OGH 2Ob77/95

OGH2Ob77/9530.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter P***** *****, vertreten durch Dr.Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) H***** GmbH, ***** und 2.) K***** Versicherung*****, beide vertreten durch Dr.Winfried Sattlegger und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Zahlung von S 2,617.635,43 und einer Rente, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11.Juli 1995, GZ 3 R 132/95-53, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12.April 1995, GZ 10 Cg 355/93-46, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger erlitt am 22.8.1983 bei einem Verkehrsunfall einen offenen Bruch der linken Kniescheibe, eine Prellung und einen Bluterguß im Bereich des rechten Kniegelenks mit Rißquetschwunde sowie einen offenen Bruch im Bereich der Basis des Mittelgliedes des linken Ringfingers mit Strecksehnenverletzung. Die Haftung der beklagten Parteien für die Unfallschäden ist unstrittig.

Der Kläger begehrt die Zahlung von S 2,617.635,43 an Verdienstentgang für die Zeit vom 1.11.1988 bis 30.11.1994 sowie einer monatlichen Rente von S 39.205,59 ab 1.12.1994. Er brachte dazu vor, er sei gelernter Koch und habe vom 1.6.1983 bis 31.10.1987 im Hotel-Pensionsbetrieb seiner Mutter als Koch gearbeitet. Nach Schließung des Unternehmens am 31.10.1988 sei es ihm bis 30.6.1991 trotz zahlreicher und ernsthafter Bemühungen nicht gelungen, einen Arbeitsplatz zu finden. Mit 1.7.1991 habe er eine Halbtagesstelle erhalten, diese jedoch Ende des Monats wieder verloren, weil er aufgrund seiner Verletzung die an ihn gestellten Anforderungen nicht habe erfüllen können. Er sei nicht in der Lage, längere Zeit schmerzfrei und ohne Behinderung zu stehen. Auch längeres Sitzen sei der Durchblutung seines Gelenks und damit seinem Gesundheitszustand abträglich. Diese Einschränkungen stünden einem Berufswechsel entgegen, weil sie von jedem Dienstgeber als Einstellungshindernis angesehen würden. Ohne Unfall hätte er ein Arbeitsverhältnis als Alleinkoch mit entsprechenden Verdienstmöglichkeiten begründen können.

Die Beklagten wendeten ein, der Kläger sei durch die beim Unfall erlittenen Verletzungen in keiner Weise daran gehindert, in seinem erlernten Beruf tätig zu sein oder jeden anderen Beruf auszuüben. Er ziehe es statt dessen vor, in verschiedenen Prozessen den Nachweis der Erwerbsunfähigkeit zu führen. Sein Antrag auf Invaliditätspension sei mangels Invalidität abgewiesen worden, in einem Feststellungsprozeß der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gegen die Beklagten habe der dort bestellte Gutachter ausgeführt, daß keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit aufgrund der Verletzungen bestehe. Der Kläger habe niemals ernsthaft den Versuch unternommen, zu arbeiten. Er habe anläßlich einer Tagsatzung am 20.3.1991 im Verfahren zu 12 Cg 123/91 des Landesgerichtes S***** erklärt, es gebe nur eine Beschäftigung, die man ihm anbieten könne und die er auch annehmen würde, nämlich die Funktion eines Vorstandsmitgliedes der zweitbeklagten Partei. Die Untätigkeit des Klägers beruhe auf dessen freier Entscheidung und habe mit dem Verkehrsunfall nichts zu tun. Selbst wenn er seinen ursprünglichen Beruf als Koch nicht mehr ausüben könne, hätte er längst geeignete Alternativberufe ergreifen können, die ihn finanziell zumindest nicht schlechter gestellt hätten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Der am 10.6.1958 geborene Kläger absolvierte nach dem Abschluß der Pflichtschule eine zweijährige Ausbildung im bürokaufmännischen Bereich. Im Herbst 1975 trat er eine Lehre als Koch an, die er im September 1978 mit der Gesellenprüfung erfolgreich abschloß. Ab Juli 1979 betätigte er sich aus Interesse am Radrennsport als Fahrradmechaniker; hinsichtlich dieser Tätigkeit ließ er sich anlernen. Nachdem sein Vater Anfang der 80iger Jahre verstorben war, trat er in dem von seiner Mutter geführten Hotel als Koch ein. Ende 1988 wurde dieses Unternehmen geschlossen. Bis dahin war der Kläger im Hotelbetrieb als Koch beschäftigt und übte die Tätigkeit eines Alleinkochs aus.

Aufgrund der beim Unfall vom 22.8.1983 erlittenen Verletzungen bestehen beim Kläger funktionelle Beeinträchtigungen im Bereich des linken Kniegelenkes sowie auch im Bereich des linken Ringfingers die Dauerschäden darstellen. Diese funktionellen Beeinträchtigungen und die damit verbundenen Belastungsschmerzen sind nicht so schwerwiegend, daß der Kläger keinerlei verwertbare Arbeiten ausführen könnte. Aus medizinischer Sicht könnte er alle Arbeiten, die ausschließlich im Sitzen oder aber auch mit zeitweiligem Aufstehen und Herumgehen verbunden sind, ohne Einschränkungen ausführen, wobei er etwa jede Stunde die Möglichkeit haben sollte, zumindest 10 Minuten aufzustehen bzw sich durchzubewegen. Ebenfalls sind Arbeiten, die in wechselnden Körperpositionen auszuführen sind, dem Kläger aus medizinischer Sicht ohne weiteres zuzumuten, wobei allerdings die Arbeit in ausschließlich stehender oder gehender Position etwa 1/3 der Arbeitszeit nicht überschreiten sollte; diese Zeiten sollten nicht blockweise absolviert werden, sondern müßte sich diese Drittelung etwa gleichförmig über die Arbeitszeit hinziehen. Bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers derzeit und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge auch auf Dauer unter Berücksichtigung sämtlicher funktioneller Beeinträchtigungen und zuordenbaren Schmerzsyndromen mit 25 % einzuschätzen. Hinsichtlich der aus medizinischer Sicht besonders exponierten Tätigkeit als Koch, die praktisch ausschließlich im Stehen ausgeübt wird, ist beim Kläger aufgrund des Unfalles eine Beeinträchtigung der Erwerbstätigkeit im Ausmaß von ca 55 % verblieben und wird nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch weiterhin verbleiben. Diese Beeinträchtigungen der Arbeitsfähigkeit des Klägers haben auch schon seit November 1988 bestanden.

Nach der Schließung des Hotels seiner Mutter war der Kläger arbeitslos; er war beim Arbeitsamt als arbeitssuchend gemeldet. Vom 26.2.1989 bis 12.6.1989 bezog er Arbeitslosengeld von insgesamt S 26.910,50. Aufgrund seiner durch den Unfall hervorgerufenen gesundheitsbedingten Beeinträchtigung war es ihm nicht möglich, eine Arbeitsstelle zu finden. Lediglich im Juni 1991 konnte er als Zweiradmechaniker bei jenem Dienstgeber, bei dem er schon vor seiner Tätigkeit im Betrieb seiner Mutter gearbeitet hatte, eine Arbeitsstelle finden. Nach Ablauf des Probemonats wurde dieses Dienstverhältnis vom Dienstgeber aufgelöst, weil der Kläger aufgrund seiner unfallsbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht die volle Arbeitsleistung erbringen konnte. In diesem Dienstverhältnis wurde vom Kläger im Juni 1991 ein Nettoeinkommen von S 6.000 erzielt.

Bei den Berufen eines Koches und eines Zweiradmechanikers handelt es sich um Tätigkeiten, die ausschließlich stehende und gehende Arbeitshaltungen bedingen. In diesen Berufen waren und sind nur Ganztagesstellen zu erlangen. Die Ausübung derartiger Ganztagesstellen war und ist dem Kläger aufgrund seines durch den Unfall hervorgerufenen körperlichen Zustandes nicht möglich.

Eine zumindest ein Jahr in Anspruch nehmende Umschulung des Klägers in den Büro- und Verwaltungsbereich würde von der Arbeitsmarktverwaltung nicht finanziert werden, da für diesen Bereich ein Überangebot an Arbeitskräften vorhanden ist. Außerdem würden in diesem Bereich für den Kläger die Absolventen von Handelsakademien und Handelsschulen eine gravierende Konkurrenz bei der Suche nach Arbeitsstellen darstellen.

Eine Tätigkeit im Bereich der Schneiderei würde eine ca 6 Monate dauernde Einschulung des Klägers voraussetzen. In diesem Bereich ist eine immer weiter greifende Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation gegeben, da diese Arbeiten von den Unternehmen in Billiglohnländer ausgegliedert werden; weiters sind in diesem Bereich in Österreich überwiegend Ausländer beschäftigt.

Der Beruf eines Telefonisten ist ein typischer Frauenberuf, in dem nur Ganztagesstellen zum Tragen kommen. Voraussetzung für den Beruf eines Rezeptionisten sind Fremdsprachenkenntnisse, offene Stellen als Portier sind nicht vorhanden.

Generell ist das Einstellverhalten der Betriebe bereits seit Jahren dahingehend, daß eingeschränkt Leistungsfähige in die Randzone des Arbeitsmarktes und somit in die Arbeitslosigkeit abgedrängt werden.

Ohne die durch den Unfall hervorgerufenen körperlichen Beeinträchtigungen wäre es dem Kläger möglich gewesen, in den Jahren nach der Schließung des Betriebes seiner Mutter als Alleinkoch eine Ganzjahresstelle auch im Raume Salzburg anzunehmen, wobei er folgenden monatlichen Nettoverdienst hätte erzielen können: Im Jahre 1989 S 21.530, im Jahre 1990 S 22.500, im Jahre 1991 S 23.500 und in den Jahren 1992 bis 1994 S 24.500.

Der Kläger ist freiwillig in der Krankenversicherung weiterversichert. Von 1992 bis 30.11.1994 hat er für die freiwillige Weiterversicherung in der Krankenversicherung an den Sozialversicherungsträger insgesamt 32.329,20 S bezahlt.

Beim Zufluß eines Betrages von S 1,398.655,03 an Netto-Verdienstentgang für die Vergangenheit sowie bei Berücksichtigung eines Betrages von S 32.329,20 an geleisteten Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung fällt eine Einkommenssteuer im Betrage von S 1,186.641,20 an.

Für die Zeit, in der dem Kläger eine Verdienstentgangsrente von monatlich netto S 24.500 zufließt, beträgt die Höhe des Beitrages zur freiwilligen Krankenversicherung monatlich S 2.856. Die Einkommenssteuer für eine monatliche Rente von S 24.500 unter Berücksichtigung des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrages von monatlich S 2.856 beträgt monatlich S 11.849,59.

Diese Feststellungen gründete das Erstgericht auf die Gutachten eines medizinischen und berufskundlichen Gutachtens. Daß der Kläger trotz diesbezüglicher Bemühungen eine Arbeitstelle nicht finden konnte, ergebe sich aus seiner unbedenklichen Aussage und entspreche auch seiner sich aus dem berufskundlichen Gutachten ergebenden Situation auf dem Arbeitsmarkt. Daß gesundheitliche Probleme Ursache für die Auflösung des Dienstverhältnisses als Zweiradmechaniker waren, ergebe sich aus der Aussage des Klägers. Der ohne die Unfallsfolgen mögliche Verdienst sei vom berufskundlichen Sachverständigen in dessen Gutachten dargelegt worden. Hinsichtlich der sich für den Kläger ergebenden Einkommenssteuerbelastung verwies das Erstgericht auf das Gutachten eines Buchsachverständigen. Im übrigen stützten sich die Feststellungen auf vorgelegte Urkunden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die beklagten Parteien hätten nicht bewiesen, daß der Kläger eine konkrete zumutbare Erwerbsmöglichkeit grundlos ausgeschlagen habe. Sie hätten ihm daher den durch den Unfall verursachten Verdienstentgang zu ersetzen. Bei der Berechnung des Verdienstentganges sei von jenem Einkommen auszugehen, das der Kläger aus seiner Tätigkeit als Alleinkoch erzielen hätte können.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, die Feststellungen des Erstgerichtes seien nicht hinreichend begründet und die in der Berufung der beklagten Parteien hervorgehobenen Beweisergebnisse, vor allem aber die Ergebnisse der Vorprozesse, mit Stillschweigen übergangen worden. Das Erstgericht habe das medizinische und berufskundliche Gutachten sowie die Aussage des Klägers als Partei den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegt, ohne diese Beweise kritisch zu würdigen und andere Beweise zu berücksichtigen. Der medizinische Sachverständige habe in seinem Privatgutachten vom 18.11.1985 dargelegt, daß verläßliche Aussagen über das Ausmaß des Knorpelschadens nur im Zusammenhang mit einer neuerlichen Athroskopie getroffen werden könnten, von welcher jedoch abzuraten sei. In seinem nunmehrigen Gutachten habe er weiterhin einen Knorpelschaden angenommen, obwohl nunmehr in Form der Kernspintomographie eine nicht invasive schmerzlose Untersuchungsmethode zur Verfügung stehe. Der Sachverständige habe auch zum Gutachten Dris.S***** im Verfahren 12 Cg 123/91 des Landesgerichtes S***** nicht Stellung genommen. Es lasse sich somit derzeit noch nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt sei, oder ob er, sei es auch teilweise, erwerbsunfähig sei.

Das Erstgericht habe auch verschiedene andere Beweisergebnisse unberücksichtigt gelassen; wenn es im Rahmen der Beweiswürdigung ausführe, die Aussage des Klägers sei "unbedenklich", so sei dies eine bloße Scheinbegründung.

Das Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen, der dem erkennenden Senat schon einmal als ungewöhnlich lebensfremd und praxisferne aufgefallen sei, sei als Grundlage für die Feststellung, der Kläger hätte ohne den Unfall nach Schließung des Betriebes seiner Mutter als Alleinkoch gearbeitet und er sei wegen des Unfalles nicht mehr vermittelbar, unzureichend. Auch dieser Sachverständige habe sich mit den Ergebnissen der Vorprozesse nicht befaßt. Die Aussage dieses Sachverständigen, ein Zweiradmechaniker müsse ständig im Stehen und Gehen arbeiten, widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens. Jeder, der einmal das Innere einer Fahrradwerkstätte aufgesucht habe, wisse, daß gerade bei der Reparatur und Wartung von Rennrädern Montage-Säulen verwendet werden, die es erlauben, das Fahrrad in jeder gewünschten Höhe und Stellung zu fixieren, und mit deren Hilfe es möglich sein müßte, zumindest einen Teil der Arbeit im Sitzen zu verrichten. Ob dies zutreffe und ob der Kläger dennoch in seinem früher ausgeübten Beruf als Zweiradmechaniker durch den Unfall arbeitsunfähig sei, bedürfe ebenfalls noch der Erörterung.

Die aufgezeigten Verfahrens- und Begründungsmängel erforderten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, doch sei die Sache auch aus rechtlichen Erwägungen noch nicht spruchreif. Sollte der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt sein, dann werde er zu behaupten und zu beweisen haben, daß er trotz Bemühens ohne sein Verschulden seit Schließung des Betriebes seiner Mutter keine Arbeitsstelle mehr erhalten habe. Sollte seine Erwerbsfähigkeit durch den Unfall hingegen beeinträchtigt sein, treffe die Beweislast für die behauptete Verletzung der Schadensminderungspflicht die beklagten Parteien.

Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Umschulung genüge es, wenn diese voraussichtlich zu einer Erwerbsmöglichkeit geführt hätte. Für den Nachweis, daß der Kläger eine konkrete Erwerbsmöglichkeit ausgeschlagen habe, müsse der Beweis genügen, daß eine in ihrer Art konkretisierte zumutbare Beschäftigung am Markt ohne weiteres zu erhalten wäre. Der von der Rechtsprechung stereotyp geforderte Nachweis, der Geschädigte müsse eine konkrete Erwerbsgelegenheit grundlos ausgeschlagen haben, mache dem Schädiger den Beweis der Verletzung der Schadensminderungspflicht praktisch unmöglich. Selbst wenn er sich nämlich als Arbeitsvermittler betätige und dem Geschädigten konkrete Arbeitsstellen anböte, könnte dieser durch entsprechendes, beweismäßig schwer faßbares Verhalten bei der Vorstellung eine Anstellung verhindern und den vom Schädiger zu führenden Beweis unterlaufen. Es sei daher nicht unbillig, dem Geschädigten den leicht möglichen Beweis dafür aufzubürden, daß er trotz vorhandener offener Arbeitsstellen keine Beschäftigung finden könne.

Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten sei die Sache bisher noch nicht erörtert worden, weshalb das angefochtene Urteil aufzuheben sei.

Im zweiten Urteil werde durch Gutachtensergänzung, das genaue Ausmaß der unfallskausalen Dauerschäden des Klägers festzustellen und danach neuerlich zu beurteilen sein, ob der Kläger durch den Unfall in seinem Erwerb beeinträchtigt ist. Dabei sei zu berücksichtigen, daß es dem Kläger möglich war durch 5 Jahre hindurch nach dem Unfall seinem Beruf als Koch nachzugehen. Sollte die Erwerbsfähigkeit des Klägers wieder hergestellt sein, werde es seine Sache sein, konkret zu behaupten und zu beweisen, daß es ihm trotz ernstlicher Bemühungen ohne sein Verschulden nicht gelungen ist, einen gleichwertigen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden. Der Nachweis, alle vom Arbeitsamt vermittelten Arbeitsstellen aufgesucht zu haben, werde dazu nicht genügen, weil von ihm erwartet werden könne, daß er eigene Bemühungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes unternehme. Beim Scheitern dieses Beweises wäre die Klage abzuweisen. Sollte sich bestätigen, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch den Unfall beeinträchtigt ist, werde auch zu prüfen sein, ob eine Umschulung des Klägers auf einen sitzenden Beruf voraussichtlich seine Erwerbsfähigkeit ganz oder teilweise wiederhergestellt hätte. Sollte dies der Fall sein, werde es wieder Sache des Klägers sein, zu beweisen, daß ihm eine solche Umschulung nicht möglich gewesen wäre. Auch hier genüge es nicht, daß der Kläger auf Angebote des Arbeitsamtes gewartet habe. Wäre eine Umschulung des Klägers im Jahre 1988 nicht zielführend gewesen, dann hätten die beklagten Parteien zu beweisen, daß seit 1988 für den Kläger geeignete Arbeitsplätze auf dem Markt zu erlangen gewesen wären, der Kläger hingegen, daß er keinen dieser Arbeitsplätze trotz ernsthafter und eigener Bemühungen erlangt hätte. Sollte der Kläger eine Umschulung oder die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit ohne zureichenden Grund versäumt haben, wäre sein Verdienstentgang um das in einem Umschulungsberuf oder durch eine sonstige Erwerbstätigkeit erzielbare Einkommen zu mindern.

