OGH 3Ob555/95

OGH3Ob555/9531.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Manuel D*****, geboren 24.8.1987, vertreten durch die Mutter Ulrike D*****, ***** infolge außerordentlichen Rekurses des Vaters Reinhard D*****, ***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom 8.Juni 1995, GZ R 186/95-19, womit der Rekurs des Vaters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 18. April 1995, GZ P 53/93-16, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Dem Vater wurde der Beschluß des Erstgerichtes nicht an der von ihm bekanntgegebenen (ON 4) Anschrift ***** W*****, sondern unter der Anschrift ***** B***** zugestellt, wo er am 20.4.1995 von Cäcilia D***** übernommen wurde.

Das Rekursgericht wies - ausgehend von diesem Zustellungsdatum - den am 5.5.1995 zur Post gegebenen Rekurs als nach § 11 Abs 1 AußStrG verspätet zurück. Da das Kind bereits das Recht auf Bezahlung des ihm zuerkannten Sonderbedarfs erworben habe, könne auf den verspäteten Rekurs keine Rücksicht mehr genommen werden.

Das Rekursgericht sprach aus, daß gegen diese Entscheidung ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig sei, sondern nur der außerordentliche Revisionsrekurs. Der Revisionsrekurs sei nicht zuzulassen, weil weder die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Rekurses noch die verneinte Möglichkeit einer Ermessensausübung nach § 11 Abs 2 AußStrG eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG betreffe. Auch gegen Zurückweisungsbeschlüsse im außerstreitigen Verfahren sei der Revisionsrekurs nur unter den Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Rekurs des Vaters ist zulässig und berechtigt.

Das Rekursgericht ging von einer wirksamen Ersatzzustellung an den Beklagten aus. Diese Ansicht ist aus folgenden Überlegungen schon nach der Aktenlage unrichtig.

Die Abgabestelle ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers (§ 4 ZustG). Unter der Wohnung einer Person ist die Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt und wo er gewöhnlich nächtigt und sich aufhält. Kann eine Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle nicht zugestellt werden, so darf die Ersatzzustellung wie die Hinterlegung nur stattfinden, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Die Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (§ 16 Abs 5 ZustG).

Bei der Wohnung in B*****, ***** handelt es sich um keine Abgabestelle im Sinn des § 4 ZustG. Die dort bewirkte Ersatzzustellung ist nicht gültig, weil sich der Empfänger betriebsbedingt in ***** W*****, aufhält. Obwohl der Vater auf diesen Umstand auch im Rekurs ON 17 hinwies, ging das Rekursgericht ohne nähere Begründung von der Gültigkeit der Ersatzzustellung am 20.4.1995 aus. Anhaltspunkte dafür, daß der Vater - von kurzfristigen Abwesenheiten abgesehen - immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt (vgl RZ 1994/5; SZ 60/226 ua), liegen hier nicht vor. Somit ist davon auszugehen, daß die Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses nicht am 20.4.1995, sondern erst am 24.4.1995 durch Zukommen an den Vater nach seinen Angaben in ON 20 (dort offensichtlich irrtümlich 24.5.1995) erfolgt ist.

Somit ist der am 5.5.1995 zur Post gegebene Rekurs des Vaters rechtzeitig.

Das Rekursgericht wird über den Rekurs unter Abstandnahme von dem Zurückweisungsgrund zu entscheiden haben.

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