OGH 7Ob569/95

OGH7Ob569/9528.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Rene V*****, geboren am 5.Juni 1979, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 11.Bezirk in Wien als Sachwalter, infolge Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29.März 1995, GZ 43 R 72/95-140, womit infolge Rekurses des Vaters Gerhard S*****, der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28.November 1994, GZ 9 P 269/93-135, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er insgesamt zu lauten hat:

Gerhard S***** ist als Vater des mj. Rene V***** schuldig, zu dessen Unterhalt in Minderung der ihm mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26.5.1994, 43 R 364/94 bisher auferlegten Unterhaltsleistung von S 2.300,-- vom 1.7.1994 bis 31.8.1994 nur mehr monatlich S 2.100,-- und ab 1.9.1994 bis auf weiteres, längstens aber bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes nur mehr monatlich S 1.500,-- zu Handen des jeweiligen Sachwalters, dzt. zu Handen des Amtes für Jugend und Familie für den 11.Bezirk in Wien, bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Die bisher fälligen Beträge sind binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden jeweils am Ersten eines Monates im vorhinein zu entrichten.

Das darüber hinausgehende Herabsetzungsbegehren des Vaters wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der unterhaltspflichtige Vater war zuletzt zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.300,-- verpflichtet (ON 119). Der Minderjährige war bis 31.8.1994 einkommens- und vermögenslos, seither verfügt er über eine monatliche Lehrlingsentschädigung von rund S 4.600,-- incl. Sonderzahlungen. Er wächst im Haushalt seiner Mutter auf, die auch die Familienbeihilfe bezieht. Der unterhaltspflichtige Vater bezieht nur die Notstandshilfe von monatlich rund S 11.000,-- und ist für eine einkommenslose Ehegattin sorgepflichtig.

Der unterhaltspflichtige Vater beantragte am 25.7.1994 die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf monatlich S 1.700,-- ab 1.7.1994 und am 23.12.1994 die Feststellung des Erlöschens der Unterhaltsverpflichtung ab 1.7.1994 (ON 136). Das durch den Unterhaltssachwalter vertretene Kind hat sich nur mit einer Herabsetzung auf monatlich S 2.100,-- einverstanden erklärt.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Vaters nur teilweise Folge, setzte dessen monatliche Unterhaltsleistung auf S 2.100,-- herab und wies das Mehrbegehren ab.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs des Vaters hinsichtlich des Zeitraumes ab 1.9.1994 teilweise Folge und setzte dessen monatliche Unterhaltsverpflichtung auf S 500,-- ab 1.9.1994 herab; das Begehren einer weiteren Herabsetzung wies es ab. Dem Vater sei erst durch den Beschluß des Erstgerichtes der Bezug einer Lehrlingsentschädigung durch den Minderjährigen bekannt geworden; seine in diesem Zusammenhang im Rekurs vorgebrachten Neuerungen seien daher zulässig. Der Bezug einer den Ausgleichszulagenrichtsatz nach dem ASVG nicht erreichenden Lehrlingsentschädigung mache den Minderjährigen zwar nicht selbsterhaltungsfähig, seine Einkünfte seien jedoch auf die Leistungen des Geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteiles im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf seiner Altersgruppe und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe nach dem ASVG anrechenbar. Der Durchschnittsbedarf für einen 16jährigen betrage monatlich S 4.110,-- und somit rund die Hälfte des derzeitigen Ausgleichszulagenrichtsatzes. Dementsprechend sei die Anrechnung der Lehrlingsentschädigung des Minderjährigen auf die Unterhaltsleistungen seiner Eltern zu gleichen Teilen gerechtfertigt.

Der gegen diese Entscheidung vom Unterhaltssachwalter des Kindes erhobene Rekurs ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Elternteile durch ein Eigeneinkommen des unterhaltsberechtigten Kindes entlastet werden sollen, hat der Oberste Gerichtshof mit einer Entscheidung des verstärkten Senates vom 26.8.1992 dahin beantwortet, daß bei einfachen Lebensverhältnissen das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe anzurechnen sei (1 Ob 560/92, veröffentlicht in SZ 65/114). Im Anlaßfall ergab sich bei dieser Entscheidung eine annähernde Gleichwertigkeit der Leistungen der beiden Elternteile.

Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, in der gestellten Frage bei den hier vorliegenden noch einfacheren Lebensverhältnissen der Beteiligten von der angeführten Berechnungsregel abzugehen (vgl. auch 6 Ob 505/95). Die Lehrlingsentschädigung fällt unter jene Einkünfte, die nach § 140 Abs.3 ABGB bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sind. Sie ist, soferne sie nicht als Ausgleich für berufsbedingten Mehraufwand außer Betracht bleibt, Eigeneinkommen des Kindes. Sein Unterhaltsanspruch wird daher auf den Betrag gemindert, der bei Bedachtnahme auf seine eigenen Einkünfte zum Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit fehlt. Die Selbsterhaltungsfähigkeit eines Lehrlings wird aber nach ständiger Rechtsprechung erst bei einem Lehrlingsbezug in der Höhe des Richtsatzes für die Gewährung der Ausgleichszulage iSd § 293 Abs.1 lit.a/bb und lit.b ASVG angenommen (vgl. SSV-NF 4/39, ÖA 1991, 77 = SZ 63/101 und ÖA 1991, 78). Durch den Bezug einer Lehrlingsentschädigung wird der Unterhaltsanspruch des Minderjährigen auf die Differenz zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, der der Minderjährige angehört, und der Mindestpensionshöhe gemindert (vgl. 7 Ob 512/92). Der erwähnte Richtsatz der Mindestpension betrug für das Jahr 1994 laut BGBl 1994/20 S 7.500,-- 14mal monatlich, der Regelbedarfssatz für den Minderjährigen betrug 1994 S 4.110,-- monatlich. Aufgrund der sehr geringen Leistungsfähigkeit des Vaters - die aber von der zweiten Instanz zu weitgehend berücksichtigt wurde - und zufolge dessen Belastung durch die Unterhaltsverpflichtung für seine einkommenslose Ehegattin erscheint im vorliegenden Einzelfall eine Herabsetzung der Unterhaltsverpflichttung auf monatlich S 1.500,-- ab 1.9.1994 geboten. Je höher die eigenen Einkünfte des Kindes an Lehrlingsentschädigung sind, umso mehr mindert sich der Unterhaltsanspruch gegenüber beiden Elternteilen, so daß auch die Belastung des Vaters abnimmt (vgl. 3 Ob 520/92). Dem Rekurs des Unterhaltssachwalters war daher teilweise Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung spruchgemäß abzuändern.

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