äußerte, daß sie (sinngemäß) zumindest mit weiteren Verletzungen am Körper zu rechnen hätten, sofern sie seine Anweisungen nicht befolgen würden, wobei er die Tathandlungen in der Absicht vornahm, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1) Sigrid L***** zur Aufnahme der nachangeführten Darlehen und Kredite sowie zur anschließenden Übergabe und Überlassung der Kreditvaluta an ihn, nämlich

a) im Mai 1993 bei der S***** über den Betrag von 145.000 S und

b) Ende Juli, Anfang August 1994 bei ihrer Tante Josefine V***** über den Betrag von 50.000 S,

2) Margarete H*****

a) zur Aufnahme der nachangeführten Kredite und zur anschließenden Überlassung der Kreditvaluta an ihn, und zwar

aa) am 7.März 1994 und am 10.Mai 1994 bei der B***** über den Betrag von insgesamt 155.000 S,

ab) im April 1994 bei der BA***** über einen Betrag von rund 70.000 S und

ac) am 6.Mai 1994 bei der R***** über den Betrag von 75.000 S;

b) in der Zeit vom 2.Jänner 1994 bis 9.August 1994 in mehrfachen Angriffen zur Bestreitung ihn betreffender Ausgaben sowie zur Abhebung und Überlassung von Geldbeträgen in der Gesamthöhe von zumindest 60.000 S unter Verwendung ihrer Visa-Kreditkarte;

zu III: Durch die unter Punkt II beschriebenen Tätlichkeiten die nachgenannten Personen in mehrfachen Angriffen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1) Margarete H***** in der Zeit von Oktober 1993 bis Anfang November 1994 (Prellungen, Schwellungen, Hämatome am Kopf und Körper sowie Rißquetschwunden im Bereiche des rechten Fußes),

2) in der Zeit von Dezember 1992 bis Anfang November 1994 Sigrid L***** (Prellungen, Schwellungen, Hämatome und blutende Kratzwunden am ganzen Körper); sowie

zu IV: nachgenannte Personen durch gefährliche Drohungen, sie hätten mit (sinngemäß) weiteren Tätlichkeiten zu rechnen, zu Unterlassungen, nämlich die von ihm begangenen und zu den Punkten I bis III beschriebenen Tathandlungen nicht zur Anzeige zu bringen, teils genötigt und teils zur nötigen versucht, und zwar

1) Sigrid L***** in mehrfachen Angriffen in der Zeit von Anfang 1993 bis November 1994, indem er äußerte, daß sie für den Fall der Anzeigeerstattung mit weiteren Tätlichkeiten zu rechnen habe und "unter der Erde liegen werde" und

2) Margarete H***** am 4.November 1994, indem er äußerte, daß sie für den Fall, daß sie vor der Polizei gegen ihn aussage, Blut spucken werde.

Der Angeklagte bekämpft mit seiner auf § 281 Abs 1 Z 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sämtliche Schuldspruchfakten insoweit, als Margarete H***** Opfer seiner Tathandlungen war; die seine Gattin Sigrid L***** betreffenden Schuldsprüche läßt er unangefochten.

Zu den Feststellungen des Schuldspruchfaktums I bringt die Nichtigkeitsbeschwerde vor, daß die Zeugin H***** HAK-Matura-Niveau aufweise, dem Akteninhalt nicht zu entnehmen sei, daß sie etwa lebensfremd, naiv, realitätsfern, träumerisch oder schlichtweg dumm wäre. Es liege auf der Hand, daß eine Person wie die genannte Zeugin, die mehrere Fremdsprachen spreche, mit beiden Beinen im Berufsleben stehe, die über gewisse Gegebenheiten in wirtschaftlichen Abläufen Bescheid wissen und sich über die Folgen der Hingabe eines größeren Bargeldbetrages ohne Verlangen einer Quittung im klaren sein, sowie über die Grundzüge des Kreditwesens, über Verzinsung und Überschuldung instruiert sein müsse, auch erkennen mußte, ein Ausländer, der offensichtlich keiner geregelten Beschäftigung nachgehe, auf 25 m2 mit seiner Ehefrau zusammen wohne und nicht zuletzt der deutschen Sprache nicht besonders gut mächtig sei, auf keinen Fall in der Lage sei, selbständig ohne Hilfe der Zeugin H***** Verhandlungen bezüglich eines Wohnungskaufes zu führen sowie wirtschaftlich korrekt über angeblich hingegebene 120.000 oder 150.000 S zu disponieren. Es stehe abseits jeglicher Logik und Lebenserfahrung, daß die Zeugin H***** nach einer nicht einmal einmonatigen Bekanntschaft, nachdem sie den Angeklagten vorwiegend in Stadtcafes und in ihrem PKW getroffen habe, von einer gemeinsamen Zukunft träume und nur dem Angeklagten vollständig vertraut habe. Das Erstgericht habe in unvertretbarer Würdigung der Aussage der Zeugin H***** nicht nur die Grenzen der Logik überschritten, sondern allgemeine Erfahrungssätze des Lebens ignoriert.

In Bemängelung der Konstatierung bezüglich des Schuldspruchfaktums II wird ins Treffen geführt, es sprenge die Grenzen der Logik und entspreche nicht den allgemeinen Erfahrungssätzen des Lebens, daß sich die Zeugin H***** vom Angeklagten das Versetzen von Schlägen und verbale Drohungen - mag man ihr auch eine gewisse Verliebtheit in der Anfangsphase ihrer Bekanntschaft zugestehen - gefallen ließ, und daß sie sich dazu habe nötigen lassen, von Anzeigen gegen den Angeklagten Abstand zu nehmen, nur weil er auf Kontakte zu seinen Landsleuten verwiesen hätte sowie daß die Zeugin H***** derartige Schuldenbeträge nur deswegen auf sich genommen hätte, weil der Angeklagte sie durch Tätlichkeiten und geäußerte Drohungen, wobei diese Tätlichkeiten eine Vielzahl von Verletzungen zur Folge gehabt hätten, dazu gezwungen hätte.

Hinsichtlich der Fakten III und IV des Schuldspruches werden die erheblichen Bedenken gegen die Urteilsfeststellungen darin erblickt, daß die Zeugin H*****, die, wie sich aus der Aktenlage ergebe, fähig gewesen wäre, sollte der Angeklagte jemals Körperverletzungs- oder Nötigungshandlungen ihr gegenüber gesetzt haben, die dementsprechenden Konsequenzen zu ziehen und ihn zu verlassen, oder ihn bereits im Oktober 1993 zur Anzeige zu bringen.

Letztlich hätte das Schöffengericht in Erfüllung seiner Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit das Vorleben und auch die übrigen Lebensumstände der Zeugin H***** neben ihrer Bekanntschaft zum Angeklagten durchleuchten müssen, weil sie anderen Personen gegenüber Verpflichtungen, insbesondere solche finanzieller Art, eingegangen sei.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem genannten Beschwerdevorbringen bekämpft der Angeklagte der Sache nach lediglich in - auch nach der Einführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 a durch das StRÄG 1987 nach wie vor - unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes nach Art einer im Rechtsmittelverfahren über kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Mag auch das Verhalten der Zeugin Margarete H***** aus der Sicht eines Außenstehenden auf den ersten Blick schwer verständlich sein, so hat das Schöffengericht lebensnah die Verhaltensweise dieser Zeugin mit Scham, Liebe und Einschüchterung begründet (US 17). Diesen plausiblen Argumenten vermag der Angeklagte keine gewichtigen und somit erheblichen Bedenken entgegenzusetzen.

Das Gericht ist aber auch - dem Beschwerdevorbringen zuwider - seiner Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitserforschung in ausreichendem Maße nachgekommen; inwieweit und aus welchem Grund das Vorleben und auch die übrigen Lebensumstände der Zeugin H***** neben ihrer Bekanntschaft zum Angeklagten für die Sachentscheidung von Relevanz gewesen wären, ist der insoweit nicht substantiierten Beschwerde nicht zu entnehmen.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).

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