OGH 10ObS127/95(10ObS128/95)

OGH10ObS127/95(10ObS128/95)20.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Steinbauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Pipin Henzl und Dr.Heinz Paul (aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter E*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Josef List, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revisionsrekurses und Revision der klagenden Partei gegen den Beschluß und das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.März 1995, GZ 8 Rs 122/94-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.Mai 1994, GZ 31 Cgs 189/93p-15, zu 31 Cgs 92/94 als nichtig aufgehoben und zu 31 Cgs 189/93p bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß (Punkt 1 der Entscheidung des Berufungsgerichtes) wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten;

und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision (gegen Punkt 2. der Entscheidung des Berufungsgerichtes) wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Revisionswerber selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 16.9.1993 wurde dem Kläger ab 1.4.1992 die Erwerbsunfähigkeitspension zuerkannt. Die Gewährung einer Ausgleichszulage wurde abgelehnt. Mit dem weiteren Bescheid vom 7.4.1994 wurde ausgesprochen, daß das mit Bescheid vom 16.9.1993 abgeschlossene Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen werde. Dem Kläger wurde neuerlich die Erwerbsunfähigkeitspension in einem höheren Ausmaß zuerkannt. Wiederholt wurde der Ausspruch, daß dem Kläger kein Anspruch auf Ausgleichszulage zustehe.

Zu 31 Cgs 189/93 des Erstgerichtes bekämpft der Kläger den Bescheid vom 16.9.1993 mit Klage und beantragt, ihm ab 1.4.1992 eine Ausgleichszulage in Höhe der Differenz zwischen anrechenbaren Einkünften und dem Richtsatz in gesetzlicher Höhe zu bezahlen. Gegen den Bescheid vom 7.4.1994 erhob er zu 31 Cgs 92/94 Klage mit dem Begehren, ihm ab 1.4.1992 eine Ausgleichszulage in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung der zuerkannten Erwerbsunfähigkeitspension, einem Einkommen aus Betriebsaufgabe und sonstiger anrechenbarer Einkünfte zu bezahlen.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren in den verbundenen Rechtssachen ab.

Schon wegen der gemäß § 142 Abs 1 BSVG anrechenbaren Unterhaltsansprüche gegen die bloß getrennt lebende Ehegattin bei aufrechter Ehe in Höhe von S 5.556,20 werde unter Berücksichtigung seiner Erwerbsunfähigkeitspension der Ausgleichszulagenrichtsatz überschritten. Der im Jahr 1981 zwischen den Ehegatten vereinbarte Unterhaltsverzicht des Klägers sei gegenüber dem Sozialversicherungsträger unwirksam.

Das Gericht der zweiten Instanz hob aus Anlaß der Berufung das zu 31 Cgs 92/94 ergangene Urteil erster Instanz und das ihm zugrundeliegende Verfahren als nichtig auf und wies die gegen den Bescheid vom 7.4.1994 erhobene Klage wegen Streitanhängigkeit zurück. Im übrigen gab es der Berufung gegen die zu 31 Cgs 189/93 erfolgte Abweisung des gegen den Bescheid vom 16.9.1993 erhobenen Klagebegehrens nicht Folge.

Die zu 31 Cgs 92/94 erhobenen Klage sei mit dem bereits gerichtsanhängigen Verfahren 31 Cgs 189/93 ident und begründe eine auch in höherer Instanz wahrzunehmende Nichtigkeit. Im übrigen sei der zwischen den Ehegatten vereinbarte Unterhaltsverzicht des Klägers gegenüber dem Sozialversicherungsträger nicht beachtlich und hindere die Pauschalanrechnung des Unterhaltsanspruches des Klägers nach § 142 BSVG nicht.

Rechtliche Beurteilung

Das einheitlich als Revision bezeichnete inhaltlich aber auch einen Rekurs gegen den die Klage zurückweisenden Beschluß des Berufungsgerichtes darstellende Rechtsmittel ist berechtigt. Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Das Wesen der sukzessiven Kompetenz der Gerichte in Leistungssachen besteht darin, daß gemäß § 71 Abs 1 ASGG durch die rechtzeitige Einbringung der Klage der Bescheid des Versicherungsträgers im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft tritt. Dabei ist das Ausmaß des Außerkrafttretens verhältnismäßig weit anzunehmen. Bei Erhebung der Klage wird daher nur jener Teil des Bescheides rechtskräftig, der sich inhaltlich vom angefochtenen Teil trennen läßt (SSV-NF 1/18, 1/60, 2/42, 10 Ob S 137/90 ua). Dies trifft hier nur auf den in beiden Bescheiden inhaltlich von der Ausgleichszulage getrennten Teil des Spruches, mit dem die Erwerbsunfähigkeitspension zuerkannt wurde, zu.

Der beklagte Versicherungsträger hat während des durch die erste Klage gegen seinen die Ausgleichszulage ablehnenden Bescheid vom 16.9.1993 eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens den weiteren, ebenfalls die Ausgleichszulage ablehnenden Bescheid vom 7.4.1994 erlassen, gegen den ebenfalls im Sinne der richtigen Rechtsbelehrung im Bescheid zur Außerkraftsetzung nach § 71 Abs 1 ASGG Klage erhoben wurde. Durch die rechtzeitige zweite Klage trat damit auch der weitere Bescheid im Umfang des Klagebegehrens auf Ausgleichszulage außer Kraft. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates ist die zweite Klage aber nicht wegen Streitanhängigkeit zurückzuweisen (SSV-NF 4/152; 10 Ob S 137/90). Infolge der über einen Anspruch erlassenen verschiedenen Bescheide kann von einer (völligen) Identität des Anspruches nicht gesprochen werden.

Aus § 71 Abs 5 ASGG ist abzuleiten, daß im über die zweite Klage eingeleiteten Verfahren selbst die Rechtskraft einer denselben Anspruch betreffenden früher gefällten gerichtlichen Entscheidung nicht zu berücksichtigen ist, daß also eine solche frühere Entscheidung für den im zweiten Verfahren zu entscheidenden Anspruch des Klägers nicht mehr maßgeblich ist. Ein aufgrund der gegen den ersten Bescheid gerichteten ersten Klage ergangenes Urteil wäre daher für den Anspruch des Klägers insoweit ohne Bedeutung, als darüber im zweiten Bescheid entschieden wurde. Mit der Erlassung des zweiten Bescheides verliert der Kläger sein Rechtschutzinteresse an der gerichtlichen Entscheidung über seinen Anspruch auch im darüber noch anhängigen ersten Verfahren. Damit ist aber die Abweisung der ersten Klage durch die Vorinstanzen im Ergebnis richtig (SSV-NF 4/152).

Es ist allerdings nicht erforderlich, zu den Ausführungen des Revisionswerbers zur Frage des Unterhaltsverzichtes Stellung zu nehmen. Da das Berufungsgericht über die Berufung (im verbundenen Verfahren 31 Cgs 92/94) nicht meritorisch, sondern formell im Sinne einer Nichtigerklärung und Zurückweisung der Klage entschieden hat, kann der Oberste Gerichtshof über den berechtigten Rekurs nur dem Berufungsgericht die meritorische Entscheidung über die Berufung im Verfahren 31 Cgs 92/94 des Erstgerichtes auftragen, nicht aber selbst in der Sache entscheiden (SSV-NF 5/36).

Im Hinblick auf die vorliegende Rechtsprechung sind aber auch die Voraussetzungen des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG nicht gegeben, sodaß der Kläger seine Revisionskosten selbst zu tragen hat.

Der Kostenvorbehalt im Rekursverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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