OGH 7Ob599/95

OGH7Ob599/9518.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Herbert Gartner und Dr.Thomas Furherr, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Maria B*****, vertreten durch Dr.Georg Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 143.640,-- sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22.August 1995, GZ 11 R 141/95-16, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11.Mai 1995, GZ 20 Cg 77/94-11, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Gericht zweiter Instanz wird aufgetragen, über die Berufung der klagenden Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Gericht zweiter Instanz die Berufung der klagenden Partei, die das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes teilweise bekämpft, als verspätet zurück. Die Urteilsausfertigung sei der klagenden Partei am 2.6.1995 zugestellt worden, sie habe die Berufung jedoch erst am 3.7.1995 beim Erstgericht überreicht und damit die vierwöchige Berufungsfrist, die am 30.6.1995 geendet habe, nicht gewahrt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der gemäß § 519 Abs.1 Z 1 ZPO zulässige Rekurs der klagenden Partei, in dem sie behauptet, daß die Berufung am 30.6.1995 zur Post gegeben worden sei. Entgegen der Annahme des Gerichtes zweiter Instanz sei das Rechtsmittel nicht am 3.7.1995 beim Erstgericht überreicht worden. Es sei vielmehr an diesem Tag von der Post an das Erstgericht zugestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Aus den dem Rekurs angeschlossenen Kopien eines Auszuges des Postaufgabebuches des Vertreters der klagenden Partei ergibt sich, daß am 30.6.1995 eine an das Erstgericht adressierte Postsendung mit der Aufgabenummer 5832 a aufgegeben wurde, die die Rechtssache "I*****-B*****" betraf. Dies wird auch in der ebenfalls vorgelegten Auskunft des Aufgabepostamtes 1070 Wien, die vom Vertreter der klagenden Partei eingeholt wurde, bestätigt. Darin ist festgehalten, daß die Einschreibsendung mit der Aufgabenummer 5832 a am 30.6.1995 aufgegeben und vom Postamt 1016 Wien am 3.7.1995 an den Übernahmsberechtigten abgegeben wurde, wie auch der dieser Auskunft beiliegenden Übernahmebestätigung zu entnehmen ist. Die dreitägige Frist zwischen Postaufgabe und Zustellung ist ohne weiteres dadurch zu erklären, daß der 30.6.1995 ein Freitag und der 3.7.1995 ein Montag war. Einen weiteren Anhaltspunkt für die Richtigkeit der Behauptung, daß der Berufungsschriftsatz am 30.6.1995 zur Post gegeben wurde, stellt der ebenfalls mit dem Rekurs vorgelegte Kontoauszug des Vertreters der klagenden Partei dar, aus dem sich ergibt, daß die für die Berufung zu entrichtende Pauschalgebühr in der Höhe von S 5.300,-- bereits am 3.7.1995 vom Konto der Vertreter der klagenden Partei abgebucht wurde. Dies deutet darauf hin, daß der Überweisungsauftrag ebenfalls spätestens bereits am 30.6.1995 erging.

Der Behauptung der rechtzeitigen Postaufgabe steht nach dem Akteninhalt lediglich der bei der Eingangsstampiglie des Erstgerichtes auf dem Berufungsschriftsatz, die das Datum des Einlangens mit "3.Juli 1995" aufweist, angebrachte Vermerk "Überreicht" entgegen. Da seither Monate verstrichen sind, läßt sich wohl kaum mehr verifizieren, wie es zu diesem Vermerk kam.

Nach ständiger Rechtsprechung haben Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich. Die Ergebnislosigkeit allfälliger Erhebungen über die Rechtzeitigkeit wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (SZ 46/86 ua). In dem hier vorliegenden Fall, in dem der Vermerk des Erstgerichtes als Empfänger der Postsendung einerseits und das Postaufgabebuch sowie die Auskunft des Postamtes andererseits in unvereinbarem Widerspruch zueinander stehen, ist daher von der Rechtzeitigkeit der Berufung auszugehen, wie der erkennende Senat zu 7 Ob 586-588/94 in einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen hat. In Stattgebung des Rekurses war deshalb der zurückweisende Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz aufzuheben und ihm die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufzutragen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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