OGH 5Ob524/95

OGH5Ob524/9529.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Thomas Werner K*****, geboren am 25.August 1981, ***** vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (Jugendamt) als Unterhaltssachwalter infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 11.Jänner 1995, GZ 22 a R 400/94-48, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 6.Oktober 1994, GZ P 16/82-39, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden bezüglich der Entscheidung über das Sonderunterhaltsbegehren von S 1.540,- (Brillenkosten) und S 750,- (Klassenfahrt Lungau) aufgehoben.

Dem Erstgericht wird auch im Umfang dieser Aufhebung eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Der Vater des im Kopf dieser Entscheidung genannten Minderjährigen war zuletzt ab 1.4.1992 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.500,- verpflichtet (ON 17).

Der Minderjährige begehrt die Erhöhung der laufenden monatlichen Unterhaltsleistung seines Vaters ab 1.1.1994 auf S 3.370,- sowie die Zahlung von Sonderunterhalt in der Höhe von S 1.540,-

(Brillenkosten), S 750,- (Klassenfahrt in den Lungau) und S 2.010,-

(Schulschikurs 1993; ON 18).

Der unterhaltspflichtige Vater sprach sich gegen jedwede Unterhaltserhöhung aus.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater des Minderjährigen zur Leistung eines monatlichen Unterhaltes von S 2.800,- ab 1.1.1994 und wies das Mehrbegehren sowie das Begehren auf Zuspruch von Sonderunterhalt ab.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der nur für diesen Minderjährigen sorgepflichtigen Vater hat kein Vermögen. Er ist gelernter Orthopäde, übt diesen Beruf aber seit längerem nicht mehr aus. Derzeit sind nur zwei Stellen für Orthopäden in ganz Österreich frei. Als Orthopäde wäre der Vater nach den Erfahrungen des Arbeitsamtes nicht vermittelbar. In den vergangenen Jahren arbeitete der Vater als angelernter Edelsteinschleifer, später als Hilfsarbeiter, wo er zuletzt monatlich 24.700,- S (inklusive Zulagen, Diäten und Kilometergeld) verdiente. Vom 16.2.1993 bis 30.6.1993 bezog der Vater Arbeitslosengeld von monatlich S 11.607,-. Danach war er Angestellter bei der "Firma Mini-Shop, welche er mit Vertrag vom 3.11.1994 übernahm". Von der von ihm übernommenen Stammeinlage von S 400.000,- zahlte er S 200.000,- ein. Derzeit ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht, daß der Vater des Minderjährigen eine Vergütung oder einen Bezug aus der Mini-Shop Vertriebsgesellschaft mbH als deren Geschäftsführer bezieht. Der Vater ist 38 Jahre alt, gesund und arbeitsfähig. Im Raum Salzburg Stadt, Flachgau, sind derzeit ausreichend freie Stellen auch für unqualifizierte Arbeitskräfte frei. Als Hilfsarbeiter könnte er bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft monatlich S 12.000,- vierzehnmal jährlich verdienen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der unterhaltspflichtige Vater müsse sich auf ein erzielbares Einkommen von S 12.000,- pro Monat vierzehnmal jährlich anspannen lassen. 20 % Unterhalt davon würden die zugesprochenen S 2.800,- ergeben. Da hiedurch die Leistungsfähigkeit des Vaters zur Gänze ausgeschöpft werde, müsse das Mehrbegehren sowie das Begehren auf Sonderunterhalt, der auch nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit zu erbringen sei, abgewiesen werden.

Das Rekursgericht hob den in Ansehung des Zuspruches eines monatlichen Unterhaltes von S 2.800,- in Rechtskraft erwachsenen Beschluß des Erstgerichtes bezüglich der Abweisung eines monatlichen Unterhaltsmehrbegehrens von S 570,- sowie des begehrten Sonderunterhaltes von S 2.010,- (Schulschikurs 1993) auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Hingegen bestätigte es die Abweisung des Begehrens auf Sonderunterhalt von S 1.540,- (Brille) und S 750,-

(Klassenfahrt Lungau) und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs hinsichtlich dieses bestätigenden Teiles nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht hielt die Rechtssache bezüglich des Begehrens für monatlichen laufenden Unterhalt und für Sonderbedarf an Schulschikurskosten nicht für spruchreif, weil die Einkommensverhältnisse des Vaters insofern klärungsbedürftig seien, als er trotz des von ihm behaupteten niedrigeren Einkommens und des Mangels an Vermögen S 200.000,- für den Erwerb eines Gesellschaftsanteiles aufbringen konnte.

