OGH 7Ob575/95

OGH7Ob575/9514.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Österreich AG, ***** vertreten durch Dr.Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dominique L*****, vertreten durch Dr.Andreas Grohs und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen FF 1,200.000 s.A. (S 2,496.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 6.April 1994, GZ 12 R 7/94-19, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21.Oktober 1993, GZ 12 Cg 64/93g-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 26.764,20 (darin S 4.460 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Partei nimmt den in Paris wohnhaften Beklagten aus einem Darlehensvertrag in Anspruch. Zur Zuständigkeit des zunächst angerufenen Handelsgerichtes Wien berief sie sich auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes sowie auf eine Gerichtsstandsvereinbarung. Der Beklagte sei Kaufmann.

Der Beklagte erhob die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der sachlichen Unzuständigkeit. Er habe in Wien weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthaltsorts, noch stehe er in einer sonstigen Beziehung zu Österreich. Eine Rechtsverfolgung in Frankreich sei für die klagende Partei weder unmöglich noch unzumutbar. Dem Beklagten komme Kaufmannseigenschaft nicht zu. In Wahrheit sei die Klage gegen einen Privaten gerichtet. Eine Gerichtsstandsvereinbarung sei nicht wirksam zustande gekommen. Zwar habe der Beklagte ein Dokument unterfertigt, in dem sich unter "Sonstige Bedingungen" ohne nähere Bezeichnung und ohne Hervorhebung folgender Passus befinde: "Über alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Kreditvertrag und den darin erwähnten Sicherungsvereinbarungen entscheidet das für den ersten Gemeindebezirk in Wien sachlich zuständige Gericht", doch sei diese Textstelle dem Beklagten gegenüber unwirksam. Zum einen sei die vorgesehene Mitverpflichtung eines Dritten für den Kredit unterblieben, zum anderen widerspreche die Gerichtsstandsvereinbarung den §§ 864 a und 879 Abs 3 ABGB. In keinem Fall könne die Gerichtsstandsvereinbarung als ausdrückliche Unterwerfung des Beklagten unter die inländische Gerichtsbarkeit gewertet werden, sodaß auch die Voraussetzungen des Art 11 Z 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik vom 15.7.1966 BGBl 1967/288 für die Zuständigkeit des angeblich vereinbarten Gerichtes nicht vorlägen.

Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen. Der Beklagte sei sehr wohl Kaufmann. Es komme der Klägerin jedoch nicht darauf an, ob der Prozeß vor dem Handelsgericht Wien oder vor dem Landesgericht für ZRS Wien abgeführt werde, weshalb sie sich der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit unterwerfe und die Überweisung an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für ZRS Wien beantrage.

Das Handelsgericht Wien sprach seine Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache an das Landesgericht für ZRS Wien.

Das Landesgericht für ZRS Wien wies die Klage zurück und erkannte die Klägerin schuldig, dem Beklagten Kosten von S 54.372 zu ersetzen. Es ging davon aus, daß die Zuständigkeitsvereinbarung mangels hinreichender Bestimmtheit nicht den in Art 11 Z 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik, BGBl 1967/288, enthaltenen Voraussetzungen entspreche. Ein Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien würde in Frankreich weder anerkannt noch vollstreckt werden, sodaß das Landesgericht für ZRS Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache nicht berufen sei.

Das Rekursgericht verwarf in Abänderung der erstrichterlichen Entscheidung die Einrede der Unzuständigkeit. Es müsse nicht geprüft werden, ob eine vom Erstgericht gefällte Entscheidung in Frankreich anerkannt und vollstreckt werde, weil die inländische Gerichtsbarkeit hievon nicht abhänge. Diese sei nach der herrschenden Indikationentheorie zu beurteilen. Nach dieser liege sie vor, wenn ein gesetzlicher Tatbestand der örtlichen Zuständigkeit erfüllt sei und eine ausreichende Inlandsbeziehung bestehe. Beides sei hier zu bejahen. Als Zuständigkeitstatbestände seien jene des § 88 Abs 1 und des § 104 JN geltend gemacht worden, die Inlandsbeziehung folge aus dem Sitz der klagenden Partei in Verbindung mit der vereinbarten Erfüllung des Vertrages in Österreich. Für den allein maßgeblichen inländischen Rechtsbereich könne der Gerichtsstandsvereinbarung Beachtlichkeit nicht aberkannt werden. Eine Vereinbarung nach § 104 JN müsse hinsichtlich des gewählten Gerichtes nicht bestimmt, sondern nur eindeutig bestimmbar sein. Dieser Voraussetzung genüge die hier getroffene Vereinbarung, weil in ihr die örtliche Zuständigkeit bestimmt festgelegt werde. Die örtliche Zuständigkeit folge zudem aus der vereinbarten Erfüllung des der Klage zugrundeliegenden Vertrages in Wien. Weil sich die Zuständigkeit des Erstgerichtes auch auf § 88 Abs 1 JN gründen lasse, könne dahingestellt bleiben, ob die Regelungen der §§ 864 a und 879 Abs 3 ABGB auf die Gerichtsstandsvereinbarung mit dem Beklagten überhaupt anwendbar seien, bejahendenfalls, ob der Sachverhalt diesen Bestimmungen zu unterstellen wäre. Der Beklagte habe nach den konkreten Umständen des Falles mit dem Verlangen der klagenden Partei nach einem Gerichtsstand in Wien rechnen müssen und sei durch einen solchen auch nicht gröblich benachteiligt.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil Rechtsfragen von besonderer Bedeutung nicht zu lösen seien.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil jüngere Rechtsprechung zur Frage der Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertrag, dessen Gültigkeit bestritten wurde, nicht besteht. Er ist aber nicht berechtigt.

Unter inländischer Gerichtsbarkeit wird die Entscheidungsbefugnis österreichischer Gerichte über im Inland anhängig gemachte Rechtssachen verstanden. Nach der nunmehr herrschenden, von einem Großteil der Lehre gebilligten Rechtsprechung besteht die inländische Gerichtsbarkeit für alle Zivilrechtssachen, die durch positiv-gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland, zum Beispiel einen inländischen Gerichtsstand, vor die österreichischen Gerichte, verwiesen sind (vgl Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 4 zu § 28 JN). Im vorliegenden Fall ist das Bestehen einer ausreichenden Inlandsbeziehung zu bejahen, macht doch ein österreichisches Kreditunternehmen Ansprüche aus einem im Inland zu erfüllenden, allerdings einem Ausländer gewährten Kredit geltend.

Die klagende Partei hat sich zur Begründung der Zuständigkeit eines österreichischen Gerichtes auf den Erfüllungsgerichtsstand nach § 88 Abs 1 JN und auf eine im Vertrag enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN berufen. Die von einem Ausländer in Österreich geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung in Vermögensstreitigkeiten wird als mögliche Unterwerfung unter die inländische Gerichtsbarkeit anerkannt (Schoibl, Zum Abschluß von Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-österreichischen Rechtsverkehr, BeitrZPO IV, 121, 155 mwN).

Diese Zuständigkeitsvereinbarung stellt nach herrschender Meinung eine außerhalb des Prozesses geschlossene Prozeßhandlung dar, die bezüglich ihrer Wirksamkeit ausschließlich nach den Regeln des österreichischen Zivilverfahrensrechtes zu beurteilen ist (Mayr in Rechberger Rz 1 zu § 104 JN). Zu ihrer Auslegung sind daher nicht die materiellrechtlichen Vorschriften über die Auslegung von Verträgen heranzuziehen; die Gerichtsstandsvereinbarung darf nicht unter Heranziehung von Beweisen, die über den Wortlaut der Urkunde hinausgehen, etwa durch eine Zeugen- oder Parteieneinvernahme, beurteilt werden (ZfRV 1993/69). Sie teilt nicht das Schicksal der materiellrechtlichen Hauptvereinbarung und bleibt unabhängig davon bestehen, ob die Hauptvereinbarung bestritten, ihr Bestand überhaupt verneint oder ihre Auflösung begehrt wird (Mayr in Rechberger aa0).

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, daß die Unterfertigung der die Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden Urkunde durch den Beklagten ausdrücklich zugestanden wurde. Die Ungültigkeit des gesamten Vertrages und daraus folgend auch der Gerichtsstandsvereinbarung wurde lediglich deshalb behauptet, weil die vorgesehene Unterfertigung des Vertrages durch einen Mitschuldner unterblieben sei. Abgesehen davon, daß die klagende Partei auf das Erfordernis einer weiteren Sicherheit verzichten konnte, wird dadurch die Gültigkeit der geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung nicht berührt. Soweit sich der Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung des § 864 a ABGB beruft, ist dadurch für ihn ebenfalls nichts gewonnen. Die hier zu beurteiltende Gerichtsstandsvereinbarung findet sich unter dem Abschnitt "Sonstige Bedingungen", unter welchem sie auch erwartet werden kann. Darüberhinaus muß bei internationalen Geschäften ein Vertragspartner durchaus damit rechnen, daß in den Verträgen die Vereinbarung eines Erfüllungsortes, des Gerichtsstandes und auch des anzuwendenden Rechtes, wie hier, erfolgt.

Das Rekursgericht hat daher die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zu Recht verworfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte