OGH 14Os118/95

OGH14Os118/9514.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Unterrichter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helmut C***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Helmut C***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 21.Juni 1995, AZ 9 Ns 49/95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Die Bundespolizeidirektion Salzburg zeigte Helmut C***** am 10.Mai 1994 wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach §§ 107 Abs 1 und Abs 2 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB an (ON 2).

Da die Zurechnungsfähigkeit des Verdächtigen zweifelhaft war, holte der Untersuchungsrichter zunächst ein psychiatrisches Gutachten ein, welches am 17.August 1994 bei Gericht einlangte. Darin verneinte der Sachverständige die Dispositionsfähigkeit des diskretionsfähigen Angezeigten wegen eines mit jahrelangem Alkohol- und Medikamentenmißbrauch einhergehenden depressiven Syndroms und sah bei Helmut C***** auf Grund der beträchtlich aggressiven Persönlichkeitsstruktur eine hochgradige potentielle Gefährlichkeit im Sinne des § 21 Abs 1 StGB - allerdings eingeschränkt auf das unmittelbare soziale Umfeld (Mutter und Hausbewohner) - als gegeben an (ON 4).

Daraufhin erließ der Untersuchungsrichter am 23.August 1994 einen Haftbefehl (ON 6) gegen Helmut C***** und ordnete nach der Festnahme mit Beschluß vom 24.August 1994 (wirksam bis längstens 6.September 1994) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO die vorläufige Anhaltung des Genannten in der Landesnervenklinik Salzburg an (ON 10). Der Untersuchungsrichter bezeichnete Helmut C***** auf Grund der polizeilichen Anzeige als dringend verdächtig,

am 19.April 1994 Franz K***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zum "Zurücktreten vom Fenster und Schließen dieses Fensters" genötigt zu haben, indem er unter drohender Gebärde mit einem Hammer äußerte, wenn K***** nicht sofort verschwinde, werde er ihn erschlagen;

weiters Daniel S***** und andere Kinder durch die Äußerung, er werde sie zusammenschlagen und abstechen, mit dem Tod gefährlich bedroht und

etwa eine Woche zuvor Maria R***** mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen und sie dadurch am Körper verletzt zu haben.

Nach Durchführung der - bereits am 26.August 1994 anberaumten (S 1 b verso) - Haftverhandlung hob der Untersuchungsrichter die vorläufige Anhaltung am 6.September 1994 auf (ON 22). In der Folge stellte er die Voruntersuchung gegen Helmut C***** nach einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft am 24.November 1994 ein (S 1 f).

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluß vom 14.März 1995 sprach das Landesgericht Salzburg aus, daß Helmut Cerwenka mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 lit b StEG für seine strafgerichtliche Anhaltung kein Ersatzanspruch zustehe (ON 33).

Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 21.Juni 1995, AZ 9 Bs 122/95, nicht Folge.

Nach einem entsprechenden Antrag (S 199) entschied das Oberlandesgericht mit Beschluß vom selben Tag, AZ 9 Ns 49/95, ferner, daß dem Genannten auch nach § 2 Abs 1 lit a StEG kein Ersatzanspruch zustehe.

Der dagegen gerichteten Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Den für die Dauer der vorläufigen Anhaltung in Frage gestellten dringenden Verdacht der Begehung einer mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Tat im Sinne des § 21 Abs 1 StGB leitete das Oberlandesgericht zutreffend aus dem polizeilichen Erhebungsergebnis iVm dem psychiatrischen Sachverständigengutachten ab. Der Wortlaut der in der Anzeige geschilderten Drohungen, die begleitenden Umstände ihrer Äußerung sowie die von den Zeugen bekundeten häufigen und wiederholt mit polizeilichem Einschreiten verbundenen Aggressionsattacken des Helmut C***** als Folge dessen unberechenbaren Charakters indizierten nach Lage des Falles nicht nur mit erhöhter Wahrscheinlichkeit die subjektive Tatseite, sondern auch die Annahme, daß die Bedrohten bei unbefangener Betrachtung der Situation den Eindruck gewinnen konnten, der Angezeigte sei in der Lage und willens, das angekündigte Übel (wenn auch nicht unbedingt unter den angekündigten Modalitäten) tatsächlich herbeizuführen (Leukauf-Steininger Komm3 § 74 RN 21).

Der Beschwerdeauffassung zuwider kam in diesem Zusammenhang dem Umstand, daß Franz K***** die Drohungen auf Grund seiner räumlichen Distanz zum Angezeigten (dem er an sich "alles zutraut" - S 28) damals nicht ernst genommen hat, keine rechtliche Bedeutung zu (Leukauf-Steininger aaO).

Unberechtigt ist auch die Auffassung, daß spätestens nach der gerichtlichen Einvernahme der Zeugen Franz K*****, Judith E***** und Maria R***** am 1.September 1994 der dringende Tatverdacht weggefallen sei und Helmut C***** umgehend auf freien Fuß zu setzen gewesen wäre.

Daß sich Franz K*****, welcher seine belastenden polizeilichen Angaben ausdrücklich und uneingeschränkt aufrecht erhielt, mehr als vier Monate nach der Tat an den genauen Wortlaut der Drohungen nicht mehr zu erinnern vermochte und bei seiner - wie dargelegt in rechtlicher Hinsicht irrelevanten - Behauptung blieb, die Drohungen des "kranken Menschen" damals bei der gegebenen Situation nicht ernst genommen zu haben (ON 17), rechtfertigte nach Lage des Falles eine derartige Beurteilung noch ebensowenig wie die von der - mittelbaren - Zeugin Judith E***** in Ergänzung zu ihrer - gleichfalls bestätigten - polizeilichen Aussage am 1.September 1994 aufgestellte These, Helmut C***** sei ihrer Meinung nach nicht gefährlich, "wenn er aber unter Medikamenten- und Alkoholeinfluß stehe, wisse er nicht, was er tue, man wisse allerdings nie, was ihm in seinem Wahn einfalle, der Mann gehöre in eine Anstalt" (ON 18).

Erst auf Grund der Aussagen der (Tat-)Zeugen Daniel S*****, Martin E***** und Thomas H***** vom 14.September 1994 (ON 26 ff) konnte - allerdings nur in bezug auf den Anzeigevorwurf nach § 107 Abs 1 und Abs 1 StGB - von einem Wegfall der Dringlichkeit des Tatverdachtes gesprochen werden. Zu dieser Zeit war die vorläufige Anhaltung des Helmut C***** jedoch bereits aufgehoben.

Die Behauptung, der Untersuchungsrichter wäre bereits am 1.September 1994 zur Anberaumung einer (ersichtlich gemeint: zur Vorverlegung der bereits für 6.September 1994 festgesetzten) Haftverhandlung verpflichtet gewesen, orientiert sich demnach nicht an der Aktenlage (siehe im übrigen auch ON 16).

Da von einer gesetzwidrigen Anordnung und Aufrechterhaltung der von Helmut C***** erlittenen strafgerichtlichen Anhaltung sohin nicht gesprochen werden kann, war spruchgemäß zu beschließen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte