European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0110OS00078.9500000.0620.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
"Das Gesetz wurde verletzt
1. durch die Unterlassung des Landesgerichtes Linz, von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 8.Oktober 1993, GZ 26 Vr 1915/93‑18, gefaßten Beschluß auf Widerruf der dem Mario H* gewährten gnadenweisen bedingten Strafnachsicht das Landesgericht Innsbruck zum AZ 23 Vr 2763/91 und das Landesgericht Korneuburg zum AZ 12 b E Vr 263/92 unverzüglich zu verständigen, in der Bestimmung des § 494 a Abs 8 StPO aF (= § 494 a Abs 7 StPO nF);
2. durch den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.Dezember 1994, GZ 29 Vr 3359/94‑17, soweit damit die dem Mario H* gnadenweise gewährte bedingte Strafrestnachsicht zu den Verfahren AZ 23 Vr 2763/91 des Landesgerichtes Innsbruck und AZ 12 b E Vr 263/92 des Landesgerichtes Korneuburg widerrufen wurde, in dem sich aus den Vorschriften des XX.Hauptstückes der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.
Der zu Punkt 2 bezeichnete Beschluß, der im übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Umfang aufgehoben und der ihm zugrundeliegende Antrag der Staatsanwaltschaft insoweit zurückgewiesen."
Gründe:
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Linz vom 8.Oktober 1993, GZ 26 Vr 1915/93‑18, wurde Mario H* wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Zugleich faßte der Schöffensenat gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO den (gleichfalls rechtskräftigen) Beschluß auf Widerruf der dem Verurteilten zufolge Entschließung des Bundespräsidenten mit Wirkung vom 17.Dezember 1992, Erlaß des Bundesministeriums für Justiz, Zl 4700/100‑IV 5/92 ("Weihnachtsbegnadigung 1992") unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit gnadenweise zuteil gewordenen bedingten Strafnachsicht (§ 43 StGB) hinsichtlich der jeweiligen Strafreste aus zwei früher über ihn verhängten Freiheitsstrafen; es handelte sich dabei um die mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.Dezember 1991, GZ 23 Vr 2763/91‑26, ausgesprochene sechsmonatige Freiheitsstrafe ‑ deren zunächst gewährte bedingte Strafnachsicht mit (ebenfalls gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gefaßten) rechtskräftigem Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg vom 10.Juni 1992, GZ 12 b E Vr 263/92‑26, widerrufen worden war ‑ (Strafrest: 3 Monate, 18 Tage, 1 Stunde und 15 Minuten ‑ 297 dA AZ 23 Vr 2763/91 des Landesgerichtes Innsbruck) sowie die mit dem (gleichzeitig mit dem zuletzt angeführten Beschluß ergangenen) Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 10.Juni 1992, GZ 12 b E Vr 263/92‑26, verhängte einjährige Freiheitsstrafe (Strafrest: 3 Monate, 20 Tage, 16 Stunden und 30 Minuten ‑ ON 37 dA AZ 12 b E Vr 263/92 des Landesgerichtes Korneuburg).
Der Vorsitzende des Schöffensenates hat im Verfahren zum AZ 26 Vr 1915/93 des Landesgerichtes Linz im Rahmen der Endverfügung vom 20.Oktober 1993 (abgefertigt am 3.November 1993 ‑ 132 aE) zwar die Verständigung des Strafregisteramtes von der Maßnahme des Widerrufes durch Anordnung der Abfertigung des (StPO Form) "Bed Entl 11" veranlaßt, es jedoch unterlassen, die von der Widerrufsentscheidung betroffenen Landesgerichte Innsbruck und Korneuburg zu verständigen.
Wegen des (am 14.November 1994 begangenen) Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB wurde über Mario H* mit dem rechtskräftigen Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.Dezember 1994, GZ 29 Vr 3358/94‑17, eine zweimonatige Freiheitsstrafe verhängt. Gleichzeitig faßte der Einzelrichter gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO (ua) den Beschluß, (ua) die bedingte Nachsicht des (jeweiligen) Restes der in den vorerwähnten Verfahren zu AZ 23 Vr 2763/91 des Landesgerichtes Innsbruck und 12 b E Vr 263/92 des Landesgerichtes Korneuburg verhängten Freiheitsstrafen zu widerrufen, und ordnete die Vollziehung dieser (Rest‑)Strafen an. In der im Akt AZ 29 Vr 3358/94 des Landesgerichtes Innsbruck erliegenden Strafregisterauskunft vom 14.November 1994 (13 f) war der vom Landesgericht Linz am 8.Oktober 1993 gefaßte Widerrufsbeschluß nicht ersichtlich, obwohl der zuständige Vorsitzende ‑ wie dargelegt ‑ die Verständigung des Strafregisteramtes von dieser Maßnahme verfügt hatte.
Rechtliche Beurteilung
In der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht der Generalprokurator mit Recht folgende Gesetzesverletzungen geltend:
Zunächst mißachtete das Landesgericht Linz im Verfahren zum AZ 26 Vr 1915/93 das im § 494 a Abs 8 StPO in der damals geltenden Fassung (nunmehr § 494 a Abs 7 StPO idF d StPÄG 1993, BGBl 526) enthaltene Gebot der unverzüglichen Verständigung jener Gerichte, deren Vorentscheidungen von einer im Sinne des § 494 a Abs 1 StPO ergangenen Entscheidung betroffen sind. Diese Verständigungspflicht ‑ die hier sowohl dem Landesgericht Innsbruck als auch dem Landesgericht Korneuburg gegenüber verletzt wurde ‑ soll sicherstellen, daß das ohne Eingreifen der Regelung des § 494 a StPO zuständige Gericht von einer erfolgten Zuständigkeitsverschiebung sowie einer seine Vorentscheidung betreffenden Verfügung Kenntnis erlangt und keine diesbezügliche Kompetenz mehr in Anspruch nimmt.
Dem Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.Dezember 1994, GZ 29 Vr 3358/94‑17, hinwieder stand die Rechtskraft des im Verfahren AZ 26 Vr 1915/93 des Landesgerichtes Linz ergangenen Widerrufsbeschlusses vom 8.Oktober 1993 entgegen.
Der neuerliche Beschluß auf Widerruf der dem Mario H* gnadenweise zuteil gewordenen bedingten Nachsicht konnte daher für den Genannten keinerlei Rechtsfolgen erzeugen, blieb doch die konstitutive Wirkung der vorangegangenen Widerrufsentscheidung hievon unberührt. Dessen ungeachtet ist die Aufhebung der gesetzwidrigen (neuerlichen) Widerrufsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit geboten; dies obgleich das Landesgericht Innsbruck zwischenzeitig die Rechtsfehlerhaftigkeit des in Rede stehenden Widerrufsbeschlusses erkannt und am 31.Jänner 1995 eine entsprechende Verständigung des Strafregisteramtes verfügt hat, die nach der Aktenlage allerdings noch nicht abgefertigt wurde (100 dA 29 Vr 3358/94 des Landesgerichtes Innsbruck).
In Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher die Gesetzesverletzung festzustellen und im übrigen spruchgemäß zu erkennen.
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