OGH 4Ob1043/95

OGH4Ob1043/9527.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate H*****, vertreten durch Zamponi-Weixelbaum & Partner, Rechtsanwälte OEG in Linz, wider die beklagte Partei P***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 9.Mai 1995, GZ 1 R 100/95-16, womit der Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 22.März 1995, GZ 3 Cg 17/95z-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der Antrag der Beklagten, auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 177 EGV über die Frage der Auswirkung der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung vom 10.September 1984 auf den vorliegenden Fall einer Kennzeichenverletzung wird zurückgewiesen.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Daß dem Wort "Pizza" als der allgemein gebräuchlichen Bezeichnung für eine bestimmte Art von Speisen (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG) keine Unterscheidungskraft und daher kein Schutz nach § 9 UWG zukommt, trifft zwar zu, ist aber hier nicht entscheidend:

Die Klägerin ist Inhaberin einer Wort-Bild-Marke, deren charakteristischer und allein kennzeichenkräftiger Bestandteil die besondere grafische Gestaltung der Buchstaben und der Umrahmung ist. Auf die Schutzfähigkeit des Wortbestandteils kommt es in einem solchen Fall nicht an (ÖBl 1975, 87 - Austria; ÖBl 1979, 79 - Pferdeboutique; ÖBl 1992, 218 - Resch & Frisch ua).

Soweit das Rekursgericht dem Bildbestandteil der Marke hinreichende Unterscheidungskraft zugebilligt hat, liegt hierin keine Verkennung der Rechtslage, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müßte.

Ob aber die Verwendung des der Marke der Klägerin weitgehend entsprechenden, prioritätsjüngeren Zeichens der Beklagten geeignet ist, die Gefahr von Verwechslungen auszulösen, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO (ecolex 1993, 253 - Stephansdom ua).

Es besteht auch kein Anlaß, die von der Beklagten begehrte Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes einzuholen:

Ob die Werberichtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10.September 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABl Nr. L 250 vom 10. September 1984 auch auf Tatbestände anzuwenden ist, die Gegenstand der Regelung des § 9 UWG sind, bedarf keiner Untersuchung. Selbst wenn man diese Frage im Hinblick darauf bejahen wollte, daß ein zur Verwechslung geeigneter Gebrauch eines fremden Kennzeichens unter den Tatbestand der irreführenden Werbung im Sinn des Art 2 Z 2 der Richtlinie, die im übrigen ausdrücklich auf die Aufmachung der Werbung verweist, fallen könnte, würde das nicht die Anrufung des EuGH rechtfertigen:

Richtlinien sind zwar von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen (Art 189 Abs 3 EGV;

Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht 178; im einzelnen etwa Hetmeier in Lenz, EGV-Komm, Rz 12 bis 14 zu Art 189). Eine Umsetzung der erwähnten Richtlinie erschien aber dem österreichischen Gesetzgeber entbehrlich, weil § 2 UWG - ebenso wie § 3 dUWG (Baumbach/Hefermehl17, EinlUWG Rz 25; Köhler, Irreführungs-Richtlinie und deutsches Wettbewerbsrecht, GRURInt 1994, 396 mwN) - ohnehin den Anforderungen der Richtlinie genügt. Diese hindert im übrigen nach ihrem Art 7 die Mitgliedstaaten nicht daran, Bestimmungen aufrechtzuerhalten oder zu erlassen, die einen weiterreichenden Schutz der Verbraucher, der einen Handel, ein Gewerbe, ein Handwerk oder einen freien Beruf ausübenden Personen sowie der Allgemeinheit vorsehen.

Auch die im Schrifttum umstrittene Frage, ob sich der Vorbehalt des Art 7 der Richtlinien nur auf die Sanktionen gegen irreführende Werbung bezieht oder auch auf ihre Tatbestandsvoraussetzungen erstreckt (vgl dazu Schricker, Die europäische Angleichung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs - Ein aussichtsloses Unterfangen?, GRURInt 1990, 771, 772 [FN 13], Lindacher in GroßKomm UWG, Rz 12 bis 16 zu § 3 dUWG; Köhler aaO 397 ff mwN FN 9), braucht diesmal nicht untersucht zu werden. Auch wenn sich die Gerichte bei der Auslegung der nationalen Vorschrift soweit wie möglich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie zu orientieren und Rechtsbegriffe, die in der Richtlinie und im innerstaatlichen Recht übereinstimmen, entsprechend den gemeinschaftsrechtlichen Begriffen auszulegen haben (Gamerith, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art 177 EGV in Wettbewerbssachen, ÖBl 1995, 51 ff [54]; Thun-Hohenstein/Cede aaO 179; EuGH EuZW 1993, 544), besteht hier doch nicht die Notwendigkeit, eine Vorabentscheidung des Europäischenn Gerichtshofes nach Art 177 EGV einzuholen, weil hier die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes derart offenkundig ist, daß keinerlei Raum für einenn vernünftigen Zweifel bleibt (Borchardt in Lenz aaO Rz 30, 31 zu Art 177; Gamerith aaO 57 mwN aus dem Schrifttum; EuGHSlg 1982, 3415 - CILFIT; 4 Ob 37/95). Selbst wenn man nämlich zugrunde legt, daß der EuGH bei der Beurteilung der Irreführungseignung (und damit allenfalls auch der Verwechslungsgefahr) nicht - wie die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - auf den Eindruck des Durchschnittsinteressenten bei flüchtiger Wahrnehmung (MR 1988, 137 - HELAL uva) abstellt -, sondern von einem "mündigen Verbraucher" ausgeht (so etwa - im Ergebnis - EuGH 2.2.1994 GRURInt 1994, 231 - Clinique), würde das zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch ein mündiger, vernünftiger und kritischer Angehöriger der von der Beklagten angesprochenen Verkehrskreise kann im Hinblick auf die Gestaltung des beanstandeten Zeichens der Beklagten dieses ohne weiteres mit der Marke der Klägerin verwechseln, behält doch auch der "mündige und verständige Verbraucher" nicht alle Einzelheiten, sondern nur die Charakteristika eines Kennzeichens im Gedächtnis. Die Gefahr einer unterschiedlichen Behandlung von ausländischen EU-Bürgern und Österreichern, sohin einer Inländerdiskriminierung, besteht somit entgegen der Meinung der Beklagten nicht.

Der Beklagten kann auch darin nicht gefolgt werden, daß es "Kern" der mehrfach erwähnten Richtlinie sei, die Irreführungsgefahr als Tat- und nicht mehr als Rechtsfrage zu behandeln. Dies ist weder dem Wortlaut der Richtlinie noch der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen; auch wenn die Eignung zur Irreführung oder die tatsächliche Irreführung jener Personen maßgebend ist, an die sich die Werbung richtet oder die von ihr erreicht werden (Art 2 Nr. 2 RL), schließt das noch nicht aus, daß diese Frage auf Grund richterlicher Erfahrung beurteilt wird (vgl dazu Trägner, Das Verbot irreführender Werbung nach § 3 UWG im europäischen Binnenmarkt [1993] 64 ff). Auch der EuGH behandelt die Frage der Irreführungseignung als Rechtsfrage (vgl nur GRURInt 1994, 231 - Clinique) und hält es für fraglich, ob Meinungsumfragen überhaupt zu Ergebnissen führen könnten, die eine objektive Würdigung von Fragen wie Irreführungs- und Verwechslungsgefahr erlaubten (vgl EuGH GRURInt 1977, 25 [30] - "Sekt").

Ob der EuGH nach Art 177 EGV anzurufen ist, hat allein das Gericht von Amts wegen zu entscheiden. Die Parteien können ein entsprechendes Ersuchen nur anregen (Krück in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, Rz 52 zu Art 177). Der Antrag der Beklagten auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war daher zurückzuweisen (so schon 4 Ob 37/95).

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