Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern des nunmehr 15 Jahre alten Minderjährigen wurde am 18.5.1983 geschieden. Mit Beschluß vom 12.9.1983 wurde der von den Eltern geschlossene Vergleich, wonach der Minderjährige in der Obsorge der Mutter bleibt, welche auch die alleinige Vertretung nach § 144 ABGB erhält, pflegschaftsbehördlich genehmigt.
Der Minderjährige ist aufgrund des Schenkungs- und Übergabsvertrags vom 7.4.1983 Alleineigentümer ua der EZ 2015 GB Bockfließ, zu der neben mehreren Weingärten auch das Grundstück Nr 616 im Gesamtausmaß von 3.224 m2 mit den Grundstücksteilen Baufläche (177 m2), Garten (615 m2) und Weingarten (2.232 m2) gehört.
Am 13.4.1995 beantragte der Minderjährige, den mit Hilmo S***** abgeschlossenen Kaufvertrag über einen 1.000 m2 großen Teil des Grundstücks Nr 616 pflegschaftsbehördlich zu genehmigen. Der mit S 1 Mio vereinbarte Kaufpreis liege beträchtlich über dem Verkehrswert des Grundstücksteils von S 810.000,--.
Das Erstgericht wies den Antrag des Minderjährigen ab. Das Gesetz betrachte unbewegliche Sachen als dauerhafteste und sicherste Vermögensanlage. Liegenschaftseigentum solle einem Minderjährigen daher grundsätzlich erhalten bleiben. Der Minderjährige sei nicht genötigt, den Liegenschaftsteil zu veräußern. In einem den Verkehrswert um 23 % übersteigenden Kaufpreis sei auch kein offenbarer Vorteil für den Minderjährigen zu erkennen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ob der Verkauf einer Liegenschaft eines Minderjährigen zu dessen offenbaren Vorteil sei, müsse nach einem strengen Maßstab beurteilt werden. Trotz der unter Umständen höheren Verzinsung des als Kapital angelegten Verkaufserlöses gegenüber der Steigerung des Verkehrswertes der Liegenschaft dürfe nicht außer Acht gelassen werden, daß unbewegliche Sachen die dauerhaftesten und sichersten Vermögensanlagen seien. Dem strengen Maßstab der Offenkundigkeit des Vermögensvorteils entspreche ein den Verkehrswert um 23 % übersteigender Kaufpreis nicht. Von einem Liebhaberpreis könne noch nicht gesprochen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Minderjährigen erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehlt, wann der Verkauf unbeweglichen Mündelvermögens über dem Schätzwert zum offenbaren Vorteil des Minderjährigen gereicht; er ist jedoch nicht berechtigt.
Die Veräußerung oder Belastung von Liegenschaften durch ein minderjähriges Kind bedürfen - neben der Zustimmung beider Elternteile - auch der Genehmigung des Gerichts (§ 154 Abs 3 ABGB). Hat ein Elternteil - wie hier - aufgrund einer pflegschaftsbehördlich genehmigten Vereinbarung im Sinne des § 177 ABGB allein die Rechte des § 144 ABGB, dann steht ihm auch die alleinige gesetzliche Vertretung in den im § 154 Abs 3 genannten Angelegenheiten zu (die zu den Angelegenheiten des § 154 Abs 2 ABGB ergangene Entscheidung EFSlg
45.799 trifft auch auf die Angelegenheiten des § 154 Abs 3 ABGB zu).
Gemäß § 232 ABGB kann ein unbewegliches Gut nur im Notfall oder zum offenbaren Vorteil des Minderjährigen im Wege der öffentlichen Versteigerung veräußert werden; aus wichtigen Gründen kann auch eine Veräußerung aus freier Hand bewilligt werden. Wie das Rekursgericht zutreffend unter Verweisung auf Sabaditsch (Die Veräußerung unbeweglichen Mündelvermögens, ÖJZ 1949, 261 ff) ausgeführt hat, muß das Gericht die Frage, ob eine Veräußerung zum offenbaren Vorteil des Minderjährigen dient, nach seinem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände - auch der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse - beurteilen, wobei auch ideelle Vorteile für das Mündel berücksichtigt werden können; dem Willen des Gesetzgebers entsprechend, wird im allgemeinen ein äußerst strenger Maßstab angelegt werden müssen, um das unbewegliche Vermögen des Mündels seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung wegen zu erhalten. Die Veräußerung hat grundsätzlich durch öffentliche Versteigerung zu erfolgen, aus wichtigen Gründen, zB zur Erzielung eines Liebhaberpreises oder von erheblichen Nebenvorteilen, aber auch aus freier Hand (Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 232).
Der im Gesetz genannte Grund des Notfalls liegt nach der Aktenlage nicht vor. Den Vorinstanzen ist aber auch darin beizupflichten, daß hier die angestrebte Veräußerung unbeweglichen Mündelvermögens einen offenkundigen Vorteil nicht erkennen läßt. Der Umstand allein, daß ein den Verkehrswert um 23 % übersteigender Kaufpreis vereinbart wurde, bedeutet noch nicht, daß damit tatsächlich ein Liebhaberpreis vereinbart wurde. Es geht auch nicht an, das Ausmaß des durch die Veranlagung des Kaufpreises erzielbaren Vorteils unter Zugrundelegung eines Amortisationszeitraumes von 10 Jahren zu berechnen, erlangt doch der Minderjährige bereits in vier Jahren die freie Verfügung über sein Vermögen. Der bis dahin durch die Veranlagung des Kaufpreises erzielte Vorteil fällt aber gegenüber der allenfalls niedrigeren Steigerung des Verkehrswertes des Liegenschaftsteiles nicht mehr entscheidend ins Gewicht. Unter diesem Gesichtspunkt muß daher auch unbeachtlich bleiben, daß dem Minderjährigen im Fall des Verkaufs einer Teilfläche der Großteil seines Liegenschaftsbesitzes erhalten bleibt. Daß der Ertrag des Grundstücksteils durch Verpachtung als Weingarten weit hinter der mündelsicheren Anlage des Kaufpreises zurückbleibt, ist für sich allein nicht entscheidend, weil dieser Vorteil durch den Nachteil aufgehoben wird, daß das veräußerte Gut der Disposition des Minderjährigen dauernd entzogen wird und auch eine mündelsichere Kapitalanlage einer nicht unbeträchtlichen jährlichen Geldentwertung ausgesetzt ist. Es ist daher auch hier dem Grundsatz der Vorzug zu geben, daß ein Grundbesitz die sicherste Anlage ist, die deshalb dem Minderjährigen ungeschmälert verbleiben soll. Der durch die mündelsichere Veranlagung des Kaufpreises erzielte Ertrag (der noch dazu durch die Kapitalertragsteuer geschmälert wird) reicht daher zur Begründung eines offenbaren Vorteils im Sinne des § 232 ABGB nicht aus. Ein offenbarer Vorteil, der darin liegen würde, daß sich der Minderjährige durch die Veräußerung kostspielige Aufwendungen auf die Liegenschaft erspart (Pichler aaO), ist ihr hier ebenfalls nicht gegeben.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
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