OGH 14Os121/95

OGH14Os121/9519.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.September 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ali Ekber I***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 11.Juli 1995, GZ 37 Vr 1.513/95-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Lenfeld zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali Ekber I***** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 6.Jänner 1995 in Fließ Michaela O***** mit Gewalt, und zwar durch Festhalten "an der Hand", zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung, nämlich der Berührung ihrer Scheide mit einem Finger, gezwungen hat.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch aus den Gründen der Z 4, 5 a und 9 (lit a) des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen dem Vorbringen zur Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Nichtigkeitswerber durch die Ablehnung des auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Angaben der Belastungszeugin Michaela O***** abzielenden Antrags auf Einholung eines Gutachtens eines gerichtsärztlichen Sachverständigen in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.

Daß der Angeklagte - worauf sich die Beschwerde stützt - aufgrund der "Verschnürung" seines Kiefers zufolge eines im September 1994 erlittenen Kieferbruchs zur Tatzeit nicht in der Lage gewesen sei, dem Opfer die von diesem in der Hauptverhandlung erwähnten (S 99 f) "Zungenküsse" zu geben, wurde nach dem allein maßgeblichen Inhalt des Beweisbegehrens gar nicht behauptet. Im Hinblick darauf, daß I***** nach den Angaben der Zeugen Hertha und David O***** keinen sichtbaren Verband trug und normal reden konnte (S 105, 107; US 11), hätte es bereits im Beweisantrag einer näheren Darlegung bedurft, weshalb er dessen ungeachtet zur Ausführung eines Zungenkusses nicht imstande gewesen sein sollte. Davon abgesehen ist das Erstgericht ohnehin von einer beim Angeklagten aufgrund der behaupteten Verletzung vorgelegenen Beeinträchtigung ausgegangen (US 6). Den daran anknüpfenden, die Möglichkeit von Mißverständnissen der Zeugin über das Wesen eines "Zungenkusses" erörternden tatrichterlichen Erwägungen (US 11) vermag die Beschwerde keine stichhältigen Argumente entgegenzusetzen.

Von der - nach Lage des Falles überdies auf die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises hinauslaufenden - Beiziehung eines gerichtsärztlichen Sachverständigen konnte das Schöffengericht schon deshalb Abstand nehmen, weil es für die Annahme, daß das nur kurzzeitige und einmalige Einführen eines Fingers des Angeklagten in die Scheide des Opfers mit keiner Verletzung des Hymens verbunden sein muß, eines medizinischen Fachwissens nicht bedarf.

Der im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5 a) erneut unternommene Versuch, die Beweiskraft der Zeugin Michaela O***** mit dem Hinweis auf teils belanglose Nebenumstände (wie das Unterbleiben von Hilferufen seitens des Opfers, das Hervorgehen von Anhaltspunkten auf "andere Liebschaften" aus dessen Tagebuchaufzeichnungen oder die vom Angeklagten üblicherweise eingehaltene Vorgangsweise bei der Bezahlung des Mietzinses) bzw auf in den Urteilsgründen ohnehin erörterte Aspekte (wie die Rückkehr des Beschwerdeführers an den Tatort kurz nach dem Vorfall) zu erschüttern sowie mit spekulativen Erwägungen punktuell betrachtete Verantwortungspassagen des Angeklagten unter Hervorhebung der im Vorverfahren unterbliebenen Beiziehung eines Dolmetsch aufzuwerten, ist nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Rechtsrüge schließlich (Z 9 lit a) setzt sich, soweit sie die Urteilsannahmen über den tatbildlichen Einsatz von Gewalt als Nötigungsmittel unter Rückgriff auf bestimmte Details in der Aussage der Zeugin Michaela O***** in Frage zu stellen sucht, prozeßordnungswidrig über den Urteilssachverhalt hinweg, demzufolge der Angeklagte das Opfer am Arm festhielt, um die Duldung der unzüchtigen Betastung zu erreichen. Der Einwand schlägt aber auch unter dem Blickwinkel eines Begründungsmangels nach Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht durch, weil die Darstellung des Opfers über den Standort des Beschwerdeführers im Bereich der Mauer seinen weiteren Angaben, vom Nichtigkeitswerber festgehalten und "an die Wand gedrückt" worden zu sein (S 99), keineswegs entgegensteht.

Der abschließende rechtliche Einwand, wonach das bloße Halten am Arm rechtsirrig dem Gewaltbegriff des § 202 StGB unterstellt worden sei, geht gleichfalls fehl:

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung genügt als Mittel zur Willensbeugung jede Art von Gewalt (im Sinne des Einsatzes einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft) zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstands, wobei keine besondere Intensität der Kraftanwendung nötig ist (vgl swN Leukauf-Steininger Komm3 § 201 RN 19; § 105 RN 4 ff). Daß im konkreten Fall das gegen den Widerstand des Opfers erfolgte, mit nicht unbeträchtlichem Krafteinsatz verbundene Festhalten am Arm während eines nicht unbedeutenden Zeitraums unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände die gesetzlich geforderte Erheblichkeitsschwelle strafbarer Nötigung (im Sinne der §§ 105 Abs 1, 202 Abs 1 StGB) eindeutig überschritten hat, bedarf daher keiner näheren Erörterung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zu der begehrten Reduktion der bedingt nachgesehenen neunmonatigen Freiheitsstrafe bestand kein Anlaß, zumal die Berufung zusätzliche Milderungsgründe nicht aufzuzeigen vermochte.

Auch der Berufung konnte sohin kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

Stichworte