OGH 14Os93/95

OGH14Os93/958.8.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Pesendorfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Vahid M***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 29.November 1994, GZ 28 Vr 1.594/94-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, und des Verteidigers Dr.Hartenau, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Vahid M***** der Verbrechen der versuchten Unzucht mit Unmündigen nach den §§ 15, 207 Abs 1 StGB (1.), der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2.), der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15 Abs 1, 201 Abs 2 StGB sowie des damit idealkonkurrierenden versuchten Beischlafes mit Unmündigen nach den §§ 15 Abs 1, 206 Abs 1 StGB (3.) und des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15 Abs 1, 201 Abs 2, Abs 3 erster Fall StGB (4.) schuldig erkannt.

Darnach hat er

1. im Sommer 1993 dadurch, daß er der am 12.März 1980 geborenen, somit unmündigen Wioletta B***** auf einer Autofahrt von Wien nach Linz die Hand auf ihren Oberschenkel legte, den Reißverschluß ihrer Hose zu öffnen versuchte, seinen Penis aus der Hose holte, sie aufforderte, ihn in die Hand zu nehmen und versuchte, ihr die Bluse auszuziehen, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen versucht;

2. die Genannte durch die Äußerung "Falls Du das irgendjemandem erzählst, bringe ich Dich um", sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zur Unterlassung einer Anzeige genötigt;

3. in Linz versucht, die im Punkt 1. genannte Unmündige dadurch, daß er sie in seinen PKW zerrte, die Beifahrertür verriegelte, den Beifahrersitz umlegte, sie mit beiden Händen gegen ihren Sitz drückte, sich auf sie legte und sie mit beiden Händen am Hals festhielt, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes zu nötigen und zugleich mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf zu unternehmen;

4. am 28.Juli 1994 auf der Autobahn bei Linz außer dem Fall des Absatzes 1 (zu ergänzen: des § 201 StGB) Safeta C***** durch Entziehung der persönlichen Freiheit, nämlich dadurch, daß er sie aus seinem PKW nicht mehr aussteigen ließ, sondern mit ca 50 bis 70 km/h weiterfuhr, wobei er äußerte "Ich habe es schon lange geplant gehabt. Die Minute ist jetzt gekommen. Ich werde jetzt dorthin fahren, wo es mir paßt. Ich werde dich vergewaltigen", zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich zahlreiche Abschürfungen am Körper, verbunden mit einer mehr als 24-tägigen Gesundheitsschädigung, zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die (nur) gegen die Punkte 1., 3. und 4. des Schuldspruches gerichtete, auf die Z 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b), mit welcher der Angeklagte in den Schuldspruchfakten 1. und 3. (Sittlichkeitsdelikte zum Nachteil der damals 13-jährigen Wioletta B*****) jeweils die rechtsirrige Nichtannahme des Strafaufhebungsgrundes des freiwilligen Rücktrittes vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) releviert, wird nicht dem Gesetz gemäß dargestellt. Denn mit seiner Behauptung, trotz der Weigerung (Punkt 1.) bzw der Gegenwehr (Punkt 3.) der Unmündigen sei ihm eine Vollendung dieser Delikte noch immer möglich gewesen, doch habe er hievon aus eigenem Antrieb und ausschließlich aufgrund eigener Erwägungen (wenn auch durch das Verhalten des Mädchens veranlaßt) abgesehen, setzt sich der Angeklagte über die anderslautenden Urteilsfeststellungen hinweg, von denen bei Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes aber auszugehen ist. Darnach sind die vom Angeklagten angestrebten Unzuchtshandlungen mit der Unmündigen (Punkt 1.) lediglich infolge der entschiedenen (bzw entschlossenen) Weigerung unterblieben (US 10, 18) und ist die (zeitlich hievon getrennte, wenn auch noch während derselben PKW-Fahrt versuchte) Vergewaltigung der Unmündigen gleichfalls an der (hier auch tätlichen) Gegenwehr des Mädchens gescheitert (US 11).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) hinwieder, der vom Erstgericht zu Punkt 4. festgestellte Sachverhalt sei mangels Ausführungsnähe kein Versuch im Sinn des § 15 StGB, weshalb der Angeklagte von diesem Anklagevorwurf entweder überhaupt freizusprechen (sachlich Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a) oder zumindest im Sinn der rechtlichen Beurteilung in der Anklageschrift (ON 19) nur des Vergehens der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs 1 StGB schuldig zu erkennen gewesen wäre, erweist sich als unbegründet.

Denn das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 StGB - das in der Fassung vor der StG-Novelle 1989 noch als "notwendigerweise zweiaktiges Delikt" konzipiert war - ist ein Delikt mit bloß teilbarer Ausführungshandlung (vgl zu dieser Art der Einteilung der Deliktstypen ua Leukauf-Steininger Komm3 § 17 RN 16), weil seine Tathandlung aus zwei (oder mehreren) Teilakten besteht, die zeitlich zusammenfallen können, aber nicht notwendigerweise müssen. Das Verbrechen der Vergewaltigung setzt zur Tatvollendung nämlich voraus, daß es einerseits zum Einsatz der dort genannten Nötigungsmittel (Gewalt und gefährliche Drohung; im hier vorliegenden Fall des Absatzes 2 auch die Entziehung der persönlichen Freiheit) und andererseits zum hiedurch erzwungenen Unternehmen des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung gekommen ist.

Wie bei zweiaktigen Delikten (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 15 RN 12) liegt auch bei einem Delikt mit teilbarer Ausführungshandlung strafbarer Versuch aber schon dann vor, wenn das Täterverhalten ausführungsnah in bezug auf den ersten Deliktakt ist. Umsomehr liegt Versuch vor, wenn der Täter bereits Ausführungshandlungen im Sinn des ersten Deliktsaktes gesetzt hat, vorausgesetzt er war willens, auch die zweite Handlung vorzunehmen. Bei Zutreffen der zuletzt genannten subjektiven Voraussetzung liegt daher im Fall des § 201 StGB eine bereits mit dem Einsatz eines der Nötigungsmittel begonnene Tatausführung und damit Versuch vor (Leukauf-Steininger aaO § 201 RN 24). Das Erstgericht hat aber gerade diese, die Annahme strafbaren Versuches der Vergewaltigung rechtfertigenden Feststellungen getroffen, indem es dem Angeklagten anlastete, sein Opfer Safeta C***** unter dem Vorwand, sie nach Hause zu bringen, in sein Auto gelockt und ihr dann aber dadurch, daß er auf die Autobahn auffuhr und trotz ihrer eindringlichen Bitten, sie aussteigen zu lassen, seinen PKW nicht anhielt, die persönliche Freiheit entzogen zu haben (Nötigungsmittel nach § 201 Abs 2 StGB, erster Teilakt der versuchten Vergewaltigung), wobei er "von allem Anfang an den festen Vorsatz hatte, mit Safeta C***** entgegen ihrem erwarteten bzw erklärten Willen und Widerstand einen (außerehelichen) Geschlechtsverkehr durchzuführen" (Vorsatz zur Vornahme des zweiten Teilaktes der Vergewaltigung; vgl US 6). Sein Vorhaben konnte der Angeklagte nur deshalb nicht vollenden, weil das Opfer aus dem fahrenden PKW sprang (US 19).

Da der Angeklagte somit bereits das Nötigungsmittel der Entziehung der persönlichen Freiheit (§ 201 Abs 2 StGB) mit dem Vorsatz eingesetzt hat, hiedurch sein Opfer zur Duldung des Beischlafes gegen dessen Willen zu nötigen, ist dieses Verhalten des Angeklagten rechtlich bereits als strafbarer Vergewaltigungsversuch und nicht bloß als straflose Vorbereitungshandlung oder als Vergehen der Freiheitsentziehung zu werten.

Die zum Teil unbegründete, zum Teil nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 (Abs 1), 201 Abs 3 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.

Dabei wertete es das Zusammentreffen von vier (richtig: fünf) Verbrechen als erschwerend; als mildernd berücksichtigte es das teilweise Geständnis, daß es bei den Delikten gegen die Sittlichkeit beim Versuch geblieben ist und die "bisherige Unbescholtenheit" des Vahid M*****.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte - ohne zusätzliche Milderungsgründe zu reklamieren - die Herabsetzung sowie die bedingte Nachsicht der gesamten Freiheitsstrafe oder "zumindest" eines Teiles derselben anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht wog die Strafzumessungsgründe keinesfalls zum Nachteil des Berufungswerbers. Zur begehrten Reduzierung der Strafe besteht daher kein Anlaß.

Wegen der Wiederholung von - sowohl zum Nachteil einer unmündigen als auch einer erwachsenen Person weiblichen Geschlechtes begangenen - Verbrechen gegen die Sittlichkeit (zuletzt nur wenige Tage nach einer Verurteilung durch das Bezirksgericht Linz) mangelt es an der hohen Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens, weshalb auch die bedingte Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe zu Recht verweigert wurde (§ 43 a Abs 4 StGB).

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

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