OGH 2Ob586/94

OGH2Ob586/9424.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "P" *****AG, *****, vertreten durch Dr.Walter Prüfling, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "B*****-Ges.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29.Juni 1994, GZ 41 R 619/94-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9.März 1994, GZ 48 C 306/93v-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

9.900 (darin enthalten S 1.650 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtsanwalt Dr.Eugen W***** hat mit Vertrag vom 24.Februar 1986 von den Voreigentümern der Liegenschaft Wien 1., ***** das Bestandobjekt Top.Nr. 11, 12 und 12a für Wohn- und Geschäftszwecke zum 1.4.1986 gemietet. Er beabsichtigte, in diesen Räumlichkeiten seine Tätigkeit als Rechtsanwalt auszuüben.

Punkt X. des Mietvertrages lautet wie folgt:

"Der Mieter ist berechtigt, innerhalb einer Frist von fünf Jahren, vom Vertragsbeginn an gerechnet, den Vermietern einen Rechtsnachfolger in den Mietrechten mittels eingeschriebenen Briefes bekanntzugeben, dessen Eintritt die Vermieter zustimmen, sofern nicht gegen seine Person schwerwiegende Bedenken bestehen. Dieser tritt im Falle der Zustimmung mit den gleichen Rechten und Pflichten in den gegenständlichen Bestandvertrag ein."

Nach Punkt XI. des Vertrages wurde die Untervermietung oder sonstige entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung des Objektes nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Vermieters für zulässig erklärt. Da sich das Bestandobjekt zum Zeitpunkt der Anmietung im schlechten Zustand befand und größere Umbauarbeiten erforderlich waren, hatte Dr.W***** aus steuerlichen Gründen zunächst die Gründung einer Gesellschaft m.b.H. ins Auge gefaßt, die Mieterin des Objektes seien sollte, während die Räume von ihm als Rechtsanwalt benutzt werden sollten. Die Errichtung dieser Gesellschaft unterblieb zunächst aus finanziellen Erwägungen. Anläßlich des Mietvertragsabschlusses wurde von Dr.W***** mit dem damaligen Hausverwalter sowohl das Weitergaberecht wie auch das Recht zur Untervermietung des Objektes an Dr.W***** bei Weitergabe an eine Gesellschaft besprochen. Der Hausverwalter war mit der Weitergabe der Mietrechte an eine Gesellschaft und nachfolgender Untervermietung an Dr.W***** einverstanden.

Nach einem Eigentümerwechsel wurden dem nunmehrigen Hausverwalter zwar der strittige Mietvertrag übergeben; über den inhalt des Weitergaberechtes wurde nichts gesprochen. Dem Hausverwalter wurden auch keine Ergänzungen zum schriftlichen Mietvertrag übergeben. Auch der klagenden Partei wurde anläßlich des Erwerbes des Hauses von den Voreigentümern nichts darüber mitgeteilt, daß ein Weitergaberecht an eine Gesellschaft m.b.H. bzw ein Untervermietrecht besteht.

Ende 1990 gründete Dr.W***** die beklagte Partei; er ist deren Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer. Er ersuchte mit Schreiben vom 27.-2.1991 die klagende Partei um Zustimmung, die Mietrechte an die nun beklagte Partei weitergeben zu dürfen. Nach Ablehnung dieses Ansuchens teilte Dr.W***** mit Schreiben vom 8.3.1991 der Hausverwaltung die Weitergabe der Mietrechte an die beklagte Partei und deren Eintritt in den Mietvertrag mit. Die beklagte Partei befaßt sich mit der Vermietung (Leasing) von Immobilien und Mobilien und übt eine eigene Geschäftstätigkeit aus. Die Haupträume des Objektes werden von der beklagten Partei gemeinsam mit Dr.W***** als Untermieter benützt, der für die Benützung der Räume und für die Zurverfügungstellung weiterer Bürobetriebsmittel durch die beklagte Partei monatlich S 27.500 an diese zu bezahlen hat. Die beklagte Partei hatte im Kündigungszeitpunkt an die Klägerin einen Mietzins in der Höhe von S 18.635,89 zu entrichten.

Die klagende Partei begehrt die gerichtliche Aufkündigung dieses Bestandobjektes aus den Kündigungsgründen nach § 30 Abs 2 Z 4, erster und zweiter Fall, MRG, weil die beklagte Partei das Bestandobjekt zur Gänze durch Untervermietung zu einem unverhältnismäßig hohen Entgelt weitergegeben habe.

Das Erstgericht hob diese Aufkündigung auf.

Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt erörterte es rechtlich, daß die beklagte Partei aufgrund der bei Abschluß des Hauptmietvertrages mit Dr.W***** getroffenen Vereinbarung berechtigt sei, an Dr.W***** unterzuvermieten. Dieser Mietvertrag sei auf die beklagte Partei als Mieterin übergegangen. Die klagende Partei sei als Rechtsnachfolgerin des Liegenschaftseigentümers nach § 2 Abs 1 vorletzter Satz MRG an diese Vereinbarung gebunden.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Inhalt des Mietvertrages sei die vom Mieter aus steuerlichen Gründen angestrebte Konstruktion gewesen, wonach die Mietrechte einer erst zu gründenden Gesellschaft m.b.H. zustehen sollten, während Dr.W***** selbst das Objekt als Rechtsanwaltskanzlei nutze. Die Einräumung des Weitergaberechtes und die festgestellte Gestattung der folgenden Untervermietung an Dr.W***** sei eine technische Ausformung dieser steuersparenden Konstruktion. Dies bedeute keine generelle Untervermieterlaubnis für den jeweiligen Hauptmieter, wohl aber die Berechtigung zur Weitergabe der Benützungsmöglichkeit an den ursprünglichen Hauptmieter. Bei dieser Vereinbarung handle es sich nicht um eine Nebenabrede ungewöhnlichen Inhaltes. Der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG könne dann nicht verwirklicht werden, wenn der Untermieter nicht nur alleiniger Geschäftsführer, sondern auch Mehrheitsgesellschafter der Hauptmieterin sei. Die Höhe der gesellschaftsinternen Geldflüsse zwischen Gesellschaft und geschäftsführendem Gesellschafter könne nicht als die in dieser Bestimmung verpönte Verwertung des im Eigentum des Hauptvermieters stehende Mietobjektes gesehen werden. Bei dem finanziellen Ausgleich zwischen der Gesellschaft und ihrem Gesellschafter und Geschäftsführer stehe nicht die den Zuweisungsgehalt des Eigentumsrechtes widersprechende Verwertung des Mietobjektes zu Lasten des Liegenschaftseigentümers, sondern der aus steuerlichen oder auch als ganz anderen Gründen angestrebte finanzielle Ausgleich in der Gesellschaft im Vordergrund.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil für dessen Rechtsansicht, daß die wirtschaftliche Beteiligung des Untermieters an der Hauptmieterin den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG verhindere, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, hilfsweise Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt werde.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin wiederholt in ihrer Rechtsmittelschrift die Behauptung, die Einräumung eines befristeten Weitergaberechtes (auch) an eine juristische Person stelle eine Nebenabrede ungewöhnlichen Inhaltes im Sinne des § 2 Abs 1 dritter Satz MRG dar. Auf diese Ausführungen muß nicht weiter eingegangen werden, weil der streitgegenständliche Mietvertrag dem Obersten Gerichtshof bereits zur Entscheidung vorlag (6 Ob 1598/93) und die Befugnis zur Weitergabe der Mietrechte an eine juristische Person bei Vermietung für "Wohn- und Geschäftszwecke" jedenfalls bejaht wurde. Auch die Einräumung der Befugnis zur Untervermietung stellt keine Nebenabrede ungewöhnlichen Inhalts im Sinn des § 2 Abs 1 MRG dar (Würth in Rummel2 Rz 7 a zu § 2 MRG; MietSlg 38.269/22). Mit der vom Hausverwalter und Dr.W***** vereinbarten Konstruktion sollte Dr.W***** jedenfalls die Benützung der Räumlichkeiten unter Ausnützung steuertechnischer oder anderer finanzieller Vorteile ermöglicht werden. Bei Abschluß des Mietvertrages war die als die spätere Mieterin vorgesehene Gesellschaft m.b.H. rechtlich noch nicht existent. Um den von den Parteien angestrebten Zweck zu erreichen, mußte daher die Möglichkeit zur Weitergabe der Mietrechte auch an eine erst zu errichtende juristische Person vorgesehen werden. Erst durch diese Vorgangsweise konnte der von vornherein vorgesehene Zweck der Benützung der Räumlichkeiten durch Dr.W***** erreicht werden.

In diesem Zusammenhang ist auch das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung zur Untervermietung laut Punkt XI. des Mietvertrages zu sehen. War von vornherein beabsichtigt, daß Dr.W***** als Untermieter einer von ihm erst zu errichtenden juristischen Person auftreten sollte, kann diese Bestimmung nur dahin ausgelegt werden, daß die Untervermietung an am Vertrag nicht beteiligte Dritte der schriftlichen Zustimmung des Vermieters bedurfte, nicht aber auch die bereits bei Vertragsabschluß vorgesehene Untervermietung an den ursprünglichen Mieter, der von Anfang an als Benützer des Bestandobjektes vorgesehen war.

In der Sache selbst teilt der erkennende Senat die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, wonach es auf die Höhe des vom Untermieter bezahlten Entgeltes an den Mieter dann nicht ankommt, wenn die Weitergabe des Mietobjektes an den tatsächlich wirtschaftlich an der Hauptmieterin beteiligten Untermieter erfolgt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes liegt die nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG verpönte Weitergabe des Mietgegenstandes nur dann vor, wenn die selbständige Verwertung des Bestandrechtes im Vordergrund steht (SZ 41/96). Das Vorliegen des ersten Falles der in dieser Gesetzesstelle enthaltenen Kündigungstatbestände (gänzliche Weitergabe des Bestandobjektes) wird nach der Rechtsprechung dann verneint, wenn der Mieter an dem im Bestandobjekt geführten Unternehmen wirtschaftlich beteiligt bleibt (MietSlg 39.436, 38.454, 31.394, 29.339; 1 Ob 690/88, 7 Ob 666/89; vgl Würth in Rummel2 Rz 23 zu § 30 MRG). Auch die Untervermietung und Weitergabe eines Bestandobjektes an einen tatsächlich wirtschaftlich am Hauptmieter beteiligten Untermieter verfolgt nicht den Zweck, die Bestandrechte selbständig mit übermäßigem Gewinn zu verwerten (vgl SZ 22/72), sondern dient - wie hier - der Erlangung in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigender steuerlicher Vorteile. Da der ursprüngliche Mieter an der nunmehr als Mieterin auftretenden Gesellschaft m.b.H. als Mehrheitsgesellschaft beteiligt und auch als Geschäftsführer vertretungsberechtigt ist, können die Geldflüsse zwischen diesen den Tatbestand der Untervermietung gegen übermäßiges Entgelt nicht darstellen, weil diese jedenfalls nicht zur selbständigen Verwertung der Bestandrechte dienen. Die von den Parteien gewählte Konstruktion entsprach jedenfalls von Anfang an dem Willen der Beteiligten. Da sie auch nicht als ungewöhnlich anzusehen ist, ist die klagende Partei als Erwerberin der Liegenschaft daran gebunden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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