Zur Vermeidung des Anscheins, die Sachverständigen würden auf den Gutachten beharren, scheine es zweckmäßig, andere, außerhalb Salzburgs ansässige Sachverständige beizuziehen. Ferner sei zu überlegen, ob die vom medizinischen Sachverständigen zu begutachtenden Fragen nicht eher in den Aufgabenbereich eines Facharztes für Orthopädie oder orthopädische Chirurgie als eines Unfallchirurgen fallen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt weil das Berufungsgericht hinsichtlich der Beweislastverteilung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abwich.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil zu bestätigen; hilfsweise wird beantragt, den Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die beklagten Parteien haben Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Grund zulässig, er ist im Sinne seines Eventualantrages auch berechtigt.

Der Kläger erblickt eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darin, daß das Berufungsgericht durch seinen Aufhebungsbeschluß den beklagten Parteien die Möglichkeit geben wolle, das Vorbringen, daß er eine ihm angebotene konkrete Erwerbsmöglichkeit grundlos ausgeschlagen habe, nachzuholen. Das erstinstanzlichen Verfahren sei aber antragsgemäß durchgeführt und seien die erforderlichen Beweise aufgenommen worden. Die Begründungsmängel sehe das Berufungsgericht in der angeblich unterlassenen Auseinandersetzung des Erstgerichtes mit Beweisergebnissen aus den Vorakten, was aber unrichtig sei. Es stimme auch nicht, daß der medizinische Sachverständige einen Knorpelschaden angenommen, dessen Ausmaß aber nicht näher untersucht habe. Nicht mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang zu bringen sei die Ansicht des Berufungsgerichtes betreffend das Anforderungsprofil eines Zweiradmechanikers. Auch der Klagevertreter habe als Masseverwalter Einsicht in die Tätigkeit eines Zweiradmechanikers gewonnen und habe dabei festgestellt, daß an den zur Reparatur und Wartung von Fahrrädern verwendeten Montage-Säulen nur im Stehen gearbeitet werden könne. Daß der Kläger nach seinem Unfall durch 5 Jahre hindurch als Koch arbeiten konnte sei allein darauf zurückzuführen, daß er im Betrieb seiner Mutter arbeitete, welche auf ihn Rücksicht nahm. Ein fremder Arbeitgeber hätte dem Kläger jene Arbeitspausen, Erleichterungen und Unterstützungen nicht gewährt, wie dies seine Mutter tat.

Es stimme daher nicht, daß das erstinstanzliche Verfahren die vom Berufungsgericht aufgezeigten Verfahrens- und Begründungsmängel aufweise. Vielmehr hinterlasse die Begründung des Berufungsgerichtes den Eindruck, daß dieses versuche, ein ihm unbillig erscheinende Entscheidung aufzuheben um den Beklagten die Möglichkeit zu geben, weiteres Vorbringen zu erstatten.

Weiters wird dem Berufungsgericht eine Aktenwidrigkeit vorgeworfen; dieser Rekursgrund wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§§ 528 a, 510 Abs 3 ZPO).

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt der Kläger in der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über die Beweislastverteilung. Aufgrund seiner Minderung der Erwerbsfähigkeit sei eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nur dann anzunehmen, wenn der Schädiger den ihm obliegenden Beweis erbracht habe, daß der Geschädigte eine konkrete Erwerbsmöglichkeit grundlos ausgeschlagen habe; der Nachweis der bloß abstrakten Möglichkeit, durch eine andere Beschäftigung den Ausfall zu verringern oder auszugleichen, reiche nicht hin. Der Verletzte komme seiner Schadensminderungspflicht dann nach, wenn er sich beim Arbeitsamt melde und dessen Ratschlägen nicht zuwiderhandle, dessen Entscheidungen abwarte und dann einen Posten annehme, der diesen Ratschlägen entspreche. Es gehe nicht zu seinen Lasten, wenn ihn das Arbeitsamt nicht auf weitere Möglichkeiten einer Tätigkeit aufmerksam mache. Daß der Kläger eine ihm von den beklagten Parteien vorgeschlagene konkrete Erwerbsmöglichkeit grundlos ausgeschlagen habe, sei von den beklagten Parteien aber nicht behauptet worden. Die Beklagten hätten auch nicht dargetan, daß eine Umschulung voraussichtlich zu einer dem Kläger zumutbaren Erwerbsmöglichkeit geführt hätte. Das Erstgericht habe sohin im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ausgeführt, daß der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht nicht verstoßen habe.

Aus der grundsätzlichen Verpflichtung des Schädigers zur Schadensgutmachung sei zu fordern, daß er dem Geschädigten, dessen Erwerbsfähigkeit durch sein Verschulden gemindert sei, dabei zu unterstützen habe, einen Arbeitsplatz zu finden. Es sei deshalb allein billig, dem Schädiger die Beweispflicht dafür aufzulasten, daß er dem Geschädigten eine konkrete Erwerbsmöglichkeit nachweise. Der vom Berufungsgericht aufgezeigten Mißbrauchsmöglichkeit werde dadurch begegnet, daß vom Geschädigten verlangt werde, daß er eine zumutbare Erwerbstätigkeit annimmt, wobei sich die Zumutbarkeit nach den Interessen beider Teile und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs bestimme.

Diese Ausführungen sind weitgehend zutreffend:

Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht ist die Entscheidung des Erstgerichtes nicht mit einem Begründungsmangel behaftet. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß bei der Entscheidung von Beweiswürdigungsfragen nach freier Überzeugung keine Mangelhaftigkeit vorliegt, wenn bei der Begründung dieser Entscheidung Umstände nicht erwähnt wurden, die noch hätten erwähnt werden können oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die noch hätte angestellt werden können (8 Ob 53/85); das Erstgericht ist nicht verpflichtet, sich mit allen Einzelheiten des Verfahrens und allen nur denkbaren Erwägungen auseinanderzusetzen. Wesentlich ist, daß erkennbar ist, aus welchen Erwägungen es zum Ergebnis kam, die vorgenommenen Feststellungen treffen zu können oder solche Feststellungen nicht treffen zu können (4 Ob 9/75). Das ergibt sich aber aus der Begründung des Ersturteiles zuverlässig, weil das Erstgericht dargelegt hat, auf welche Beweisergebnisse sich seine Feststellungen gründen.

Hat aber, wie im vorliegenden Fall, das Berufungsgericht aufgrund der in der Berufung vorgetragenen Beweisrüge Zweifel an den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, hat es selbst im Rahmen einer Beweiswiederholung und/oder Beweisergänzung die Sachgrundlagen der Entscheidung zu schaffen (Fasching IV, 225; EvBl 1970/65; EvBl 1960/119 ua). Es geht aber nicht an, daß das Berufungsgericht die Entscheidung des in seiner richterlichen Beweiswürdigung freien Gerichtes erster Instanz aufhebt, weil es Bedenken gegen dessen Feststellungen hat und das Erstgericht an seine Richtlinien zur Beweiswürdigung zu binden sucht (5 Ob 791/80; ÖBl 1990, 228 ua). Es ist dem Berufungsgericht auch verwehrt, das Urteil aufzuheben, um den Parteien die Nachholung versäumten Vorbringens oder das Angebot neuer Beweise zu ermöglichen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 496 mwN). Auch ergänzende Feststellungen hat das Berufungsgericht seit der ZVN 1983 grundsätzlich selbst zu treffen; im allgemeinen ist die Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht zwingend (SZ 58/59). Was die Frage der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers betrifft, wird daher das Berufungsgericht aufgrund seiner Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach Beweiswiederholung und/oder Beweisergänzung die Sachgrundlagen seiner Entscheidung zu schaffen haben. Insbesonders sind die Ausführungen über die mangelnde Eignung des berufskundlichen Sachverständigen ein Eingriff in die Beweiswürdigung des Erstgerichtes (vgl SZ 57/103).

Was die Frage betrifft, es müsse erörtert werden, ob der Kläger in seinem früher ausgeübten Beruf als Zweiradmechaniker durch den Unfall noch arbeitsunfähig ist, ist darauf hinzuweisen, daß nach den Feststellungen des Erstgerichtes es sich dabei um eine Tätigkeit handelt, die ausschließlich stehende und gehende Arbeitshaltungen bedingt. Das Berufungsgericht hat demgegenüber (offenbar auf Allgemeinkundigkeit gestützt) ausgeführt, es müsse möglich sein, zumindest einen Teil derartiger Arbeiten im Sitzen zu verrichten. Wenngleich dem erkennenden Senat, nicht bekannt ist, daß Zweiradmechaniker zumindest einen Teil der Arbeit im Sitzen verrichten, kommt es auf diese Frage gar nicht an, sondern darauf, ob der Kläger seine Erwerbsfähigkeit im vollen früheren Ausmaß wieder erlangt hat (2 Ob 55/94), was aber nach den Feststellungen des Erstgerichtes jedenfalls zu verneinen ist. Was die Frage der Beweislastverteilung in Ansehung einer gleichwertigen zumubaren Beschäftigung anlangt, entspricht es ständiger Rechtsprechung zu unterscheiden, ob der Verletzte seine frühere Erwerbsfähigkeit bloß teilweise oder im vollen Ausmaß wieder erlangt hat. Hat der Verletzte seine frühere Erwerbsfähigkeit nicht gänzlich wiedererlangt, dann obliegt dem Schädiger der Beweis, daß der Geschädigte eine ihm nachgewiesene konkrete Erwerbsmöglichkeit oder eine zu einer solchen voraussichtlich führende Umschulung ausgeschlagen hat. Lediglich dann, wenn der Verletzte seine Erwerbsfähigkeit im vollen früheren Ausmaß wiedererlangt hat, muß er beweisen, daß er trotzdem eine gleichwertige zumutbare Beschäftigung nicht finden konnte (SZ 51/91; ZVR 1980/154; ZVR 1993/63; 2 Ob 66/93; zuletzt 2 Ob 55/94; Apathy, KommzEKHG, Rz 22 zu § 13). Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlaß. Die vom Berufungsgericht aufgezeigte Gefahr, der Geschädigte könne durch ein entsprechendes Verhalten beim Einstellungsgespräch den vom Schädiger zu führenden Beweis, er habe grundlos eine ihm konkret vorgeschlagene zumutbare Erwerbstätigkeit ausgeschlagen, unterlaufen, besteht nicht. Vielmehr kann durch Einvernahme des Gesprächspartners des Geschädigten beim Einstellungsgespräch wohl festgestellt werden, weshalb der Geschädigte eine ihm konkret vorgeschlagene Erwerbsmöglichkeit ausgeschlagen hat. Im übrigen ist aber darauf hinzuweisen, daß die beklagten Parteien auch gar nicht behauptet haben, der Kläger hätte eine in ihrer Art konkretisierte zumutbare Beschäftigung am Markt ohne weiteres erhalten können. Die Beklagten haben auch nicht behauptet, daß eine Umschulung des Klägers seine Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt hätte.

Letztlich sind auch die Ausführungen des Berufungsgerichtes betreffend die Vermittlungtätigkeit des Arbeitsamtes unzutreffend. Vielmehr kommt der Verletzte seiner Schadensminderungspflicht dann nach, wenn er sich beim Arbeitsamt meldet, dessen Ratschlägen nicht zuwiderhandelt, dessen Entscheidungen abwartet und einen Posten annimmt, der diesen Ratschlägen (Vermittlungsvorschlägen) entspricht; es geht nicht zu seinen Lasten, wenn ihn das Arbeitsamt nicht auf weitere Möglichkeiten der Tätigkeit aufmerksam macht (ZVR 1980/152 wmN).

Zusammenfassend folgt daraus, daß das Berufungsgericht selbst die dem Erstgericht aufgetragene Beweiswiederholung und/oder -ergänzung durchzuführen hat, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 ZPO.

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