OGH 1Ob25/95

OGH1Ob25/9523.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Riedmann, Dr.G.Heinz Waldmüller und Dr.Martin Baldauf, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Jakob T*****, und 2. Karl T*****, beide vertreten durch Dr.Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Löschung einer Dienstbarkeit (Streitwert S 55.000,- -), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 17.Mai 1994, GZ 3 R 118/94-22, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 24.November 1993, GZ 26 C 2390/93-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit S 5.358,14 (darin enthalten S 893,02 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Eigentümerin der Grundstücke 595/11 und 595/13 in EZ 335 KG L*****. Diese Grundstücke sind mit der Dienstbarkeit des Fischens in allen zum A***** See abfließenden Wässern vom Ursprung derselben bis zum See und den Abzugsgräben bis zum I*****fluß für die Liegenschaften EZ 103 und EZ 104 KG A***** belastet. Die EZ 103 steht im Eigentum des Zweitbeklagten, die EZ 104 ist Eigentum des Erstbeklagten. Das Grundstück 595/11 ist durch Teilung des Grundstücks 595/1 entstanden. Die angeführte Dienstbarkeit des Fischens für die Grundstücke der Beklagten wurde bei Übertragung des Eigentums am Grundstück 595/11 an die klagende Partei mitübertragen, da die Beklagten eine Freistellungserklärung verweigerten.

Bis Anfang der Sechzigerjahre floß das „S*****bachl“ in einer natürlichen Senke an der Oberfläche von der Quellfassung in Richtung Nordwesten und querte dabei auch das südöstliche Ende des Grundstücks 595/11. In diesem gesamten Bereich war das „S*****bachl“ offen. Die Beklagten führten für ihre Mutter jährlich einen Fischbesatz durch und fischten regelmäßig. Anfang der Sechzigerjahre nahm die Bautätigkeit im Bereich des „S*****bachls“ stark zu, was zu einer Verschmutzung dieses Gewässers führte. Daraufhin führte die Mutter der Beklagten den Pflichtbesatz an Fischen nicht mehr durch, da viele Tiere verendet oder erkrankt waren. Die Beklagten kamen in den folgenden Jahren nicht mehr zu den nunmehr ihnen gehörigen Liegenschaften. Nach Beendigung des Pflichtbesatzes und des regelmäßigen Fischens durch die Beklagten bzw. deren Mutter wurde in den Sechzigerjahren, jedenfalls noch vor 1970, das „S*****bachl“ von der Quellfassung bis zumindest zum Grundstück 595/10 verrohrt. Die Beklagten und deren Mutter hatten hievon keine Kenntnis. Der Erstbeklagte erfuhr von der Verrohrung erstmals im Zuge einer Wasserrechtsverhandlung am 17.7.1986. Daraufhin beantragte er bei der Bezirkshauptmannschaft I***** am 22.7.1987 die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes nach § 138 WRG durch Beseitigung der Verrohrung. Durch die Verrohrung des „S*****bachls“ wurde der Fischfang verhindert und das Fischereirecht von den Beklagten seit der Verrohrung nicht mehr ausgeübt. Die klagende Partei erwarb das Grundstück 595/11 im Jahre 1991.

Die klagende Partei begehrte mit ihrer am 30.9.1992 eingebrachten Klage, die Beklagten als Eigentümer der Liegenschaften EZ 103 und EZ 104 KG A***** schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Löschung der genannten Dienstbarkeit des Fischens auf den Grundstücken 595/11 und 595/13 in EZ 335 KG L***** einzuwilligen. Für das Revisionsverfahren ist nur mehr das Vorbringen der klagenden Partei von Bedeutung, daß das Fischereirecht der Beklagten verjährt sei, weil das ursprünglich offene Gerinne schon vor mehr als 40 Jahren verrohrt worden sei und die Beklagten hievon seit 1986 Kenntnis gehabt hätten.

Die Beklagten anerkannten das Klagebegehren, soweit es das Grundstück 595/13 betraf; in diesem Umfang erging ein Teilanerkenntnisurteil. Im übrigen wendeten sie ein, sie hätten bereits am 22.7.1987 bei der Bezirkshauptmannschaft I***** einen Antrag auf Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes gemäß § 138 WRG eingebracht. Eine endgültige Entscheidung der Verwaltungsbehörde sei noch nicht erfolgt; die Dienstbarkeit des Fischens sei nicht verjährt.

Das Erstgericht gab dem noch offenen Klagebegehren statt. Es vertrat die Auffassung, daß die Dienstbarkeit des Fischereirechtes der Beklagten gemäß § 1488 ABGB verjährt sei. Die Verrohrung des „S*****bachls“ habe die Ausübung der den Beklagten zustehenden Servitut unmöglich gemacht. Im Zeitpunkt der Errichtung der Verrohrung sei die Dienstbarkeit zwar nicht von den Beklagten ausgeübt worden, doch seien sie seit 1986 in Kenntnis der Verrohrung gewesen. Dennoch hätten sie ihr Recht nicht gerichtlich geltend gemacht. Zumal nicht vorgeschrieben sei, daß Fischereiberechtigte ihre Ansprüche im Verwaltungsverfahren geltend machen müßten, genüge die Einleitung des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde nicht für die Hintanhaltung der Verjährung.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Der Beginn der Verjährung sei vom Gericht erster Instanz zutreffend erst mit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Beklagten von der Verrohrung des „S*****bachls“ im Jahre 1986 angenommen worden. Die Anwendung des Grundsatzes, daß ein Rechtsverlust nur durch gerichtliche Geltendmachung des Rechtes verhindert werde, nicht aber schon durch Einleitung eines Verwaltungsverfahrens, es sei denn, es wäre diese Geltendmachung des Anspruchs vorgeschrieben, sei im vorliegenden Fall nicht sachgerecht. Durch § 138 WRG sei für einen Fischereiberechtigten neben der Geltendmachung seiner Servitutsrechte an einem fremden Gewässer in einem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit geschaffen worden, im Verwaltungsverfahren vor der Wasserrechtsbehörde die Beseitigung von seine Rechtsausübung beeinträchtigenden oder diese vereitelnden eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen zu verlangen. Wenn ein Fischereiberechtigter ein solches verwaltungsbehördliches Verfahren zu dem Zweck anstrebe, den früheren Zustand wiederherzustellen, sei dies als eine den Rechtsverlust durch Verjährung verhindernde Geltendmachung des Rechtes im Sinne des § 1488 ABGB anzusehen, zumal dem Wortlaut des § 1488 ABGB nicht ausdrücklich zu entnehmen sei, daß die Geltendmachung des Rechtes nur vor den Gerichten in Betracht komme. Da die Beklagten ihr Recht bereits 1987 geltend machten, sei ihr Fischereirecht noch nicht verjährt. Fischereiberechtigte hätten gemäß § 138 Abs.6 WRG die Stellung eines Betroffenen im Sinne des § 138 Abs.1 WRG. Daß § 138 Abs.6 WRG erst durch die WRG-Novelle 1990 eingefügt wurde, ändere an der Anwendbarkeit dieser Bestimmung nichts, zumal die Wasserrechtsbehörde über den von den Beklagten 1987 gestellten Antrag erstmals zu einem Zeitpunkt entschieden hätten, als die WRG-Novelle 1990 bereits in Kraft gestanden sei; das verwaltungsbehördliche Verfahren sei nach wie vor anhängig.

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 138 Abs.1 lit.a WRG ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen des WRG übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen. Gemäß § 138 Abs.6 WRG sind als Betroffene im Sinne des Abs.1 die Inhaber bestehender Rechte (§ 12 Abs.2), die Fischereiberechtigten sowie die Einforstungsberechtigten anzusehen.

Nun wendet die klagende Partei ein, sie habe erst Jahre nach der Verrohrung des „S*****bachls“ das Grundstück 595/11 erworben, Adressat des § 138 Abs.1 WRG sei aber derjenige, der die Bestimmungen des WRG übertreten habe; das treffe auf die klagende Partei nicht zu.

Wohl soll Adressat von Aufträgen nach § 138 WRG nach dessen Abs.1 derjenige sein, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, also derjenige, der eigenmächtig eine Neuerung vorgenommen hat etc, doch muß sich der Liegenschaftseigentümer jene Neuerungen eines früheren Eigentümers zurechnen lassen, die er aufrecht erhält, also wissentlich bestehen läßt. In solchen Fällen ist von einer - zwar nicht durch Verursachung, wohl aber durch Aufrechterhaltung begründeten - primären Verantwortlichkeit des Grundeigentümers zu sprechen, der für die vorgenommenen Neuerungen haftbar ist (Raschauer, Kommentar zum WRG, Rz 19 und 20 zu § 138 mwN). Daß die klagende Partei selbst Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes nicht übertreten hat, vermag daher an deren Haftung nichts zu ändern.

Die Revisionswerberin verweist weiters darauf, daß § 138 Abs.6 WRG erst durch die WRG-Novelle 1990 BGBl 1990/252 eingefügt worden sei: Einerseits wurde der Begriff „Betroffener“ durch die Einfügung des Abs.6 in § 138 WRG lediglich im Sinne der bisherigen Auslegung festgeschrieben und damit - ohne inhaltliche Änderung der bisherigen Rechtslage - klargestellt, daß auch Fischereiberechtigte Maßnahmen nach § 138 Abs.1 WRG beantragen können (1152 BlgNR GP 17; Raschauer aaO Rz 5 zu § 138), andererseits trat die WRG-Novelle 1990 mit 1.7.1990 - von einer hier nicht maßgeblichen Bestimmung abgesehen - in Kraft und ist daher unabhängig vom Stand des jeweiligen (Verwaltungs-)Verfahrens seit dieser Zeit uneingeschränkt anzuwenden (Art.IV der WRG-Novelle 1990; Raschauer, aaO, Rz 2 zu § 143). Die Beklagten waren daher schon seit der Antragstellung im Jahre 1987 als Betroffene im Sinne des § 138 Abs.1 WRG zur Einleitung des Verfahrens legitimiert.

Letztlich meint die klagende Partei, lediglich die gerichtliche Geltendmachung des Servitutsrechtes verhindere den Rechtsverlust, nicht aber schon die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens. Hiezu ist auszuführen:

1986 haben die Beklagten von der Verrohrung des „S*****bachls“ Kenntnis erlangt. Am 22.7.1987 stellten sie bei der Verwaltungsbehörde einen Antrag gemäß § 138 Abs.1 WRG. Bei Gericht haben die Beklagten ihr Dienstbarkeitsrecht nicht geltend gemacht. Nun verjährt das Recht der Dienstbarkeit durch den Nichtgebrauch gemäß § 1488 ABGB, wenn sich der verpflichtete Teil der Ausübung der Servitut widersetzt, und der Berechtigte durch drei aufeinanderfolgende Jahre sein Recht nicht geltend gemacht hat. Daß die Verjährungsfrist erst mit der Kenntnis der Beklagten von der Verrohrung (1986) beginnt (JBl 1982, 32; RZ 1966, 88; Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 1488; Feil, Das Recht der Dienstbarkeiten, Rz 23), wird von der Revisionswerberin nicht mehr in Zweifel gezogen. Der 1987 gestellte Antrag gemäß § 138 Abs.1 WRG ist demnach dann als rechtzeitige Geltendmachung des Servitutsrechtes zu beurteilen, wenn diesem Antrag Unterbrechungswirkung im Sinne des § 1497 ABGB zuzuerkennen ist. Nun kann derselbe Streitfall Anlaß sowohl eines gerichtlichen wie auch eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens sein, insbesondere in Fällen, in welchen sich ein Grundeigentümer oder ein Wassernutzungsberechtigter durch eine eigenmächtige Neuerung als beschwert erachtet. Er kann einerseits mit einer Anzeige gegen den eigenmächtig Handelnden vorgehen oder durch entsprechende Antragstellung gemäß § 138 Abs.1 WRG bei der Verwaltungsbehörde Abhilfe suchen, er kann aber andererseits auch eine auf das Privatrecht gestützte Klage gegen den Eingreifenden erheben, sofern er sein Begehren auf einen Privatrechtstitel stützt. Für die Abwehr von Eingriffen in eine Dienstbarkeit steht dem Beschwerten daher sowohl der Verwaltungs- wie auch der Rechtsweg offen (JBl 1994, 169; SZ 51/41; SZ 46/82). Für die Unterbrechung der Verjährung gemäß § 1497 ABGB ist Voraussetzung, daß der Berechtigte den Störer belangt und „die Klage“ gehörig fortsetzt. Es kann nun kein Zweifel bestehen, daß dem Erfordernis des „Belangens“ durch einen Antrag gemäß § 138 WRG Rechnung getragen wurde. Fraglich ist nur, ob die Wendung: „und die Klage gehörig fortgesetzt wird“ unbedingt ein gerichtliches Belangen erfordert. Dazu wurde von Rechtsprechung und Lehre die Ansicht vertreten, der Rechtsverlust werde nur durch gerichtliche Geltendmachung des Rechtes gehindert, nicht aber schon durch die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens, es sei denn, es wäre diese Geltendmachung des Anspruchs vorgeschrieben (RZ 1983/8; RZ 1966, 88; RZ 1957, 104; Klang in Klang 2 VI 655; vgl. Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 6 zu § 1497; Feil aaO). Nach der Rechtsprechung unterbrechen Schritte, die die Geltendmachung eines Rechtes bloß vorbereiten, die Verjährung nicht (JBl 1991, 190; SZ 52/78). Dennoch haben sich in der Rechtsprechung Unterbrechungsgründe herausgebildet, obwohl keine Klage im formellen Sinn erhoben wurde. So hat zB der Anschluß als Privatbeteiligter im Strafverfahren dieselbe Wirkung wie die Klage (Schubert aaO Rz 11 zu § 1497), auch die Antragstellung bei der EKMR unterbricht in sinngemäßer Anwendung des § 1497 ABGB gleich einer Klage die Verjährung eines auf Art.5 Abs.5 EMRK iVm § 1 AHG gestützten Haftentschädigungsanspruchs (SZ 63/223). In gleicher Weise kommt einer Klage vor dem Schiedsgericht Unterbrechungswirkung im Sinne des § 1497 ABGB zu (SZ 39/63). Bedenkt man, daß die Vollziehungsverfügung nach § 138 WRG gegenüber ähnlichen Institutionen in anderen Rechtsbereichen eine Besonderheit aufweist, nämlich daß das Gesetz dem Gefährdeten oder Verletzten einen Rechtsanspruch auf die Erlassung einer entsprechenden Verfügung einräumt (Krzizek, Kommentar zum WRG, 549) und der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 138 WRG den in ihren Rechten Verletzten gewiß nur zusätzlichen Rechtsschutz angedeihen lassen wollte, dann erscheint es in gleicher Weise wie bei anderen angemessenen Rechtsverfolgungsschritten gerechtfertigt, der Antragstellung eines Betroffenen gemäß § 138 WRG in Analogie zu § 1497 ABGB die Wirkung einer Unterbrechung der sonst drohenden Verjährung seines (Servituts-)Rechtes beizumessen (vgl. SZ 63/223). Demnach ist die Verjährung des Servitutsrechts der Beklagten durch deren Antragstellung bei der Wasserrechtsbehörde als unterbrochen anzusehen, sodaß ihnen die mangelnde gerichtliche Geltendmachung ihres Dienstbarkeitsrechtes nicht zur Last fallen kann.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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