OGH 6Ob586/95

OGH6Ob586/9529.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Emanuel B*****, geboren am 2.Juli 1990, vertreten durch seine Mutter Beate B*****, diese vertreten durch Dr.Ernst Chalupsky und andere Rechtsanwälte in Wels, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr.Karl St*****, vertreten durch Dr.Manfred Korn, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 12.April 1995, AZ 21 R 129/95(ON 10), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Lambach vom 28.Februar 1995, GZ P 83/94-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die Beschlüsse der Vorinstanzen werden, soweit ein Unterhalt von mehr als S 3.000,-

monatlich ab 1.12.1994 zuerkannt wurde, aufgehoben und die Pflegschaftssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Vater ist selbständiger Psychotherapeut mit einer Praxis in S*****. Er hat am 30.7.1990 die Vaterschaft zu dem außerehelich geborenen Emanuel B***** anerkannt und sich am 18.6.1991 vor der Bezirkshauptmannschaft *****, Abteilung Jugendwohlfahrt, zur Leistung eines Unterhaltes von monatlich S 2.750,- verpflichtet. Zur Rubrik "Durchschschnittliches Nettoeinkommen" im Protokollformular ist ausgeführt: "S 70.000,- laut Steuerbescheid aus 1990" und zu den Sorgepflichten: "Ein Kind aus erster Ehe, 1983 geboren und für geschiedene Ehefrau".

Zuletzt zahlte der Vater ohne formelle Erhöhung S 3.000,- an Unterhalt.

Am 30.11.1994 beantragte die obsorgeberechtigte Mutter für den Minderjährigen, den Unterhalt ab 1.12.1994 mit S 4.000,- festzusetzen und den Vater zur Zahlung von Sonderbedarf in Höhe von S 8.167,80 (Kosten für ärztliche Behandlung und eine Brille) sowie von S 700,-

monatlich für Kindergartenkosten zu verpflichten.

Anläßlich seiner Befragung durch das Erstgericht erklärte sich der Vater nicht bereit, einen höheren Betrag als S 3.000,- zu zahlen. Er verdiene monatlich S 15.000,- netto im Durchschnitt und sei für seinen am 29.3.1983 geborenen weiteren Sohn aus erster Ehe sorgepflichtig. Der begehrte Sonderbedarf sei durch die laufenden Unterhaltszahlungen abzudecken. Nach Vorlage der Steuererklärungen für die Jahre 1992 bis 1994, in welchen sich auf Grund einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung einkommensteuerpflichtige Jahresgewinne von S 62.762,21 für 1992, von S 95.507,39 für 1993 und von S 123.363,85 für 1994 ergeben, verpflichtete das Erstgericht den Vater beginnend ab 1.12.1994 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 4.000,- und wies das Mehrbegehren auf zusätzliche Zahlungen von Sonderbedarf und Kindergartenkosten ab.

Es führte aus, der Regelbedarf für Kinder bis zu 6 Jahren betrage zwar lediglich S 2.370,-, die Unterhaltserhöhung sei aber gerechtfertigt, weil seit der letzten Unterhaltsbemessung (gemeint wohl der Vergleich vom 18.6.1991) 4 Jahre vergangen und in dieser Zeit die Bedürfnisse und Lebenshaltungskosten wesentlich gestiegen seien. Die über den Durchschnittsbedarf hinausgehende Alimentierung finde Deckung in den Verdienstmöglichkeiten des Vaters, zumal dieser durch seine akademische Ausbildung seinem Sohn sicher mehr als nur "Durchschnitt" bieten könne. Der begehrte Sonderbedarf hingegen sei nicht zuzuerkennen, weil er durch die monatlichen Unterhaltsbeiträge in angemessener Zeit abgedeckt werden könne.

Das Rekursgericht gab den vom Minderjährigen hinsichtlich des Sonderbedarfes und vom Vater im Zuspruch eines über S 3.000,-

hinausgehenden monatlichen Unterhaltes erhobenen Rekursen keine Folge.

Zwar könnten vorgelegte Einkommensteuererklärungen nicht ausreichen, die Einkommensverhältnisse eines Unterhaltsschuldners verläßlich zu beurteilen, da zum einen die Vollständigkeit solcher Erklärungen nicht gewährleistet und zum anderen oft erst ein Steuerfachmann beurteilen könne, inwieweit die in der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung enthaltenen Abzugsposten auch unter spezifisch unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten berechtigt das Einkommen verminderten. Eine Anspannung, um unter Verletzung des im Außerstreitverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung zu umgehen, komme nicht in Betracht. Die Neubemessung eines durch Vergleich geregelten Unterhaltes dürfe aber nicht völlig losgelöst von dieser Regelung erfolgen. Sie habe vielmehr unter Bedachtnahme auf die durch den Vergleichsabschluß zum Ausdruck gekommene Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze durch die Parteien zu erfolgen. Da kein Anhaltspunkt dafür bestehe, daß die seinerzeit gewählte Relation zum Einkommen des Vaters der Unterhaltsleistung nur für einen bestimmten Zeitraum bestehen sollte, sei diese Relation auch für die Zukunft nicht völlig unbeachtlich. Der Vater habe sich bei einem jährlichen Nettoeinkommen von S 70.000,- zu einer Unterhaltsleistung von S 2.750,- verpflichtet. Nach Abzug der Einkommenssteuer laut Tarif vom in der Steuererklärung ausgewiesenen Gewinn für 1994 ergebe sich ein Nettoeinkommen von S 107.223,-, was einer Steigerung gegenüber 1990 um 153 % entspreche. Selbst ohne Berücksichtigung der Bedarfserhöhung des Kindes sei daher der zugesprochene Unterhalt von S 4.000,- gerechtfertigt.

