OGH 4Ob557/95

OGH4Ob557/9519.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Graf und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sparkasse B*****, vertreten durch Dr.Gernot Gruböck und Dr.Stephan Gruböck, Rechtsanwälte in Baden, wider die beklagten Parteien 1. M*****gesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr.Stefan Gulner, Rechtsanwalt in Wien, 2. Karl G*****, vertreten durch Dr.Martin Schober und Dr.Georg Schober, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen S 277.377,26 sA, infolge Rekurses der Erstbeklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20.Juli 1995, GZ 12 R 122/95-25, mit dem die Berufung der Erstbeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 3.Februar 1995, GZ 22 Cg 293/94b-12, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt S 277.377,26 sA. Sie habe der Erstbeklagten jahrelang Inkassoaufträge erteilt. Ende 1993 habe der Zweitbeklagte als Geschäftsführer der Erstbeklagten eigenmächtig begonnen, Zahlungen von Schuldnern mit angeblichen Kosten zu verrechnen. Insgesamt hätten die Beklagten S 277.377,26 vereinbarungswidrig einbehalten; für den Ersatz dieser Beträge hafteten sie der Klägerin zur ungeteilten Hand.

Bis zur ersten Tagsatzung am 22.11.1994 konnte die Klage nur dem Zweitbeklagten zugestellt werden. Auf Antrag der allein erschienenen Klägerin erging ein Versäumungsurteil gegen den Zweitbeklagten; dieses wurde mittlerweile als nichtig aufgehoben. Mehrere Versuche, die Klage auch der Erstbeklagten zuzustellen, blieben erfolglos. Am 19.12.1994 beantragte die Klägerin, die Klage der Erstbeklagten unter der Anschrift 1***** W*****, G*****gasse *****, zuzustellen. Die Klage wurde nach einem vergeblichen ersten Zustellversuch am 29.12.1994 und einem vergeblichen zweiten Zustellversuch am 30.12.1994 durch Hinterlegung zugestellt. Bei der ersten Tagsatzung am 3.2.1995 war wiederum nur die Klägerin anwesend; auf ihren Antrag wurde gegen die Erstbeklagte ein Versäumungsurteil gefällt. Da das Versäumungsurteil der Erstbeklagten unter der bisherigen Anschrift nicht zugestellt werden konnte, beantragte die Klägerin die neuerliche Zustellung. Die Firma der Erstbeklagten laute nunmehr "M***** GesellschaftmbH", die Anschrift "W*****, S*****". Das Versäumungsurteil wurde schließlich am 28.4.1995, und zwar an der Anschrift W***** 1, L***** 7, zugestellt.

Am 15.5.1995 beantragte die M*****gsellschaftmbH, die Klage neuerlich zuzustellen und das Versäumungsurteil aufzuheben.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das Versäumungsurteil könne nur durch das Rechtsmittelgericht aufgehoben werden.

Am 26.5.1995 erhob die Erstbeklagte Nichtigkeitsberufung. Sie habe erst durch das Versäumungsurteil vom Rechtsstreit erfahren. Thomas A***** sei seit August 1994 alleiniger Geschäftsführer der Erstbeklagten; gleichzeitig seien Karl G***** als Geschäftsführer und Doris F***** als Prokuristin abberufen worden. Da der Geschäftsführer der Erstbeklagten die Klage nicht erhalten habe, sei die Zustellung gesetzwidrig.

Das Berufungsgericht wies die Berufung zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Vorbringen in der Nichtigkeitsberufung sei nicht schlüssig. Daraus sei nicht zu entnehmen, warum der Geschäftsführer der Beklagten die Klage nicht erhalten habe. Nach dem Akteninhalt sei die Klage ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellt worden. Anhaltspunkte für einen dem Gesetz dennoch nicht entsprechenden Zustellvorgang lägen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs ist unzulässig.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig sei. Diese Bestimmung erfaßt aber nur die Zurückweisung der Berufung aus formellen Gründen. Eine Zurückweisung aus formellen Gründen liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht seine Entscheidung auf § 471 Z 2 oder 3 ZPO gestützt hat. Wurde die Berufung "verworfen" oder "zurückgewiesen", weil ein Nichtigkeitsgrund verneint wurde, dann ist die Entscheidung unanfechtbar (Kodek in Rechberger, ZPO § 519 Rz 3).

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Erstbeklagten mit der Begründung "zurückgewiesen", daß die Nichtigkeit nicht schlüssig behauptet sei. Es hat damit die Berufung inhaltlich erledigt und nicht als gesetzlich unzulässig oder verspätet erachtet (§ 471 Z 2 ZPO). Ebensowenig hat das Berufungsgericht die Berufung deshalb zurückgewiesen, weil der Berufungsantrag fehlte oder unbestimmt wäre oder weil die Rechtsmittelgründe unrichtig oder unvollständig bezeichnet wären (§ 471 Z 3 ZPO; s Kodek aaO § 471 Rz 4). Das Berufungsgericht war vielmehr der Auffassung, daß die Nichtigkeit schon mangels schlüssiger Behauptung eines Nichtigkeitsgrundes zu verneinen und die Berufung deshalb "zurückzuweisen" sei. Ein Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes verneint wird, ist aber unanfechtbar (stRsp EFSlg 57.844; SZ 59/104 uva). Der gesetzwidrige Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes ist unbeachtlich.

Der Rekurs war zurückzuweisen.

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