OGH 9ObA154/95

OGH9ObA154/9527.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Fritz Stejskal und Dr.Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Klaus-Dieter K*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei S*****, GmbH, ***** vertreten durch Dr.Robert Kronegger und Dr.Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 262.840,-- brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.Juni 1995, GZ 7 Ra 34/95-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. November 1994, GZ 37 Cga 88/94k-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.596,40 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 3.599,40 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist weiter schuldig, der klagenden Partei die mit S 26.210 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.160 USt und S 13.250,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.2.1980 bis zu seiner Entlassung am 21.2.1994 bei der beklagten Partei beschäftigt, wobei er seit 1993 fast ausschließlich im Außendienst tätig war und an verschiedenen Orten Sprechtage abzuhalten hatte. Zur Erfüllung seiner Aufgaben wurde ihm auch ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt. Sein Gehalt betrug zuletzt S 28.045 brutto. Im Oktober 1993 wurde der Kläger einmal verwarnt, weil er entgegen einer Anordnung der Geschäftsführung eine Mitarbeiterin der beklagten Partei zu einer Dienstverrichtung mitgenommen hatte und am Ort, an dem der Sprechtag durchzuführen war, nicht angetroffen wurde. Am 12.2.1994 wurde dem Kläger von der Behörde wegen Alkoholisierung der Führerschein (erstmalig) für die Dauer von 4 Wochen abgenommen. Hievon informierte er die beklagte Partei nicht, in der Hoffnung, diese werde davon nichts erfahren. Er ersuchte einen Freund, ihn für die Dauer des Führerscheinentzuges zu chauffieren und hielt in der Folge alle dienstplanmäßigen Sprechtage ab. Am 21.2.1994 traf bei der beklagten Partei die Verständigung der Bundespolizeidirektion ***** über die Führerscheinabnahme ein. Die Prokuristin der beklagten Partei, die intern zum Ausspruch von Entlassungen nicht ermächtigt war, rief den Kläger, der sich bei einem auswärtigen Sprechtagtermin befand, an und dieser bestätigte ihr den Führerscheinentzug. Sie kündigte ihm an, daß dies zur Entlassung führen werde. Da ihr der Kläger mitgeteilt hatte, daß ein Freund das Firmenfahrzeug lenke, schickte sie von sich aus im Lauf des Tages per Fax eine Berechtigung für diesen, das Firmenfahrzeug für die Dauer des Führerscheinentzuges zu lenken. Noch am selben Tag informierte die Prokuristin die geschäftsführende Gesellschafterin, die sie anwies, den Kläger sofort zu entlassen. Die Entlassung wurde noch am selben Tag ausgesprochen.

Der Kläger begehrt die Zahlung des der Höhe nach unbestrittenen Betrages von S 262.840,-- an entlassungsabhängigen Ansprüchen. Die Entlassung sei zu Unrecht erfolgt, weil er seinen Dienst auch nach der Führerscheinabnahme ohne jede Störung verrichtet habe und ihm die Lenkerberechtigung zum ersten Mal entzogen worden sei. Durch die Ausstellung der Berechtigung zum Lenken des Firmenfahrzeuges an seinen Freund habe die beklagte Partei auch auf den Entlassungsgrund verzichtet.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Da der Kläger die Führerscheinabnahme nicht gemeldet habe, sei der Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit erfüllt; auch sei er ohne Lenkerberechtigung zur Erfüllung der vereinbarten Dienstleistung nicht in der Lage. Der Kläger sei wegen anderer Vorfälle erst kurz zuvor schriftlich abgemahnt worden. Eventualiter wendete die beklagte Partei eine im Dienstvertrag vereinbarte Konventionalstrafe von S 231.492,-- und vom Kläger rückzuerstattende Ausbildungskosten aufrechnungsweise gegen die Klageforderung ein.

Der Kläger bestritt die Berechtigung dieser Gegenforderung.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klageforderung zu Recht, die Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe und gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der erstmalige Führerscheinentzug wegen Alkoholisierung erfülle keinen Entlassungstatbestand. Das Verschweigen des Entzuges der Lenkerberechtigung in der Hoffnung, die beklagte Partei werde in der Zeit von vier Wochen davon nichts erfahren, rechtfertige nicht die Befürchtung, daß die Belange der beklagten Partei dadurch gefährdet würden, weil der Kläger auf seine Kosten einen Chauffeur organisiert habe und in der Lage gewesen sei, seine Dienstleistungen zu erbringen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei, die sich nur gegen die Entscheidung über das Zurechtbestehen der Klageforderung richtete, Folge und wies das Klagebegehren ab. Verschweige ein vorwiegend im Außendienst beschäftigter Angestellter, dem zur Verrichtung der Dienstleistung ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt worden sei, seinem Arbeitgeber die wegen Alkoholisierung erfolgte Führerscheinabnahme und überlasse er das Lenken des Firmenfahrzeuges unbefugt einem Dritten, so werde dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so erschüttert, daß im Sinne des § 27 Z 1 dritter Tatbestand AngG die Entlassung gerechtfertigt sei. Außerdem habe der Kläger einen wesentlichen Teil seiner Dienstleistung nicht mehr selbst erbringen können. Er sei nicht berechtigt gewesen, das Lenken des Firmenfahrzeuges einem Dritten zu überlassen. Es sei daher auch der Entlassungsgrund des § 27 Z 5 zweiter Tatbestand AngG erfüllt, weil der Kläger durch den Führerscheinentzug unfähig geworden sei, die bedungene Dienstleistung durch einen längeren Zeitraum zu erbringen. Die Entlassung sei daher berechtigt erfolgt, so daß der erhobene Anspruch nicht zu Recht bestehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Vorerst rügt der Rechtsmittelwerber, daß das Berufungsgericht bei seiner rechtlichen Beurteilung von einem Sachverhalt ausgegangen sei, der von den Feststellungen abweiche. Selbst wenn dieser Vorwurf zuträfe, erfüllte dies nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit, der nur dann vorliegt, wenn im Tatsachenbereich vom Akteninhalt abgewichen wird.

