OGH 5Ob109/95

OGH5Ob109/9526.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. Maria S*****, nunmehr vertreten durch Dr.Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, 2. Arno W*****, vertreten durch Dr.Anton Waltl, Dr.Peter Krempl, Rechtsanwälte in Zell am See, betreffend Eintragungen in den EZ ***** und ***** je Grundbuch ***** infolge Revisionsrekurses des Zweitantragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 27.Juni 1995, AZ 1 R 274/95, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schladming vom 15. Februar 1995, TZ 124/95, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Beide Antragsteller, für die damals Rechtsanwalt Dr.W***** unter Berufung auf § 8 Abs 1 RAO als deren gemeinsamer Vertreter einschritt, beantragten beim Erstgericht die Löschung verschiedener Pfand- und Vorkaufsrechte sowie Verbote, dazu noch 1. die Vormerkung des Eigentumsrechtes für den Zweitantragsteller, 2. die Einverleibung einer Höchstbetragshypothek von S 5,600.000 für ein namentlich bezeichnetes Bankinstitut und schließlich 3. im Range danach, die Einverleibung eines (Simultan-)Pfandrechtes zugunsten der Erstantragstellerin für ihre Zeitrentenforderung von S 37.500 monatlich sowie einer Nebengebührensicherung von S 500.000. Mit dem Grundbuchsgesuch ist ua der Kaufvertrag vom 9./11.5.1994 vorgelegt worden. Darin veräußerte die Erstantragstellerin ihre Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** je Grundbuch ***** für einen Barpreis von S 3,000.000 und eine monatliche, auf 20 Jahre befristete und durch eine (Simultan-)Hypothek gesicherte Zeitrente von S 37.500 an den Zweitantragsteller. Im Vertrag heißt es, daß die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Zweitantragsteller und des in Rede stehenden Pfandrechtes für die Erstantragstellerin gleichzeitig zu erfolgen habe (Punkt XV.). Beide Kaufvertragsparteien erteilten in Punkt XIII. des Vertrages dem Vertragserrichter, Rechtsanwalt Dr.W*****, Vollmacht. Der Vertrag enthält in diesem Zusammenhang die Textpassage: "Die Vertragsparteien beauftragen und bevollmächtigen hiermit Herrn Rechtsanwalt Dr.Anton W*****, sie im Verfahren vor Behörden, deren Zustimmung zum Rechtsgeschäft erforderlich ist, sowie vor dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern und dem Grundbuchsgericht zu vertreten. Weiters bevollmächtigen sie ihn, allenfalls für die Durchführung dieses Vertrages erforderliche Änderungen und Zusätze in ihrem Namen rechtsverbindlich zu unterfertigen, soweit solche Änderungen und Zusätze nur formaler Natur sind und keinen wesentlichen Bestandteil dieses Vertrages betreffen."

Unter ausdrücklicher Berufung auf diese Vollmacht und in Vertretung beider Kaufvertragsparteien errichtete Rechtsanwalt Dr.W***** später einen Nachtrag (Aufsandungserklärung vom 2.2.1995). Gemäß dessen Inhalt hat die Bedingung der gleichzeitigen Verbücherung des Eigentumsrechtes und des Pfandrechtes zu entfallen.

Das Erstgericht entschied über das Grundbuchsgesuch antragskonform.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Erstantragstellerin Folge und wies das Grundbuchsgesuch ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht führte im wesentlichen folgendes aus:

Gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG dürfe eine Grundbuchseintragung nur dann bewilligt werden, wenn keine gegründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft, oder gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten bestünden. Diese Überprüfungspflicht des Grundbuchsgerichtes werde in ständiger Rechtsprechung auch auf Bedenken gegen die Vertretungsmacht der rechtsgeschäftlich Handelnden im Falle der Doppelvertretung oder des Selbstkontrahierens bezogen. Sei nämlich die Doppelvertretung unstatthaft, fehle dem Vertreter die Vertretungsmacht. Die Unstatthaftigkeit liege in solchen Fällen schon dann vor, wenn die Gefahr einer Interessenkollision drohe. Zur Beseitigung diesbezüglicher Bedenken müsse sichergestellt sein, daß jede Gefährdung des Machtgebers ausgeschlossen sei. Liege dem äußeren Anschein nach eine unzulässige Doppelvertretung vor, dann dürfe das Grundbuchsgericht eine den Machtgeber belastende Eintragung nur bewilligen, wenn der urkundliche Nachweis seiner Zustimmung vorliege. Im gegenständlichen Fall gehe es um eine Doppelvertretung, die bezogen auf den Inhalt des Nachtrages (Aufsandungserklärung vom 2.2.1995) eindeutig eine Gefährdung der Interessen der Erstantragstellerin befürchten lasse. Die dort vorgesehene Vertragsabänderung könne nicht ohne weiteres im Sinne des Punktes XIII. des Kaufvertrages vom 9./11.5.1994 als unwesentlich angesehen werden. Ein urkundlicher Nachweis der Zustimmung der Erstantragstellerin fehle.

Der nach § 94 Abs 1 Z 2 GBG gegebene Abweisungsgrund bleibe ungeachtet dessen aufrecht, daß Rechtsanwalt Dr.W***** das Gesuch in Vertretung beider Kaufvertragsparteien, also der Erstantragstellerin und des Zweitantragstellers eingebracht habe. Der für beide Antragsteller einschreitende Rechtsanwalt habe sich auf § 8 Abs 1 RAO berufen. Das Recht eines Rechtsanwaltes, sich vor allen Gerichten und sonstigen Behörden auf die ihm erteilte Vollmacht zu berufen, sei nun (seit BGBl Nr. 474/1990) ganz generell im Gesetz (§ 8 Abs 1 RAO) verankert. Die Berufung eines Rechtsanwaltes auf die erteilte Vollmacht ersetze indes nur den sonst erforderlichen urkundlichen Nachweis der Vertretungsmacht. Dort, wo nach den Vorschriften des materiellen Rechtes eine besondere Vertretungsmacht nötig sei (und im Normalfall auch urkundlich zu belegen wäre), könne daher auf die ausdrückliche Behauptung einer solchen Bevollmächtigung durch den einschreitenden Rechtsanwalt nicht verzichtet werden. Die Judikatur habe daher immer betont, daß beim Einschreiten zum Nachteil des Vertretenen (bzw eines der Vertretenen) ein ausdrücklicher Hinweis auf die hiefür erforderliche besondere Vollmacht zu geben sei. Die Bestimmungen des § 77 Abs 1 GBG hätten durch die für Rechtsanwälte geschaffenen Ausnahmeregelungen nur insoferne eine Ergänzung erfahren, als statt des urkundlichen Nachweises der Vertretungsmacht zum Anbringen von Grundbuchsgesuchen auch die Berufung auf eine entsprechende Bevollmächtigung genüge. Dieses Mindesterfordernis des Darlegens der besonderen Vollmacht im Sinne des § 77 Abs 1 GBG sei in Fällen, in denen die begehrte Grundbuchseintragung dem Vertretenen nicht zum Vorteil gereiche (§ 77 Abs 2 GBG), jedenfalls zu erfüllen, weil andernfalls gar nicht beurteilt werden könnte, ob überhaupt die Befugnis des Antragstellers zum Einschreiten vorhanden sei (§ 94 Abs 1 Z 2 GBG). Der Fall hätte daher den klaren Hinweis verlangt, zum Anbringen des konkreten gegenständlichen Grundbuchsgesuches auch namens der Erstantragstellerin befugt zu sein. Die Vollmacht gemäß dem Kaufvertrag vom 9./11.5.1994 (Punkt XIII.) decke nicht ohne weiteres die Bevollmächtigung zur Einbringung des Grundbuchsgesuches in der vorliegenden Form. Betreffs des Einschreitens für die Erstantragstellerin sei nach dem Erörterten auch der vorliegende Hinweis im Gesuch ("Vollmacht § 8 Abs 1 RAO") unzureichend. Es komme auch eine bloß teilweise Rekursstattgebung nicht in Betracht. Denn der Rekurs unterstelle zutreffend, daß die dem Käufer, also dem Zweitantragsteller, auferlegten Gegenverpflichtungen gleichzeitig geschehen (gemeint wohl: eingetragen werden) sollten.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei im Hinblick auf die angesprochenen Fragen der Doppelvertretung und des Erfordernisses eines Nachweises der Vollmacht des einschreitenden Rechtsanwaltes für zulässig zu erklären gewesen.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Zweitantragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den stattgebenden Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Zu den vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen liegt zwar bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor; der Revisionsrekurs ist aber dennoch zulässig, weil das Rekursgericht im Zusammenhang mit § 77 Abs 1 GBG die Rechtslage verkannt hat. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsmittelwerber macht zusammengefaßt geltend, daß der Nachtrag zum Kaufvertrag für die Genehmigung des Grundbuchsgesuches nicht wesentlich sei, weil Gleichzeitigkeit nicht Gleichrangigkeit bedeute und das Grundbuchsgesuch auch ohne Nachtrag zu genehmigen gewesen wäre. Der Nachtrag beinhalte keine wesentliche Änderung des Vertrages, sondern nur die Streichung einer mißverständlichen Formulierung. Die Bevollmächtigung des Vertragsverfassers zur Vertretung beider Vertragsparteien vor dem Grundbuchsgericht ergebe sich bereits aus dem vorliegenden Kaufvertrag. Der Vertragsverfasser habe sich daher nicht nur formaliter gemäß § 8 RAO auf eine allenfalls auch mündlich erteilte Vollmacht berufen können. Eine Vollmachtsüberschreitung unterliege nicht der Prüfung durch das Grundbuchsgericht, sondern ausschließlich dem streitigen Zivilrechtsweg. Zweifel am Vorliegen einer ausreichenden Vollmacht seien dem Rekursgericht erst aufgrund des dolos erhobenen Rekurses der Erstantragsgegnerin entstanden; dagegen sei die Sach- und Rechtslage nach dem Stand des Grundbuchsverfahrens erster Instanz zu beurteilen.

Hiezu wurde erwogen:

Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, daß der Hinweis im Grundbuchsgesuch "Vollmacht § 8 Abs 1 RAO" nicht ausreicht, um die gemäß § 77 Abs 1 GBG erforderliche besondere Vollmacht der Erstantragstellerin darzutun. Eine materielle Derogation des § 77 Abs 1 GBG ist durch § 8 Abs 1 RAO idF BGBl 1990/474 ebensowenig erfolgt wie durch § 30 Abs 2 ZPO idF der ZVN 1983. Die auch im Grundbuchsverfahren mögliche Berufung eines Rechtsanwaltes auf die ihm erteilte Bevollmächtigung befreit ihn nicht von der Verpflichtung, auf seine besondere Vollmacht wenigstens hinzuweisen, wenn er nach den Vorschriften des materiellen Rechts im konkreten Fall mit einer allgemeinen Bevollmächtigung nicht das Auslangen findet (NZ 1993, 21/253; 5 Ob 48/93 ua).

Daß die Berufung des Rechtsanwaltes auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzen kann, hat im vorliegenden Fall aber deshalb keine Bedeutung, weil ohnehin ein urkundlicher Nachweis in Form des Kaufvertrages, der eine Vollmachtsklausel enthält, vorliegt. Danach erstreckt sich die Bevollmächtigung des Vertragserrichters - worauf dieser als Vertreter des Rechtsmittelwerbers nun zu Recht verweist - auch auf die Vertretung vor dem Grundbuchsgericht. Damit ist der Forderung des § 77 Abs 1 GBG, es müsse dargetan sein, daß der Vertreter zur Anbringung von Grundbuchsgesuchen befugt sei, hinreichend entsprochen. Eine Spezialvollmacht für das konkrete Grundbuchsgesuch, wie sie das Rekursgericht für nötig hält, verlangt § 77 Abs 1 GBG nicht.

Damit ist für den Rechtsmittelwerber aber nichts gewonnen, weil die Bedenken des Rekursgerichtes gegen die Vertretungsmacht des Vertragsverfassers zum Abschluß des von ihm als Doppelvertreter errichteten Kaufvertragsnachtrages berechtigt sind. Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers ergeben sich diese Bedenken nicht erst aus dem Rekurs der Erstantragstellerin, sondern schon aus den dem Erstgericht vorgelegenen Urkunden; sie sind nicht erst im Zivilprozeß, sondern gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG schon im Grundbuchsverfahren wahrzunehmen. Dieser Vorschrift sind nämlich auch gegründete Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vertretungsmacht dessen zu unterstellen, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen des Vertragspartners unterfertigt hat (NZ 1993, 133/268 mwN).

Es entspricht der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, daß die Vertretung beider Vertragsteile durch einen Machthaber (Doppelvertreter) zur Abweisung des Grundbuchsantrages führt, wenn die Gefahr einer Interessenkollision droht und ein urkundlicher Nachweis der Zustimmung des gefährdeten Machtgebers fehlt (NZ 1991, 109/202; NZ 1993, 43/255 = EvBl 1993/47 mwN). Im vorliegenden Fall kann keine Rede davon sein, daß jede Gefährdung der Machtgeberin ausgeschlossen ist, wenn die Vertragsbestimmung der gleichzeitigen Verbücherung von Eigentumsrecht und Pfandrecht (§ 97 GBG) aus dem Kaufvertrag beseitigt wird, um in der Folge die Verbücherung des Pfandrechts der Erstantragstellerin im Rang nach dem Pfandrecht des Kreditgebers des als Eigentümer erst einzutragenden Käufers beantragen zu können.

Was den Umfang der im Kaufvertrag enthaltenen Vollmacht anlangt, so betraf die nachträgliche Änderung weder einen unwesentlichen Teil des Vertrages noch war sie bloß formaler Natur, weshalb der Nachtrag nach der Urkundenlage in Überschreitung der erteilten Vollmacht errichtet wurde: Es liegt ein vom Grundbuchsgericht wahrzunehmender Vollmachtsmangel vor. In diesem Zusammenhang ist es nahezu mutwillig, die versuchte Vertragsänderung als "Streichung einer mißverständlichen Formulierung" zu bezeichnen.

Zu den Ausführungen des Rechtsmittelwerbers über Gleichzeitigkeit und Gleichrangigkeit genügt es, auf das das Grundbuchsrecht beherrschende Prioritätsprinzip zu verweisen. Daß eine nachrangige Verbücherung des Pfandrechts der Erstantragstellerin aufgrund des Kaufvertrages nicht möglich gewesen wäre, muß der Vertragsverfasser (Vertreter des Rechtsmittelwerbers) ohnehin schon längst selbst erkannt haben, weil er sonst den Nachtrag nicht errichtet hätte.

Das Rekursgericht hat das vorliegende Grundbuchsgesucht somit zu Recht abgewiesen; dem Revisionsrekurs des Zweitantragstellers war demnach einErfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte