Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 17.Jänner 1994 wurde der betreibenden Partei zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 1,000.000,-- sA die Zwangsversteigerung der im Alleineigentum der verpflichteten Partei stehenden Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** D***** bewilligt. Unter den auf der zu versteigernden Liegenschaft haftenden bücherlichen Lasten besteht nachstehende Rangordnung:
1. Pfandrecht der betreibenden Partei C-LNR 19a für die Forderung von
S 12,000.000,-- sA,
2. Pfandrecht der betreibenden Partei C-LNR 20a für den Höchstbetrag von S 2,400.000,--,
3. Pfandrecht des Wohnbaufonds für das Land Vorarlberg C-LNR 21a für die Forderung von S 200.000,-- sA,
4. Pfandrecht der betreibenden Partei C-LNR 22a für den Höchstbetrag von S 2,400.000,--,
5. Wohnungsrecht C-LNR 18a für drei Personen, wobei die Berechtigten den angeführten Pfandgläubigern den Vorrang eingeräumt haben.
Da die von der betreibenden Partei vorgelegten Versteigerungsbedingungen (ON 14) insofern von den gesetzlichen Bedingungen im Sinne des § 150 Abs.1 EO abwichen, als die genannten Wohnungsrechte vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot übernommen werden sollten, wurde vom Erstgericht für den 21.12.1994 eine Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen (§ 162 Abs.1 EO) anberaumt, zu der unter anderem die Vertreter der betreibenden und der verpflichteten Partei sowie die drei Wohnungsberechtigten geladen wurden. In dieser Tagsatzung, zu der lediglich zwei der drei Wohnungsberechtigten erschienen waren, gab der Vertreter der betreibenden Partei die Erklärung ab, daß laut Vorschlag unter Punkt 3. der vorgelegten Versteigerungsbedingungen die Wohnungsrechte ohne Anrechnung auf das Meistbot übernommen werden sollten. Aus dem Verhandlungsprotokoll ist eine von den anwesenden Wohnungsberechtigten hiezu abgegebene Erklärung nicht zu entnehmen. Es geht daraus aber hervor, daß "entsprechend" der wiedergegebenen Erklärung der betreibenden Partei die "Festlegung ... zum Schätzwert, zum Vadium bzw zum geringsten Gebot" innerhalb der beiden Varianten mit jenen Beträgen erfolgte, die für den Fall ermittelt wurden, daß die Wohnungsrechte ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sind. Mit Schriftsatz vom 30.1.1995, beim Erstgericht eingelangt am 1. Februar 1995, erklärte die betreibende Partei, daß sie ihren - in der Tagsatzung vom 21.12.1994 wiederholten - Antrag, die Versteigerungsbedingungen abweichend von den gesetzlichen Bedingungen festzusetzen, hiermit zurückziehe, sodaß das Erstgericht die Versteigerungsbedingungen in Ansehung der Wohnungsrechte nunmehr dergestalt festzusetzen hätte, als diese vom Ersteher nur insoferne zu übernehmen wären, als sie nach der ihnen aufgrund der Vorrangseinräumung zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung fänden. Die betreibende Partei brachte weiters vor, daß sich die neuerliche Anberaumung einer Tagsatzung im Sinne des § 162 Abs.1 EO erübrige, weil nunmehr ja ohnehin eine dem Gesetz entsprechende Feststellung der Versteigerungsbedingungen Platz zu greifen hätte. Hilfsweise werde beantragt, die Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen "wiederzueröffnen", in eventu zog die betreibende Partei die vorgelegten Versteigerungsbedingungen zur Gänze zurück.
Mit Beschluß vom 14.2.1995 hat das Erstgericht die beiden Zurückziehungsanträge sowie den Antrag der betreibenden Partei, die Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen wiederzueröffnen, unter dessen Punkt 1. zurückgewiesen und unter Punkt 2. die vorgeschlagenen Versteigerungsbedingungen mit der Maßgabe genehmigt, daß
a) die unter C-LNR.18a einverleibten Wohnungsrechte vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sind;
b) der Schätzwert samt Zubehör S 13,016.000,-- beträgt;
c) das Vadium S 1,301.600,-- beträgt;
d) das geringste Gebot S 6,508.000,-- beträgt.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß der von der betreibenden Partei gestellte Antrag inhaltlich eine zulässige Abweichung von den im § 150 Abs.1 EO festgesetzten gesetzlichen Versteigerungsbedingungen enthalte, welcher weder von der verpflichteten Partei noch von den in der Tagsatzung vom 21.12.1994 anwesenden Wohnungsberechtigten entgegengetreten worden sei. Da sohin die Wohnungsberechtigten gemäß § 150 Abs.1 EO als zustimmend zu dieser Abänderung zu behandeln seien und die Zulässigkeit der Versteigerungsbedingungen auch nicht am Gesetz scheitere, wären diese in dem von den Normativbedingungen abweichenden Sinn festzusetzen gewesen, weil die Wohnungsberechtigten aus dem ursprünglichen (abweichenden) Vorschlag unmittelbare Rechte erworben hätten. Aus diesem Grund helfe es der betreibenden Partei auch nichts, daß sie ihren Antrag auf Feststellung der von den Normativbedingungen abweichenden Versteigerungsbedingungen bzw. in eventu der Versteigerungsbedingungen überhaupt noch vor einer förmlichen Beschlußfassung zurückgezogen hätte.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Prozeßhandlungen, zu welchen ohne Zweifel die Vorlage bzw. der Vorschlag von Versteigerungsbedingungen durch die betreibende Partei im Exekutionsverfahren gehörten, seien in der Regel einseitig durch den Erklärenden widerrufbar, solange sie noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung geworden sind oder der Gegner (hier: die Wohnungsberechtigten) daraus unmittelbar Rechte erlangt haben; für letzteres fände sich allerdings keinerlei gesetzliche Grundlage, wenn man ins Kalkül ziehe, daß der hier gegenständlichen Prozeßhandlung (abweichender Vorschlag von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen) nach der Intention des Gesetzgebers in den dafür maßgeblichen Bestimmungen der §§ 150, 162 und 163 EO nicht die Wirkung eines privatrechtlichen Anbotes zugedacht worden sei. Der Zurückziehung der von den Normativbedingungen abweichenden Versteigerungsbedingungen durch die betreibende Partei vor Beschlußfassung durch das Erstgericht hätte sich daher kein rechtliches Hindernis entgegengestellt. Das Erstgericht müsse deshalb über die geänderten, nunmehr dem Gesetz entsprechenden Versteigerungsbedingungen entscheiden.
Das Rekursgericht sprach weiters aus, daß gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs.1 ZPO der "Revisionsrekurs" zulässig sei, weil zur Frage, ob die betreibende Partei nach einer Verhandlung gemäß § 162 EO Versteigerungsbedingungen zum Nachteil der durch die ursprünglichen Bedingungen begünstigten Dienstbarkeitsberechtigten zurückziehen kann, eine Rechtsprechung fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der von der verpflichteten Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Durch die von der betreibenden Partei vorgelegten Versteigerungsbedingungen unter anderem des Inhalts, daß - abweichend vom § 150 Abs.1 EO und damit von den Normativbedingungen - die Wohnungsrechte vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen wären, stellte diese einen auf die Gestaltung der Modalitäten des Verkaufs des Versteigerungsobjektes durch das Gericht abzielenden Antrag. Der Antrag, der mündlich in der Tagsatzung vom 21.12.1994 wiederholt wurde, ist eine Prozeßhandlung. Die im Schriftsatz vom 30.1.1995 enthaltene Erklärung, den Antrag auf abweichende Festlegung der Versteigerungsbedingungen zurückzuziehen, stellt sich prozeßrechtlich als Änderung der Prozeßhandlung dar. Prozeßhandlungen können zwar einseitig durch den Erklärenden geändert, ergänzt oder widerrufen werden; dies jedoch nur, solange die Prozeßhandlung noch nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung geworden ist oder der Gegner daraus unmittelbar Rechte erlangt hat oder das Gesetz sie ausdrücklich für unwiderruflich erklärt (Fasching ZPR2 Rz 763; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 455; vgl auch Ballon, ZPR4 97; Holzhammer, ZPR2 152 und PraktZPR4 178; RZ 1990/14).
Ein gesetzliches Verbot des Widerrufs kommt nicht in Betracht. Die Wohnungsberechtigten konnten durch die Prozeßhandlung der betreibenden Partei aber auch nicht unmittelbar ein Recht erwerben. Durch den Antrag auf Feststellung der Versteigerungsbedingungen sollte nämlich nicht ohne weiteres eine Rechtslage geschaffen, sondern es sollte damit eine Handlung des Gerichtes veranlaßt werden, es war also eine "Erwirkungshandlung" (vgl Fasching, ZPR2, Rz 751 f; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 449). Die Zustimmung der Wohnungsberechtigten zum Antrag der betreibenden Partei hatte nur für die Entscheidung des Gerichtes Bedeutung; nur diese konnte auf ihre Rechtsstellung einen Einfluß haben, nicht aber schon die Prozeßhandlung selbst. In diesem Punkt unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall von dem der Entscheidung RZ 1990/14 zugrundeliegenden, weil damals über die Bedingungen für die Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft gemäß § 352 EO zu entscheiden war und hiefür in erster Linie die Einigung der Parteien maßgebend ist (RdW 1994, 11; RPflE 1992/145; JBl 1986, 722 ua).
Wesentlich ist also, ob über die Versteigerungsbedingungen schon entschieden worden war, als die betreibende Partei ihren Antrag änderte. Dies war jedoch entgegen der im Rekurs vertretenen Meinung zumindest in dem hier maßgebenden Punkt nicht der Fall. Abgesehen davon, daß es zweifelhaft ist, ob das Erstgericht mit der dem Tagsatzungsprotokoll zu entnehmenden "Festlegung" tatsächlich schon einen Beschluß über die Festsetzung der Versteigerungsbedingungen erlassen wollte, hätte ein solcher Beschluß jedenfalls noch nicht den hier allein maßgebenden Punkt, welche Lasten ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sind (§ 146 Z 3 EO), zum Gegenstand gehabt. Hierüber wurde jedenfalls erst mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 14.2.1995 entschieden. Da die betreibende Partei den Inhalt der von ihr vorgeschlagenen Versteigerungsbedingungen noch vor diesem Zeitpunkte änderte, geschah dies noch rechtzeitig und somit auch wirksam. Diese Änderung macht auch eine neue Entscheidung über das Vadium und das geringste Gebot notwendig.
Dem Rekurs mußte daher der Erfolg versagt bleiben.
Der Ausspruch über die Rekurskosten beruht auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO.
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