Die beklagte Partei hat ihren Prozeßstandpunkt, daß die Entlassung zu Recht erfolgt sei, nur darauf gegründet, daß der Kläger den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit erfüllt habe, weil er die Tatsache des Führerscheinentzuges nicht gemeldet habe sowie daß er durch den Entzug der Lenkerberechtigung unfähig geworden sei, seine vereinbarten Dienste zu leisten. Daß der Kläger das Lenken des Dienstfahrzeuges unbefugt einem Dritten überließ, wurde von der beklagten Partei damit als Entlassungsgrund nicht geltend gemacht. Dies ist nur folgerichtig, hat doch die beklagte Partei als sie erfuhr, daß ein Freund des Klägers diesen chauffierte, diesem Freund des Klägers letztlich ausdrücklich schriftlich die Berechtigung zum Lenken des Fahrzeuges erteilt. Zu Unrecht hat daher das Berufungsgericht die Berechtigung der Entlassung darauf gegründet, daß der Kläger einen Dritten mit dem Lenken des Fahrzeuges beauftragte.

Daß der Kläger durch den Entzug der Lenkerberechtigung unfähig geworden wäre, die vereinbarten Dienste zu leisten, trifft nicht zu. Die Tätigkeit des Klägers bestand im wesentlichen in der Abhaltung von Sprechtagen. Das Lenken von Fahrzeugen war nicht seine eigentliche dienstvertragliche Aufgabe; er benötigte das Fahrzeug nur, um an die Orte zu gelangen, an denen er die Sprechtage abhielt. Anders als in dem der Entscheidung 9 Ob A 159/91 zugrundegelegenen Fall war daher der Besitz eines Führerscheins für die Erfüllung der dienstlichen Obliegenheiten nicht unbedingte Voraussetzung, zumal der Kläger nicht notwendig selbst ein Fahrzeug lenken mußte, um seine Aufgaben im Außendienst wahrzunehmen, sondern auch auf andere Weise (etwa auch durch Inanspruchnahme eines Dritten, der über ein eigenes Fahrzeug verfügte) die Orte erreichen konnte, an denen er seine Dienstverrichtungen zu erfüllen hatte. Dies insbesondere im Hinblick darauf, daß die Führerscheinabnahme nur für einen Monat erfolgte und diese Zeit durchaus auf diese Weise überbrückt werden konnte. Es trifft daher nicht zu, daß der Kläger durch den Entzug der Lenkerberechtigung unfähig geworden wäre, seinen dienstvertraglichen Pflichten nachzukommen. Dies ergibt sich im übrigen bereits aus der Feststellung, daß der Kläger auch in der Zeit nach dem Entzug der Lenkerberechtigung alle dienstplanmäßigen Sprechtage abgehalten hat.

Allein, daß der Kläger der beklagten Partei vom Entzug des Führerscheines keine Mitteilung machte, erfüllt nicht den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG. Die von den Vorinstanzen festgestellten Vorfälle im September/Oktober 1993, die Anlaß für den Ausspruch einer Verwarnung waren, wurden nicht als Entlassungsgründe geltend gemacht. Hierauf ist daher nicht einzugehen.

Da die Entlassung daher nicht berechtigt erfolgte, besteht das Begehren des Klägers auf Zahlung der der Höhe nach unbestritten gebliebenen Ansprüche zu Recht.

Die Entscheidung des Erstgerichtes über die einredeweise erhobene Gegenforderung wurde bereits im Berufungsverfahren nicht mehr angefochten. In der Berufung wurde wohl die Erklärung abgegeben, das Ersturteil zur Gänze zu bekämpfen, doch enthält das Rechtsmittel keinerlei Ausführungen zur Entscheidung über die Gegenforderung. Diese Entscheidung ist daher in Rechtskraft erwachsen. Hierauf ist daher im Revisionsverfahren nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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