Auch der Rekurs des Minderjährigen sei nicht berechtigt, weil die zusätzlich zum laufenden Unterhalt geltend gemachten Beträge darin in angemessener Zeit Deckung finden müßten.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Rechtsfragen im Sinne der einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gelöst worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, weil die Vorinstanzen tragende Grundsätze des Außerstreitverfahrens und auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Beibehaltung von vergleichsweise festgelegten Unterhaltsrelationen nicht ausreichend beachtet haben.

Nach dem im Außerstreitverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz ist, wie das Rekursgericht zutreffend ausführt, gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG der entscheidungswesentliche Sachverhalt von Amts wegen zu erheben. Der unterhaltspflichtige Vater hat auch keine Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht verletzt, hat er doch im Zuge seiner Befragung, die das Erstgericht äußerst knapp gehalten hat, ein Nettoeinkommen angegeben und zumindest Einkommensteuererklärungen für die letzten drei Jahre vorgelegt, mehr hat das Pflegschaftsgericht von ihm nicht abverlangt, sondern vielmehr ohne weitere Prüfung der Richtigkeit dieser Angaben und Unterlagen sowie ohne Vornahme einer Beurteilung, inwieweit die Erklärungen vollständig sind und darin aufscheinende Ausgaben auch unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen wären, allein auf Grund der Ausbildung und des Berufes des Vaters diesen einer Anspannung unterzogen.

Aber auch das Rekursgericht hat zu Unrecht seiner Entscheidung ausschließlich die zwischen dem (im Akt gar nicht aufscheinenden) Steuerbescheid für 1990 und der Steuererklärung für 1994 bestehende Relation zugrundegelegt, ohne dem Unterhaltspflichtigen die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu geben und ohne insbesondere zu prüfen, wie es zu der vergleichsweisen Unterhaltsvereinbarung vom 18.6.1991 gekommen ist.

Es entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß ein pflegschaftsgerichtlich genehmigter Vergleich bei Bedachtnahme auf die in § 914 ABGB verankerten Auslegungsgrundsätze nur dahin verstanden werden könne, daß die darin festgelegten Relationen auch weiteren Unterhaltsfestsetzungen zugrundegelegt werden sollen, die Entscheidung über ein Unterhaltserhöhungsbegehren also nicht einfach von der vergleichsweisen Regelung abgekoppelt und von der darin unter Bedachtnahme auf die damals gegebenen Verhältnisse zum Ausdruck gebrachten Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze völlig losgelöst getroffen werden können (RZ 1992/58 mwN). Vor Anwendung dieser Grundsätze, die auch in der Zwischenzeit eingetretene Änderungen in der Leistungsfähigkeit und den Bedürfnissen berücksichtigen müssen, ist es aber erforderlich, zunächst über die Verhältnisse und die Parteiabsicht anläßlich der vergleichsweisen Regelung Klarheit zu schaffen. Hiezu könnte nicht nur die Befragung der Beteiligten, sondern allenfalls auch die den Sohn des Rechtsmittelwerbers aus erster Ehe betreffende Unterhaltsregelung von Nutzen sein. Es werden auch, da eine verläßliche Feststellung des Einkommens eines selbständigen Einnahmen-Ausgaben-Rechners erfahrungsgemäß schwierig ist, die seit Vergleichsabschluß eingetretene Entwicklung der Einkommensverhältnisse (nicht nur anhand von Steuererklärungen) und des Lebensstandards (Vermögen, Wohnverhältnisses, private Ausgaben) zu erheben und im Rahmen der freien Beweiswürdigung und des Ermessensspielraumes zu berücksichtigen sein.

Mangels Entscheidungsreife waren die Beschlüsse der Vorinstanzen - die Abweisung des vom Minderjährigen begehrten Sonderbedarfes ist in Rechtskraft erwachsen - soweit darin der Unterhalt mit mehr als S 3.000,- bestimmt wurde, aufzuheben und dem Gericht erster Instanz die Verfahrensergänzung aufzutragen.

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