OGH 6Ob1594/95

OGH6Ob1594/9513.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Renate W*****, vertreten durch Dr.Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wider den Antragsgegner Erich W*****, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach §§ 81 ff EheG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau als Rekursgerichtes vom 6.März 1995, AZ 2 R 264/94 (ON 11), sowie über den Antrag der Antragstellerin auf Innehaltung des Verfahrens (ON 17) in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der Antrag der Antragstellerin auf Innehaltung des Aufteilungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens C 7/95 des Bezirksgerichtes Kirchberg am Wagram wird zurückgewiesen.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

Text

Begründung

Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Erstgerichtes vom 15.10.1993 geschieden. Das Verschulden an der Ehezerrüttung trifft beide Eheleute zu gleichen Teilen. Sie hatten vor dieser Scheidung aus Verschulden beabsichtigt, sich einvernehmlich scheiden zu lassen und am 4.8.1992 vor dem Erstgericht einen Vergleich über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse abgeschlossen. Dieser Vergleich wurde auch erfüllt.

Seit ihrem zweiten Lebensjahr ist die Frau taubstumm, kann aber lesen und schreiben. Sie stellte am 18.4.1994 einen Antrag nach den §§ 81 ff EheG und beantragte, das im bücherlichen Eigentum des Antragsgegners befindliche Einfamilienhaus (samt Einrichtungsgegenständen und Geräten), in dem sich die ehemalige Ehewohnung befand, dem Antragsgegner zuzuweisen, ihn aber zu einer Ausgleichszahlung von S 1 Mill. zu verpflichten. Die Antragstellerin benötige zur Anschaffung einer eigenen Wohnung die begehrte Ausgleichszahlung. Den am 4.8.1992 abgeschlossenen Vergleich habe sie wegen ihrer Taubheit und Sprachbehinderung nicht verstanden. Der Antragsgegner habe ihren Irrtum veranlaßt. Der Vergleich widerspreche auch den guten Sitten.

Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag mit der wesentlichen Begründung ab, daß die Parteien mit dem Vergleich vom 4.8.1992 eine abschließende Regelung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse vereinbart hätten. Da die taubstumme Frau des Lesens und des Schreibens kundig sei, seien keine Formvorschriften verletzt worden (§ 1 Abs.1 lit.e NZwG).

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin nicht statt. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Wirksamkeit des Vergleichs vom 4.8.1992. Dieser sei von der Antragstellerin bisher nicht wegen Irrtums oder Irreführung in einem streitigen Verfahren angefochten worden. Eine solche Anfechtung könne nur im streitigen Verfahren erfolgen. Mangels Einbringung einer Klage sei mit dem außerstreitigen Aufteilungsverfahren auch nicht innezuhalten gewesen. Der abgeschlossene Vergleich sei nicht sittenwidrig. Die verfahrensrechtliche Postulationsunfähigkeit der Antragstellerin hindere nicht die materielle Wirksamkeit des Vergleichs. Sie sei geschäftsfähig gewesen, habe den schriftlichen Vergleichstext durchgelesen und verstanden. Eine besondere Formvorschrift sei nicht einzuhalten gewesen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Antragstellerin die Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichtes dahin, daß die Entscheidung des Erstgerichtes zur Verfahrensergänzung aufgehoben werde. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Innehaltung des Aufteilungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens C 7/95 des Bezirksgerichtes Kirchberg am Wagram gestellt. Die Antragstellerin habe den Vergleich wegen Irreführung mit einer beim Erstgericht zur genannten Aktenzahl eingebrachten Klage angefochten. Diesen Innehaltungsantrag wies das Erstgericht mit Beschluß vom 28.3.1995 zurück (ON 13). Dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragstellerin gab das Rekursgericht nicht statt. Es bestätigte den angefochtenen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Innehaltungsantrag statt zurück- abgewiesen wurde (ON 16). Dieser Beschluß erwuchs in Rechtskraft.

Mit dem am 8.5.1995 beim Erstgericht eingelangten, an den Obersten Gerichtshof gerichteten Antrag, begehrt die Antragstellerin neuerlich die Innehaltung des Aufteilungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens C 7/95 des Bezirksgerichtes Kirchberg am Wagram.

Rechtliche Beurteilung

Der Innehaltungsantrag vom 8.5.1995 ist unzulässig.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist ebenfalls unzulässig.

Zum Innehaltungsantrag ist auszuführen, daß im außerstreitigen Verfahren zwar keine Unterbrechung des Verfahrens wegen eines präjudiziellen anderen Verfahrens vorgesehen ist und die Regelung des § 190 ZPO mangels gesetzlicher Übernahmsbestimmungen nicht unmittelbar anwendbar ist. Trotzdem wird nach ständiger Rechtsprechung die Innehaltung eines außerstreitigen Verfahrens für zulässig erachtet, wenn über eine Vorfrage in einem anderen Verfahren zu entscheiden ist (MGA Verfahren außer Streitsachen2 § 2/16; EvBl 1982/105). Dem neuerlich gestellten Innehaltungsantrag, der auf keinen neuen Sachverhalt gestützt wird, sondern nur wieder die Einleitung eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit des Vergleichs releviert, steht aber die Rechtskraft der abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen (ne bis in idem) entgegen. Der Innehaltungsantrag war daher zurückzuweisen.

Zur Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses verweist die Rekurswerberin nur auf ihre im Scheidungsverfahren hervorgekommene Postulationsunfähigkeit und vertritt auf diesen Umstand gestützt die Ansicht, daß die Verhandlungsfähigkeit "unabdingbare Voraussetzung für die materiell rechtliche Wirksamkeit des in der Tagsatzung abgeschlossenen Scheidungsvergleiches" sei.

Die Postulationsunfähigkeit eines Taubstummen resultiert daraus, daß er nicht in der Lage ist, in einer mündlichen Verhandlung seine Interessen zu wahren. Der erkennende Senat hat deshalb in seiner im Scheidungsverfahren ergangenen Entscheidung vom 13.5.1993 (6 Ob 539/93) den mündlich erklärten Rechtsmittelverzicht der Frau als nicht wirksam erklärt, ausdrücklich aber die Frage offengelassen, ob der für den Fall der rechtskräftigen Scheidung geschlossene Vergleich von der Frau materiell wirksam abgeschlossen werden konnte. Diese Wirksamkeit ist entgegen der Auffassung der Rekurswerberin zu bejahen, weil das körperliche Hindernis, einer mündlichen Verhandlung folgen zu können, keineswegs ausschließt, daß die taubstumme Frau einen ihr vorliegenden Vertragstext liest, versteht und dann unterschreibt und damit genehmigt. Der Revisionsrekurs zeigt keine Umstände auf, warum in einem solchen Fall Zweifel an der Gechäftsfähigkeit der Antragstellerin bestehen sollten. Da die rechtlichen Erwägungen des Rekursgerichtes zutreffen und auf die zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gestützt werden konnten, ist der Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs.1 AußStrG unzulässig.

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