OGH 8ObA274/95

OGH8ObA274/9513.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie der fachkundigen Laienrichter Ministerialrat Dr.Edith Söllner und Paul Binder als Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Albert S*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer, Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** GmbH, ***** vertreten durch Braunegg, Hofmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 630.897,44 S brutto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.April 1995, GZ 7 Ra 41/95-18, womit der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25.Oktober 1994, GZ 3 Cga 6/94m-14, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Zahlung von restlichem Entgelt, Urlaubsentschädigung und Abfertigung mit dem Vorbringen, er sei angestellter Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer von der beklagten Partei mit Abtretungsvertrag vom 28.10.1993 erworbenen GmbH gewesen; sein über die Abtretung hinaus fortbestehendes Arbeitsverhältnis sei einvernehmlich zum 31.12.1993 aufgelöst worden.

Die beklagte Partei erhob die Prozeßeinrede der sachlichen Unzuständigkeit bzw der Unzulässigkeit des Rechtsweges; in dem Abtretungsvertrag sei die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes vereinbart worden.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges zurück, wobei es von dem bescheinigten Sachverhalt Seite 2 bis 4 (AS 79 bis 83) ausging. Auf dessen Grundlage sei der Kläger als Alleingesellschafter der GmbH, deren Geschäftsanteile (vollständig) abgetreten wurden, nicht als deren Arbeitnehmer zu qualifizieren. Lediglich aus steuerrechtlichen Gründen sei ein "Scheinarbeitsverhältnis" vorgetäuscht worden, um von einem Teil des Abtretungsentgeltes den festen Steuersatz in Anspruch nehmen zu können. Zufolge der Schiedsvereinbarung sei der ordentliche Rechtsweg unzulässig.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Klägers zurück und verpflichtete den Kläger zum Ersatz der Kosten der Rekursbeantwortung. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig und führte aus: § 45 JN sei auch im Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten und dem Arbeits- und Sozialgericht Wien anzuwenden. Maßgeblich sei, welches Gericht im Falle der Unzuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien zu entscheiden hätte. Ohne Schiedsgerichtsvereinbarung kämen das Handelsgericht Wien oder das Landesgericht für ZRS Wien in Betracht. Da beide ihren Sitz in Wien haben, sei die angefochtene Entscheidung in jedem Fall unanfechtbar. Durch den Schiedsvertrag werde die (heilbare) sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes begründet. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die Unzulässigkeit des Rekurses strittig sei; weiters fehle eine Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 45 JN zwischen einem Schiedsgericht und dem Arbeits- und Sozialgericht.

Gegen den rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen abzuändern und die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien auszusprechen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Über das Rechtsmittel hat der erkennende Senat unter Beiziehung von fachkundigen Laienrichtern zu entscheiden; § 11 a ASGG ist wegen der noch vor dem 1.1.1995 ergangenen Entscheidung des Erstgerichtes nicht anwendbar (Art X § 2 Z 3 ASGG-Nov 1994).

Zur Anwendbarkeit des § 45 JN im Verhältnis zwischen dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und einem Schiedsgericht fehlt eine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Eine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung begründet, wie das Rekursgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, das Prozeßhindernis der prorogablen Unzuständigkeit (Rechberger in Rechberger ZPO Rz 15 zu § 577 mwN). Ausgehend von dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt war der Kläger bis 31.12.1993 weder als Arbeitnehmer noch als arbeitnehmerähnliche Person tätig, sodaß gemäß den §§ 50, 51 Abs 1 und 3 ASGG in Verbindung mit § 9 Abs 2 ASGG die Schiedsgerichtsvereinbarung, auch wenn sie nicht nur für eine bereits entstandene Streitigkeit geschlossen wurde, wirksam ist. Die vom Erstgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen kann der Kläger im Rekursverfahren nicht erfolgreich bekämpfen (Kodek in Rechberger ZPO, Rz 4 zu § 526). Da die aus den getroffenen Feststellungen gezogenen rechtlichen Folgerungen richtig sind (§ 916 ABGB), ist das Rechtsverhältnis nach der wahren Beschaffenheit, nämlich als Abtretung von GmbH-Anteilen in Verbindung mit einem nur aus steuerrechtlichen Gründen vorgetäuschten Arbeitsverhältnis zu beurteilen.

Auf Zuständigkeitsentscheidungen, die das Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten - gemäß § 2 Abs 1 ASGG sind die Arbeits- und Sozialgerichte ordentliche Gerichte - und Schiedsgerichten betreffen, ist § 45 JN nicht anwendbar (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 45 JN mwN; Klicka, Zur Anfechtbarkeit von Entscheidungen über die Zuständigkeit eines privaten Schiedsgerichtes, RZ 1986, 235), weil Schiedsgerichte nicht dem funktionellen Begriff eines Gerichtes entsprechen. Daher hätte das Rekursgericht in der Sache selbst entscheiden müssen. Sein Zurückweisungsbeschluß war demgemäß aufzuheben und ihm die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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