OGH 4Ob1084/95

OGH4Ob1084/9524.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter B*****, vertreten durch Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 500.000; Revisionsinteresse S 192.000) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30.August 1995, GZ 4 R 144/95‑33, den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0040OB01084.950.1024.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

 

Begründung:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat schon im Provisorialverfahren zum Verhältnis zwischen § 78 UrhG und § 7a MedG - soweit hier von Bedeutung - Stellung genommen (4 Ob 1135/94); hierauf wird verwiesen. In MR 1994, 237 ‑ Lästige Witwe II wurde schon ausgeführt, daß die Voraussetzungen des § 7a MedG bei der Prüfung der Verletzung berechtigter Interessen durch eine Bildnisveröffentlichung iS des § 78 UrhG nicht maßgebend sind. Daß gegebenenfalls einem Medienunternehmer verboten werden kann, ein Bild zu veröffentlichen, beim gleichen Sachverhalt aber ein Entschädigungsanspruch nach § 7a MedG zu verneinen ist, steht nicht in logischem Widerspruch. Foregger‑Litzka (MedienG3) vertreten die Meinung, daß § 7a MedG weitergehende Ansprüche (ua) nach § 78 UrhG unberührt läßt (Anm V zu § 7a).

Das Recht der Beklagten auf Information der Öffentlichkeit über die gegen den Kläger vorgebrachten Verdachtsgründe steht außer Zweifel; davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob ihr Interesse an der Bildnisveröffentlichung das Interesse des Klägers an der Verhinderung dieser Veröffentlichung übersteigt. Daß ein berechtigtes Interesse des Zeitungsunternehmens an einer Bildveröffentlichung im Zusammenhang mit einer wahrheitsgemäßen Prozeßberichterstattung immer zu bejahen wäre, entspricht nicht der Rsp des Obersten Gerichtshofes. Soweit der Entscheidung MR 1994, 237 ‑ Lästige Witwe II eine gegenteilige Auffassung entnommen werden kann, beruht dies nur auf einer mißverständlichen Formulierung. Wie die dort gebrauchte Zitierung der Entscheidung ÖBl 1993, 36 - Ronald Leitgeb zeigt, sollte nur - im Sinne dieser Entscheidung - zum Ausdruck gebracht werden, daß das Interese an einer - wahrheitsgemäßen ‑ Berichterstattung zu bejahen ist, nicht aber auch an der Bildveröffentlichung. Die scheinbar gegenteilige Rechtsansicht in MR 1994, 237 ‑ Lästige Witwe II war im übrigen nicht entscheidungswesentlich, wurde doch dort die Bildveröffentlichung ohnehin wegen des ehrenrührigen Charakters der mit ihr verbundenen Berichterstattung untersagt.

Auch eine mit dem veröffentlichten Bild gebrachte wahre Tatsachenmitteilung, die weder gegen § 7a noch gegen § 7b MedG verstößt, kann berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzen (MR 1995, 143 - Haider‑Fan ua).

Da der Beklagten eine Berichterstattung über den Kläger nicht verboten wurde, es vielmehr nur um die Frage geht, ob sie dazu auch dessen Bild veröffentlichen darf, ist ein Verstoß gegen Art 10 MRK nicht zu sehen.

Ob der Kläger heute, nachdem seit Wochen fast täglich über die (ua) gegen ihn geführte Hauptverhandlung berichtet wird, eine "relative" oder "absolute Person der Zeitgeschichte" ist, kann offen bleiben. Zu dem - gemäß § 406 ZPO maßgeblichen - Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (8.3.1995) war der Kläger zweifellos nicht so allgemein bekannt, daß eine Veröffentlichung seines Bildes nicht mehr zu seiner Identifikation in der Öffentlichkeit hätte beitragen können(vgl MR 1995, 143 ‑ Haider‑Fan mwN).

 

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