OGH 4Ob548/95

OGH4Ob548/9511.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Michael Johannes G*****, geboren am 8.März 1981, in Obsorge der Mutter Margit G*****, diese vertreten durch Dr.Roland Piccolruaz und Dr.Stefan Müller, Rechtsanwälte in Bludenz, wegen Enthebung des besonderen Sachwalters Dr.Hans W*****, und Bestellung von Bernd F*****, und Dr.Roland P*****, als besondere Sachwalter des Minderjährigen sowie Entlohnung des Sachwalters Dr.Hans W*****, infolge Revisionsrekurses der Kindesmutter und des Dr.Roland P***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 4.Mai 1995, GZ 1 R 239/95-197, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bludenz vom 5. April 1995, GZ P 183/83-184, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der mj. Michael Johannes G*****, geboren am *****, ist ein uneheliches Kind der Margit G***** und des am 12.9.1983 verstorbenen Thomas Julius H*****. Die Obsorge kommt der Mutter zu. Der Minderjährige ist Eigentümer und Miteigentümer mehrerer Liegenschaften. Er hält einen Kommanditanteil an der G***** GmbH & Co in B***** (in der Folge: G*****) mit einem Kapitalanteil von 1,2485 % und einem Nominale von S 553.612. Bis 1993 war der Minderjährige auch Kommanditist der ***** F***** & Comp. in B***** mit einem Kapitalanteil von 1,6667 % und einem Nominale von S 134.400. Nunmehr ist er Aktionär der F***** Aktiengesellschaft (in der Folge: F*****-AG). Der Minderjährige besitzt 21.653 Aktien zum Nominale von S 100. Er verfügt über mehrere Konten, insbesondere ein Kontokorrentkonto G***** und ein Kontokorrentkonto F*****. Der Minderjährige bezieht eine Waisenpension.

Das Vermögen des Minderjährigen wurde ursprünglich von seiner Mutter und deren mittlerweile verstorbenem Bruder Martin G***** verwaltet. 1993 war G***** in Liquidätitsschwierigkeiten. G***** war daran interessiert, seinen Anteil von 51 % an der ***** F***** & Comp. zu verkaufen. Um die Rechte des Minderjährigen zu wahren, wurde im Einverständnis mit der Kindesmutter Dr.Hans W*****, zum besonderen Sachwalter für den Minderjährigen mit dem Auftrag bestellt, die Kommanditbeteiligungen zu verwalten.

Die Beteiligung von G***** an der *****F***** & Comp. wurde nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, an Dritte verkauft, sondern von den verbliebenen Gesellschaftern der *****F***** & Comp. erworben. Die Kommanditisten konnten sich entweder abschichten lassen oder im Unternehmen verbleiben. Dr.Hans W***** entschied sich mit Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes für einen Verbleib des Minderjährigen im Unternehmen und für einen Erwerb von weiteren 16 Anteilen zu den schon bestehenden 168 Anteilen hinzu. In der Folge wurden die Anteile der Kommanditisten in die neu gegründete F***** AG eingebracht. Der Minderjährige erhielt, wie die anderen bisherigen Gesellschafter, vinkulierte Namensaktien.

Am 11.11.1994 verzeichnete Dr.Hans W***** für seine Leistungen nach dem RAT insgesamt S 347.379,20. Er beantragte, seine Kosten mit einem angemessenen Pauschalbetrag zuzüglich Barauslagen und Umsatzsteuer zu bestimmen.

Am 20.1.1995 beantragte der durch seine Mutter vertretene Minderjährige (ua), Dr.Hans W***** als Sachwalter zu entheben und Dr.Roland P*****, zum besonderen Sachwalter zu bestellen, damit dieser überprüfe, ob und inwieweit Amtshaftungsansprüche und Schadenersatzansprüche gegen den Sachwalter geltend gemacht werden können.

Dr.Hans W***** sprach sicht nicht gegen seine Enthebung aus.

Das Erstgericht enthob Dr.Hans W***** seiner Funktion, bestellte Dr.Roland P***** zum besonderen Sachwalter zur Verwaltung des Aktienpaketes des Minderjährigen sowie zur Durchsetzung allfälliger Ansprüche auf Herausgabe von Aktien gegenüber Direktor Mag.Erich M***** und ermächtigte ihn, einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Börsen- und Bankwesens zur Prüfung der Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit einer allfälligen Veräußerung des Aktienpaketes und anderweitigen Veranlagung beizuziehen. Zur Verwaltung des beweglichen und unbeweglichen weiteren Vermögens bestellte das Erstgericht Bernd F***** zum besonderen Sachwalter. Die Entlohnung von Dr.Hans W***** wurde mit dem Pauschalbetrag von S 150.000 zuzüglich Umsatzsteuer und Barauslagen bestimmt. Mit den übrigen Anträgen verwies das Erstgericht die Kindesmutter auf diese Entscheidung.

Die Kindesmutter habe selbst erklärt, daß sie nicht in der Lage sei, das Vermögen des Minderjährigen zu verwalten. Die von ihr genannten Personen seien entsprechend qualifiziert und besäßen ihr Vertrauen. Dr.Hans W***** habe eine sehr umfangreiche und für den Minderjährigen verdienstvolle Tätigkeit entfaltet. Sein Honorar sei nach billigem Ermessen zu bestimmen. Mit der Pauschalsumme von S 150.000 sei die Tätigkeit des besonderen Sachwalters angemessen abgegolten.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Kindesmutter, des Dr.Roland P***** und des Bernd F***** gegen den Beschluß, mit dem die Kosten des besonderen Sachwalters Dr.Hans W***** bestimmt wurden, zurück; im übrigen gab es dem Rekurs teilweise Folge. Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es Dr.Roland P***** und Bernd F***** zu besonderen Sachwaltern zu Verwaltung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens des Minderjährigen bestellte. Bernd F***** wurde mit der Verwaltung des gesamten Vermögens betraut, soweit nicht einzelne Aufgaben Dr.Roland P***** übertragen wurden, wie die Durchsetzung allfälliger Ansprüche des Minderjährigen auf Herausgabe von Aktien gegenüber Direktor Mag.Erich M*****, die Vertretung in den Aktionärsversammlungen sowie die Verwaltung des G*****-Kommanditanteiles. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des Rekurses jedenfalls unzulässig sei; im übrigen sei der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig.

Die neu bestellten Sachwalter seien bis zur Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses im Verfahren zur Festsetzung der Entlohnung des bisherigen besonderen Sachwalters nicht rekursberechtigt. Die Kindesmutter trete nicht als gesetzliche Vertreterin des Minderjährigen auf und sei daher auch nicht legitimiert, den Kostenbestimmungsbeschluß zu bekämpfen.

Es sei zweckmäßig, Bernd F***** mit der Verwaltung des gesamten beweglichen und unbeweglichen Vermögens des Minderjährigens zu betrauen und Dr.Roland P***** nur für jene Bereiche zum besonderen Sachwalter zu bestellen, in denen die Wahrung der Interessen des Minderjährigen die Sachkenntnis eines Rechtsanwaltes erfordere.

Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen bestehe kein Anlaß, Dr.Roland P***** zum besonderen Sachwalter für die Prüfung zu bestellen, ob die Tätigkeit des früheren Sachwalters Dr.Hans W***** für den Minderjährigen schädlich war. Die Beibehaltung der bisherigen Beteiligung des Minderjährigen an F***** und die Aufstockung dieser Beteilung im Zuge der Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft und der Abschichtung einzelner Gesellschafter von G***** sei nach den damals vorliegenden Informationen vom damaligen besonderen Sachwalter und vom Pflegschaftsgericht als für den Minderjährigen wirtschaftlich vorteilhaft angesehen worden. Mit der Beteiligung an einem Unternehmen sei naturgemäß ein Risiko wie auch die Möglichkeit eines Vorteiles verbunden. Insoweit sei in der Position des Minderjährigen, abgesehen von der Aufstockung seiner Beteiligung um 16 KG-Anteile aus wirtschaftlicher Sicht eine Änderung nur dahin eingetreten, daß er für die mit Sacheinlagevertrag vom 27.10.1993 eingebrachten 184 KG-Anteile 21.654 vinkulierte Namensaktien erhalten habe. Die Verjährung allfälliger Schadenersatzansprüche sei solange gehemmt, solange die besondere Sachwalterschaft geführt werde. Im Hinblick auf die vom Erstgericht genehmigten Vertretungshandlungen des bisherigen Sachwalters bestehe derzeit kein Anlaß, Dr.Roland P***** mit der Überprüfung der Tätigkeit von Dr.Hans W***** zu betrauen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Dr.Roland P***** ist unzulässig; jener der hier offenbar als gesetzliche Vertreterin des Minderjährigen auftretenden Kindesmutter ist verspätet.

1. Zum Revisionsrekurs des Dr.Roland P*****:

Nach § 9 Abs 1 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtmsittels ist daher ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre; der in seinen Rechten Verletzte ist zugleich Beteiligter des Verfahrens (SZ 50/41 = JBl 1977, 496). Derjenige, wessen rechtlich anerkannte Interssen durch eine Entscheidung nicht berührt werden, hat keine Rechtsmittellegitimation (RZ 1984/40; s auch KOG ÖBl 1990, 234; KOG ÖBl 1990, 237). Nicht zum Rekurs berechtigt ist daher derjenige, dessen Antrag, zum Kurator bestellt zu werden, abgewiesen wird (JBl 1959, 291).

Dr.Roland P***** strebt eine Bestellung zum besonderen Sachwalter für die Prüfung allfälliger Schadenersatzansprüche des Minderjährigen an. Auf eine solche Bestellung steht ihm kein Rechtsanspruch zu; die Ablehnung seiner Bestellung läßt seine Rechtssphäre demnach unberührt, so daß er auch nicht legimitiert ist, den abweisenden Beschluß zu bekämpfen.

2. Zum Revisionsrekurs der Kindesmutter:

Der angefochtene Beschluß wurde der Kindesmutter am 24.5.1995, dem besonderen Sachwalter Dr.Roland P***** am 26.5.1995 zugestellt. Der von beiden am 8.6.1995 überreichte Revisionsrekurs ist als Rechtsmittel der Kindesmutter verspätet.

Gemäß § 11 Abs 2 AußStrG bleibt es aber dem Ermessen des Gerichtes überlassen, auch nach verstrichener Frist auf Vorstellungen und Beschwerden in denjenigen Fällen Rücksicht zu nehmen, in denen sich die Verfügung noch ohne Nachteil eines Dritten abändern läßt. Diese Voraussetzung wäre im vorliegenden Fall erfüllt. Aus der Abweisung des Antrages, einen besonderen Sachwalter zur Prüfung allfälliger Amtshaftungs- und Schadenersatzansprüche zu bestellen, ist noch niemandem ein Recht erwachsen.

Das Ermessen, ein verspätetes Rechtsmittel zuzulassen, kann jedoch nur ausgeübt werden, wenn dieser auch sachlich gerechtfertigt wäre (EFSlg 37.270 ua). Daran fehlt es im vorliegenden Fall:

Die Kindesmutter fürchtet, daß dem Minderjährigen durch die vom Pflegschaftsgericht genehmigten Verfügungen des besonderen Sachwalters über den Kommanditanteil des Minderjährigen an der ***** F***** & Comp. ein Schaden erwachsen ist. Allfällige Amtshaftungs- und Schadenersatzansprüche wären durch Klage geltend zu machen; der Minderjährige kann nur klagen, wenn das Pflegschaftsgericht die Erhebung der Klage genehmigt (§ 166; § 154 Abs 3 ABGB). Vor Erteilung der Prozeßermächtigung hat das Pflegschaftsgericht die Erfolgsaussichten des angestrebten Prozesses zu beurteilen. Der Außerstreitrichter ist verpflichtet, sich über den für die Prozeßführung bedeutsamen Sachverhalt einen Überblick zu verschaffen, soweit dies mit den Mitteln des außerstreitigen Verfahrens möglich ist. Für die Entscheidung, ob geklagt werden soll, ist vor allem das Wohl des Kindes bestimmend (EFSlg 51.231).

Ist die Kindesmutter daher der Auffassung, daß dem Minderjährigen ein Schaden entstanden ist, den der besondere Sachwalter und/oder das Pflegschaftsgericht zu vertreten haben, dann hat sie die Möglichkeit, die Erteilung der Prozeßermächtigung zu beantragen. Vor der Entscheidung über diesen Antrag hat der Außerstreitrichter (jener Richter, der die Verfügungen genehmigt hat, wird allenfalls wegen Befangenheit ausgeschlossen sein) die Prozeßchancen zu prüfen. Bei komplexer Sach- und Rechtslage hat das Gericht allenfalls einen Sachverständigen zu vernehmen, um sich den notwendigen Überblick zu verschaffen. Jene Prüfung, welche die Kindesmutter anstrebt, hat demnach ohnedies das Pflegschaftsgericht vorzunehmen, so daß es der Bestellung eines besonderen Sachwalters nicht bedarf.

Der Antrag, Dr.Roland P***** als besonderen Sachwalter für die Prüfung von Amtshaftungs- und Schadenersatzansprüchen zu bestellen, ist daher sachlich nicht gerechtfertigt. Das schließt die sachliche Erledigung des verspäteten Rechtsmittels aus, so daß der Revisionsrekurs wegen Verspätung zurückzuweisen war.

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