Das Begehren auf Zahlung von Sonderunterhalt für Brillen und Klassenfahrt in den Lungau sei jedoch spruchreif, weil es sich dabei unbeschadet der finanziellen Leistungsfähigkeit des Kindesvaters um keinen deckungspflichtigen Sonderbedarf handle.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei bezüglich des bestätigenden Teiles der Entscheidung nicht zulässig, weil im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG qualifizierte Rechtsfragen nicht zu entscheiden seien und diesbezüglich bereits einer Leitjudikatur des Obersten Gerichtshofes habe gefolgt werden können.

Gegen den bestätigenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen mit Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit in antragsstattgebendem Sinn abzuändern.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ein Sonderbedarf, der die Gesundheit betrifft, als neben dem laufenden Unterhalt deckungspflichtig angesehen wird (RZ 1991, 98/25 = EFSlg 61.849: Zahnregulierungskosten). Von diesem Grundsatz weichen die Entscheidungen der Vorinstanzen unter Hinweis auf die Rechtsprechung von Rekursgerichten ab. Brillenkosten werden aber zumindest zum Teil von der Krankenversicherung ersetzt. Ob und unter welchen Umständen dennoch ein Sonderbedarf gegeben sein kann, kann erst auf Grund ergänzender Feststellungen beurteilt werden.

Für die - Schulskikurskosten oder Kosten für eine Schullandwoche zunächst einmal vergleichbaren - Kosten einer Klassenfahrt (hier: in den Lungau) fehlt eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

b) Zum Aufhebungsbeschluß:

Zum laufenden Unterhaltsbedarf des Kindes kann im Einzelfall ein Sonderbedarf treten. Ob ein solcher von Unterhaltspflichtigen zu decken ist, hängt davon ab, wodurch dieser Sonderbedarf verursacht ist (EFSlg 61.849). Generell kann gesagt werden, daß solcher Sonder- oder Individualbedarf durch Momente der Außergewöhnlichkeit und Individualität bestimmt wird, also nicht einmal mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder anfällt (EFSlg 67.839), wobei ein die Gesundheit des Kindes betreffender Individualbedarf (im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen) deckungspflichtig ist (EFSlg 61.849, 67.838).

Die Gerichte zweiter Instanz lehnen die Anerkennung von Brillenkosten als Individualbedarf im allgemeinen mit der Begründung ab, daß diese Kosten ohnedies von der Sozialversicherung getragen würden (zB EFSlg 61.864), es sei denn, daß das Tragen einer "Krankenkassenbrille" wegen des damit verbundenen unvorteilhaften Aussehens dem Kind nicht zumutbar wäre (s EFSlg 35.325). Unzweifelhaft gehören die Kosten für die Anschaffung einer Brille zu den die Gesundheit betreffenden Kosten, die nicht alle oder doch nicht die Mehrzahl der Minderjährigen einer bestimmten Altersgruppe in gleicher Weise trifft. Ein solcher Bedarf wird daher nicht durch den auf die Befriedigung der generell bei den Minderjährigen einer bestimmten Altersklasse in gleiche Weise gegebenen Bedürfnissen abgestellten laufenden Unterhalt gedeckt. Es ist aber zu bedenken, daß seitens der Krankenversicherung zumindest ein Teil der Brillenkosten getragen wird. Es wird daher zu prüfen sein, in welchem Ausmaß die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten für die Brille des Minderjährigen übernimmt und wieweit dadurch die Kosten einer dem Minderjährigen zumutbaren Brille gedeckt wären. Nur der solcherart nicht gedeckte Betrag könnte dem Unterhaltspflichtigen als Sonderbedarf des Minderjährigen zur Last fallen. Zu diesem Tatsachenkomplex fehlen derzeit jedwede Feststellungen.

Schließlich gilt auch für die Brillenkosten als allfälliger Sonderbedarf des Minderjährigen, daß der unterhaltspflichtige Vater nur im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit herangezogen werden darf: es muß ihm ein zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse entsprechender Betrag verbleiben (EFSlg 61.850). Um dies beurteilen zu können, bedarf es noch der schon vom Rekursgericht in seinem Aufhebungsbeschluß für notwendig erachteten ergänzenden Feststellungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen.

Die Kosten der Klassenfahrt in den Lungau, die - nach ihrer Höhe zu schließen - über die zum gewöhnlichen Schulaufwand gehörenden Kosten eines Wandertages oder einer Exkursion hinausgehen, sind ihrem Charakter nach mit den Kosten einer Schullandwoche oder eines Schulskikurses durchaus zu vergleichen und könnten daher - wiederum abhängig von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und unter Berücksichtigung des hier doch unter dem Regelbedarf liegenden laufenden Unterhaltes - einen deckungspflichtigen Sonderbedarf darstellen. Auch diesbezüglich bedarf es daher ergänzender Feststellungen über Art und Umfang dieser Fahrt und über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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