OGH 4Ob70/95

OGH4Ob70/9510.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Ullmann und Dr.Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Aufhebung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert S 250.000) infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 18.Juli 1995, GZ 2 R 204/95-64, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. Mai 1995, GZ 12 Cg 1231/92-57, bestätigt wurde in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 12.195 bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 2.032,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 26.4.1994, 4 Ob 50/94, wurde der Beklagten für die Dauer dieses Rechtsstreites verboten, im Zusammenhang mit von ihr vertriebenen Tonträgern (Compact Discs und Musikkassetten) die Wortmarke "Schürzenjäger" und das Musikstück "Blauer See", gesungen von den "Zillertaler Schürzenjägern", zu verwenden und diese Tonträger zu vertreiben. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Dieser Entscheidung lagen folgende Feststellungen zugrunde:

"Die Klägerin betreibt einen Musikverlag, dem die ausschließlichen Verlags-, Vervielfältigungs- und Vertriebsrechte am Musikstück 'Blauer See', vorgetragen von den 'Zillertaler Schürzenjägern' zustehen. Zugunsten der Klägerin ist die Wortmarke 'Schürzenjäger' mit Beginn der Schutzdauer 14.4.1980 im Markenregister des Österreichischen Patentamtes unter der Nummer 93.638 für die Klassen 9 (Schallplatten und andere Tonaufzeichnungsträger) und 41 (Unterhaltung durch musikalische Darbietungen) eingetragen. Ing.Helmut R***** ist Gesellschafter der Klägerin; seine Ehegattin Elsa R***** ist geschäftsführende Gesellschafterin. Die Verträge mit den 'Zillertaler Schürzenjägern' schloß Ing.Helmut R***** als Einzelkaufmann; in der Folge brachte er seine Rechte in das Unternehmen der Klägerin ein.

Am 29.2.1984 übergab Ing.Helmut R***** Oskar F***** drei Titel, darunter den Titel 'Blauer See', vorgetragen von den 'Zillertaler Schürzenjägern', zur nicht ausschließlichen ('non exclusive') Auswertung auf eigenen Labels in Österreich. Es wurde festgehalten, daß der Weiterverkauf nicht gestattet sei. Oskar F***** war bis 1980 Geschäftsführer der L***** GesellschaftmbH gewesen, später war er Angestellter dieses Unternehmens. Ing.Helmut R***** und Oskar F***** vereinbarten, die Titel Oskar F***** persönlich und nicht der L***** Gesellschaft mbH zu übertragen.

Hermann M*****, der Oskar F***** als Geschäftsführer der L***** GesellschaftmbH nachfolgte, stellte aus dem Titel 'Blauer See' und elf weiteren Titeln ein Masterband zusammen und ließ es bei der Beklagten im Lohnauftrag duplizieren. Von der Beklagten stammt auch die Aufmachung. Sie verwendete hierfür Bilder, die von der L***** GesellschaftmbH zur Verfügung gestellt worden waren. Die Compact Discs und Musikkassetten wurden unter dem Label der L***** GesellschaftmbH 'A*****' über den Vertrieb der Beklagten 'T*****' in den Handel gebracht."

Im Hauptverfahren traf das Erstgericht (ua) folgende Feststellungen:

"Am 29.2.1984 übergab Elsa R***** dem Oskar F***** drei Titel zur non-exclusiven Auswertung auf eigenen Labels in Österreich. Es wurde festgehalten, daß der Weiterverkauf nicht gestattet ist....Der Lieferschein vom 29.2.1984 lautete zunächst auf L*****-Produktion. Außerdem wurde zuerst geschrieben 'zur einmaligen Auswertung'. Oskar F***** nahm damals den Lieferschein samt dem Gegenschein mit und führte am folgenden Tag, also am 1.3.1984, ein Telefongespräch mit Ing.Helmut R*****. Dabei wurde vereinbart, daß 'L*****-Produktion' durchgestrichen wird und statt dessen hingeschrieben wird 'Oskar F*****'. Außerdem wurde statt 'zur einmaligen Auswertung' 'zur non-exclusiven Auswertung' hingeschrieben. Diesbezüglich wurde mündlich vereinbart, daß Oskar F***** die Titel zur non-exclusiven Verwertung für Kompilationen, für die er das Programm zusammenstellt, erhält. Nachdem Oskar F***** damals kein eigenes Label hatte, mußte er sich immer anderer Labels bedienen, um Musik veröffentlichen zu können. Somit ist damals vereinbart worden, daß Oskar F***** hinsichtlich dieser drei Titel berechtigt wurde, damit Kompilationen zu machen und sich dabei anderer Marken oder Labels zu bedienen. Es wurde als vereinbart, daß Oskar F***** auch mit dem Titel 'Blauer See' Kompilationen machen dürfe....Bei seinem Ausscheiden übertrug Oskar F***** alle Auswertungsrechte an die L***** GesellschaftmbH..."

Aufgrund dieser Feststellungen wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Die Klägerin brachte gegen das Urteil eine Berufung ein. Gleichzeitig mit der Berufungsbeantwortung beantragte die Beklagte, die einstweilige Verfügung ersatzlos aufzuheben.

Der vom Erstgericht nunmehr festgestellte Sachverhalt weiche von dem Sachverhalt ab, den das Gericht im Provisorialverfahren als bescheinigt angenommen habe. Es habe sich somit insofern die Sachverhaltsgrundlage und damit auch die rechtliche Beurteilung geändert.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Ein Aufhebungsantrag könne nicht darauf gestützt werden, daß sich der als bescheinigt angenommene Sachverhalt nachträglich als unrichtig herausgestellt habe. An der Gefährdung der Klägerin habe sich nichts geändert.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Aufhebungsgründe seien nur der einstweiligen Verfügung nachfolgende Tatsachen. Die Beweis- und Bescheinigungsmittel seien keine Tatsachen in diesem Sinn; die Änderung der Beweislage im Hauptverfahren sei daher kein Aufhebungsgrund nach § 399 Abs 1 Z 2 EO.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß eine Änderung des Sachverhalts nicht nur die Erlassung einer neuen einstweiligen Verfügung, sondern auch die Aufhebung einer bereits erlassenen einstweiligen Verfügung rechtfertigen müsse. Daß die einstweilige Verfügung bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptverfahren erlassen worden sei, schade nicht. Andernfalls könnte auch nicht während des Hauptverfahrens eine neue einstweilige Verfügung erlassen werden, wenn ein Sicherungsantrag bereits abgewiesen worden sei. Durch die nunmehr getroffene Feststellung, daß die Klägerin in die Verwertung des Titels "Blauer See" durch die Beklagte eingewilligt habe, habe sich die Anspruchsgrundlage maßgebend geändert. Die Klägerin bedürfe keiner Sicherung mehr; die einstweilige Verfügung sei nach § 399 Abs 1 Z 2 EO aufzuheben.

Nach § 399 Abs 1 Z 2 EO ist eine einstweilige Verfügung aufzuheben, wenn sich inzwischen die Verhältnisse, in Anbetracht deren die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, derart geändert haben, daß es des Fortbestandes dieser Verfügung zur Sicherung der Partei, auf deren Antrag sie bewilligt wurde, nicht mehr bedarf. Das ist (zB) dann der Fall, wenn die gefährdete Partei ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht oder eine sonstige Sicherstellung für ihre Forderung erlangt hat oder wenn sich die Vermögensverhältnisse ihres Gegners wesentlich geändert haben (SZ 60/60). Aufhebungsgrund nach § 399 Abs 1 Z 2 EO ist demnach der Wegfall oder die Verminderung der Gefährdung der Rechte des Antragstellers. Ein Erlöschen des zu sichernden Anspruches ist nach § 399 Abs 1 Z 4 EO geltend zu machen (Heller/Berger/Stix, Kommentar zur EO4, 2886 f; s auch König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren, Rz 372). Nach dieser Bestimmung ist die einstweilige Verfügung aufzuheben, wenn der Anspruch berichtigt oder rechtskräftig aberkannt oder dessen Erlöschen rechtskräftig festgestellt wurde. Das Erlöschen aus anderen Gründen als durch Erfüllung kann nicht mit Aufhebungsantrag, sondern nur mit Feststellungsklage oder - wenn bereits Exekution geführt wird - mit Oppositionsklage geltend gemacht werden (EvBl 1962/459; SZ 60/60 mwN).

Die Beklagte beruft sich darauf, daß im Hauptverfahren ein anderer Sachverhalt festgestellt wurde als im Provisorialverfahren als bescheinigt angenommen worden war. Sie leitet daraus ab, daß sich die Anspruchsgrundlagen geändert hätten. Das trifft aber nicht zu. Anspruchsgrundlage der einstweiligen Verfügung ist der als bescheinigt angenommene Sachverhalt; in diesem Sachverhalt ist keine Änderung eingetreten. Geändert hat sich nur die Beweislage durch abweichende Feststellungen im Hauptverfahren (die hier zudem mit Berufung angefochten wurden); diese Änderung kann aber erst und nur dann die Aufhebung der einstweiligen Verfügung begründen, wenn sie dazu führt, daß das Klagebegehren rechtskräftig abgewiesen wird. Dann ist der Aufhebungsgrund des § 399 Abs 1 Z 4 EO verwirklicht; vor einer solchen Entscheidung ist weder im Sicherungsbedürfnis der Klägerin noch im anspruchsbegründenden Sachverhalt eine (endgültige) Änderung eingetreten, die eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung rechtfertigte.

Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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