OGH 5Ob131/95

OGH5Ob131/9524.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Graf, Dr.Floßmann und Dr.Baumann als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Frieda A*****, vertreten durch Dr.Hannes K.Müller, Rechtsanwalt in Graz, wider die Antragsgegnerin Beatrix B*****, vertreten durch Dr.Gerald Kleinschuster und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 24.Mai 1995, GZ 3 R 50/95-10, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 22.November 1994, GZ 42 Msch 61/94a-5, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft mit dem Haus *****. Das im Erdgeschoß dieses Hauses gelegene Bestandobjekt, welches eine Nutzfläche von 74,6 m2 aufweist, wurde von 1962 bis 1975 von der Antragstellerin als Friseurgeschäft und Wohnung verwendet. Bereits im Jahre 1938, als die Antragstellerin ihre Tätigkeit als Friseuse aufnahm, wurde der Frisiersalon in einem innerhalb des Bestandobjektes gelegenen Raum mit einer Nutzfläche von rund 25 m2 betrieben; die übrigen Räumlichkeiten (WC, Küche und zwei Zimmer) wurden als Wohnung genutzt. Mit Übergabsvertrag vom 16.8.1976 übergab die Antragstellerin ihr gewerbliches Unternehmen an Gertrude L*****. Nach wie vor benützt die Antragstellerin das Bestandobjekt mit Ausnahme des Geschäftsraumes zu Wohnzwecken. Der zuletzt am 31.3.1994 der Antragstellerin vorgeschriebene Nettohauptmietzins betrug monatlich S 187,80. Mit Schreiben vom 30.5.1994 "anerkannte" die Antragsgegnerin unter Berufung auf § 46 a Abs 5 MRG nF die Erwerberin des Unternehmens, Gertrude L*****, als Hauptmieterin des Bestandgegenstandes und sprach aus, daß die Antragstellerin aus dem Hauptmietverhältnis ausscheide. Gleichzeitig forderte die Antragsgegnerin von Gertrude L***** die schrittweise Anhebung des Hauptmietzinses auf den angemessenen Betrag von S 17.904.

Die Antragstellerin begehrte die Feststellung des von ihr zu bezahlenden Hauptmietzinses mit S 187,80 pro Monat im wesentlichen mit der Begründung, daß sie als Mieterin nur zur Bezahlung eines monatlichen Mietzinses in dieser Höhe zuzüglich eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages verpflichtet sei. Die Antragsgegnerin fordere jedoch nunmehr eine "Kaltmiete" in Höhe von monatlich S 1.194 und habe diese Aufforderung damit begründet, daß das Objekt überwiegend geschäftlich genutzt werde. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin überwiege jedoch der Wohnzweck bei weitem, weshalb § 46 a Abs 5 MRG nicht anwendbar sei.

Die Antragsgegnerin wendete ein, daß Gertrude L***** nunmehr Hauptmieterin des Bestandobjektes sei, weil sie das von der Antragstellerin betriebene Unternehmen erworben habe und von der Antragsgegnerin gemäß § 46 a Abs 5 MRG als Hauptmieterin anerkannt worden sei. Der Antragstellerin fehle infolge dieses Überganges der Hauptmietrechte die Antragslegitimation. Die Antragsgegnerin sei berechtigt, den bisherigen Hauptmietzins auf den angemessenen Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG schrittweise innerhalb von 15 Jahren ab 1.1.1995 anzuheben.

Das gemäß § 40 Abs 1 MRG angerufene Erstgericht stellte den zulässigen Nettohauptmietzins für die Überlassung des im Parterre des Hauses *****, gelegenen Bestandobjektes an die Antragstellerin mit S 187,80 fest. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß das Bestandobjekt nicht überwiegend zu Geschäftszwecken verwendet werde, weshalb das Tatbestandsmerkmal der "gemieteten Geschäftsräumlichkeit" im Sinne des § 46 a Abs 5 MRG nicht als verwirklicht angesehen werden könne. Der "Anerkennung" der Gertrude L***** als Hauptmieterin durch die Antragsgegnerin komme vor diesem Hintergrund keine Bedeutung zu; die Antragsgegnerin stehe nach wie vor hinsichtlich des im Bestandobjekt betriebenen Friseurunternehmens ausschließlich zur Antragstellerin in einer (unmittelbaren) Rechtsbeziehung.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte folgendes aus:

Der Rekurswerberin sei wohl zuzugestehen, daß der Gesetzgeber mit dem

3. WÄG dem Vermieter die Möglichkeit gegeben habe, in bestehende Mietverhältnisse über Geschäftsräumlichkeiten mietzinserhöhend einzugreifen. Diese Möglichkeit bestehe allerdings nur insoweit, als § 12 Abs 3 MRG aF dem Vermieter Gelegenheit gegeben habe, bei Veräußerung eines in einer Geschäftsräumlichkeit betriebenen Unternehmens den Mietzins auf das angemessene Ausmaß anzuheben. Als "Geschäftsräumlichkeit" müsse der Mietgegenstand zumindest auch zu geschäftlichen Zwecken gemietet worden sein. Bei gemischten Objekten, die teils als Wohn- und teils als Geschäftsräume vermietet worden seien, ergebe sich die Notwendigkeit, auf die in § 16 Abs 1 Z 1 MRG normierte Bewertung gemischter Objekte zurückzugreifen. Nur weit überwiegend geschäftlich genutzte Objekte könnten als Geschäftsräume angesehen werden, für sie könne daher ohne Einschränkung auf den angemessenen Mietzins angehoben werden (vgl Würth/Zingher19 § 12 MRG Rz 21 mwN). Das gegenständliche Bestandobjekt weise nun eine Nutzfläche von rund 75 m2 auf; von dem darin betriebenen Friseurunternehmen werde lediglich ein Raum mit einer Nutzfläche von rund 25 m2 in Anspruch genommen. Schon unter Berücksichtigung dieser Nutzflächenrelation könne von einem bedeutenden Überwiegen der Geschäftszwecke nicht gesprochen werden, weshalb schon aus diesem Grund eine Anerkennung der Unternehmenserwerberin als Hauptmieterin und eine damit einhergehende Anhebung auf den angemessenen Hauptmietzins im Sinne des § 46 a Abs 5 MRG nicht eintreten könne.

Auch wenn man von jenen Entscheidungen ausginge, die eine analoge Anwendung der Zinsbildungsvorschriften als Beurteilungskriterium für andere Fragen als die Zinsbildung ablehnten, käme man zu keinem anderen Ergebnis: Danach hänge die Beurteilung davon ab, ob der Bestandgegenstand nach der - vielfach auch in der Verkehrsauffassung zum Ausdruck kommenden - Parteiabsicht (bloß) überwiegend (nicht bedeutend überwiegend) zu Wohn- oder Geschäftszwecken verwendet werde (vgl MietSlg 19.341; SZ 47/4; MietSlg 30.404, 41.341); der Geschäftszweck sei allerdings auch maßgebend, wenn Wohn- und Geschäftszwecke einander die Waage hielten (vgl SZ 8/264; MietSlg 8.227, 41.341). Bei einer - offensichtlich mit Wissen des Bestandgebers - erfolgten Verwendung des Bestandobjektes zu zwei Drittel (bezogen auf die Nutzfläche) zu Wohn- und zu einem Drittel zu Geschäftszwecken überwiege jedoch jedenfalls der Wohnzweck, was auch der herrschenden Verkehrsauffassung in jenen Fällen entspreche, in welchen ein Kleingewerbe oder eine freiberufliche Tätigkeit innerhalb einer auch tatsächlich zu Wohnzwecken verwendeten Wohnung ausgeübt werde (vgl MietSlg 30.404; 5 Ob 513, 514/94).

Da im vorliegenden Fall der Wohnzweck sowohl nach der tatsächlichen Verwendung als auch nach der in der Verkehrsauffassung zum Ausdruck kommenden Parteienabsicht den Geschäftszweck überwiege, bleibe für eine Anwendung des § 46 a Abs 5 MRG kein Raum. Aus diesen Gründen sei auch die Antragstellerin als Hauptmieterin des Bestandobjektes antragslegitimiert. Unter einem anderen Gesichtspunkt als jenem des § 46 a Abs 5 MRG werde der vom Erstgericht als zulässig festgestellte Hauptmietzins von der Rekurswerberin nicht bekämpft.

Da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Anhebung des Hauptmietzinses nach § 46 a Abs 5 MRG (bei gemischt benützten Bestandobjekten) noch fehle, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen gewesen.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Sachbeschluß dahin abzuändern, daß der Sachantrag der Antragstellerin abgewiesen und der angemessene Hauptmietzins für das gegenständliche Mietobjekt mit S

17.904 sowie Gertrude L***** (und nicht mehr die Antragstellerin) als Hauptmieterin festgestellt werde.

Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin ist der Ansicht, daß sowohl die teleologische, als auch die wörtliche Auslegung des § 46 a Abs 5 MRG zum Ergebnis führe, sie könne eine 15tel-Anhebung vornehmen, zumal § 46 a Abs 5 MRG nicht auf die Einschränkung des § 16 Abs 1 Z 1 MRG für gemischte Objekte verweise.

Dem ist nicht zuzustimmen.

Das Rekursgericht hat die Rechtsfrage richtig gelöst; auf seine zutreffenden Ausführungen wird hingewiesen (§ 37 Abs 3 Z 16, § 510 Abs 3, § 528 a ZPO). Hinzuzufügen ist kurz noch folgendes:

Rechtliche Beurteilung

Der durch das 3. WÄG neu eingefügte § 46 a MRG ist im Zusammenhang mit dem gleichfalls neuen § 12 a MRG und dessen Vorgängerbestimmung § 12 Abs 3 MRG (idF vor dem 3. WÄG) zu sehen. Zu dieser Bestimmung hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß es bei der Beurteilung gemischt genutzter Objekte als "Geschäftsräumlichkeiten" - auch im Sinne des § 12 Abs 3 MRG - nach der Regel des § 16 Abs 1 Z 1 MRG darauf ankommt, ob die Verwendung (vertragliche Widmung) zu Geschäftszwecken die Verwendung (vertragliche Widmung) zu Wohnzwecken bedeutend überwiegt (MietSlg 38.323/7 = JBl 1986, 315; MietSlg 39.286/56; vgl MietSlg 42.227 = WoBl 1992/21; Würth in Rummel2 § 12 MRG Rz 7 c).

Es gibt keinen Grund, den Begriff "Geschäftsräumlichkeit" in § 46 a Abs 5 MRG anders auszulegen. Soweit die Rechtsmittelwerberin ins Treffen führt, die Verwendung zu Geschäftszwecken als Existenzgrundlage sei im Vordergrund gestanden, ist ihr die existentielle Bedeutung des Mietgegenstandes für die Wohnversorgung der Antragstellerin entgegenzuhalten (vgl Würth in Rummel2 § 16 MRG Rz 9 mwN). Insgesamt kann nach den getroffenen Feststellungen keine Rede davon sein, daß die Geschäftsverwendung bedeutend überwiegen würde.

Was die vom Rekursgericht zitierte Judikaturlinie anlangt, die eine analoge Anwendung der Zinsbildungsvorschrift des § 16 Abs 1 Z 1 MRG als Beurteilungskriterium für andere Fragen als die Zinsbildung (zB Kündigungstatbestände) ablehnt, so ist zu bemerken, daß § 46 a Abs 5 MRG - ungeachtet des Anliegens, gespaltene Mietverhältnisse zu bereinigen - ohnehin einen zinsrechtlichen Inhalt hat und selbst auf den Hauptmietzins gemäß § 16 Abs 1 MRG Bezug nimmt, sodaß für die Auslegung des Begriffs "Geschäftsräumlichkeit" eine Anknüpfung an § 16 Abs 1 Z 1 MRG naheliegt. Im übrigen hat schon das Rekursgericht richtig erkannt, daß selbst die Heranziehung der eben erwähnten Judikaturlinie (vgl hiezu zuletzt 5 Ob 513, 514/94 mwN) im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen würde.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

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