Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Auf der Liegenschaft EZ 6***** des Grundbuches 06207 G***** ist auf der Badeparzelle 32 - 34 ein Superädifikat errichtet, das im Eigentum von Ernst W***** steht. Die Erstbeklagte ist mit Ernst W***** verheiratet; ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Der Ehe entstammen zwei Kinder; der Zweitbeklagte und eine 17jährige Tochter. Das auf der Badeparzelle errichtete Einfamilienhaus wurde von der Erstbeklagten und ihren Kindern regelmäßig benützt. Im Frühjahr 1993 sperrte Ernst W***** die Erstbeklagte und die Kinder aus; in einem Besitzstörungsverfahren konnte die Erstbeklagte erreichen, daß sie die Liegenschaft wieder betreten kann. Ernst W***** wurde gerichtlich zu Unterhaltsleistungen sowohl an seine Ehegattin und seinen Sohn verpflichtet.
Der Kläger ist der Verlobte von Miriam K*****, deren Vater mit Ernst W***** befreundet ist und diesen vor allem in finanziellen Angelegenheiten berät und unterstützt. Anfang 1993 kam es zwischen dem Kläger und Ernst W***** zu Gesprächen über die Einräumung eines Fruchtgenußrechtes am Superädifikat. Grund dafür war das bevorstehende Scheidungsverfahren; Ernst W***** wollte im Hinblick darauf das der Aufteilung unterliegende Vermögen schmälern. Seine finanzielle Lage war sehr gut. Der Kläger erfuhr noch vor Vertragsschluß von den Eheschwierigkeiten. Der Vertrag wurde von Petra K*****, der Schwester von Miriam K*****, verfaßt. Darin wurde dem Kläger ein Fruchtgenußrecht am Superädifikat für die Dauer von 25 Jahren eingeräumt. Im Vertrag, dessen Inhalt der Kläger nur sehr ungenau kennt, ist festgelegt, daß der Kläger bis 31.12.1994 durch Einlösung einer Schuld des Ernst W***** bei Petra und Miriam K***** im Betrag von S 2 Mio. das Superädifikat erwerben kann. Ein Übergabezeitpunkt ist im Vertrag nicht bestimmt. Die Erstbeklagte erfuhr vom Vertrag durch ein beim Bezirksgericht Schwechat anhängiges Verfahren.
Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob die Familie K***** Ernst W***** ein Darlehen von S 2 Mio. gewährt hat.
Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, das auf der Liegenschaft EZ 6***** des Grundbuches 0*****, bestehend aus dem Grundstück 7*****, errichtete Superädifikat auf der Badeparzelle M*****, geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben.
Der Kläger sei Fruchtgenußberechtigter; die Beklagten benutzten das Superädifikat ohne Zustimmung des Klägers und gegen dessen Willen.
Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen.
Die Beklagten seien aufgrund ihrer familienrechtlichen Beziehung zu Ernst W***** berechtigt, das Superädifikat zu benützen. Der Kläger sei nicht Fruchtgenußberechtigter. Ernst W***** schließe auch andere Scheingeschäfte ab.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
§ 97 ABGB wolle dem betroffenen Ehegatten jene Wohnmöglichkeit
erhalten, die ihm bisher zur Deckung der den Lebensverhältnissen
angemessenen Bedürfnisse gedient habe und die er weiter benötige. Die
Beklagten hätten bisher einen sehr hohen Lebensstandard gehabt. Das
Haus habe den Beklagten daher zur Deckung der den Lebensverhältnissen
der Ehegatten angemessenen Bedürfnisse gedient. Durch § 97 ABGB
solle auch der Vereitelung der Aufteilung des ehelichen
Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach §§ 81 ff
EheG vorgebeugt werden. Jener Ehegatte, der sein Benützungsrecht aus
§ 97 ABGB ableite, könne dieses Recht dem Räumungsbegehren des
schlechtgläubigen Erwerbers der Wohnung mit Erfolg entgegenhalten.
Der Kläger sei schlechtgläubig. Ernst W***** sei nicht durch die Umstände gezwungen gewesen, das Fruchtgenußrecht einzuräumen.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin, daß es die Beklagten zur Räumung verpflichtete.
Der Anspruch nach § 97 ABGB beschränke sich auf jene Wohnung, die
der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des betroffenen
Ehegatten diene. Auch bei einem hohen Lebensstandard könne das
angemessene Bedürfnis eines Ehegatten iS des § 97 ABGB nicht auf
zwei oder mehrere Wohnungen ausgedehnt werden. Der betroffene Ehegatte müsse vielmehr auf die Wohnung angewiesen sein; er müsse die Wohnung oder ein Ersatzobjekt dringend benötigen.
Die Beklagten hätten nicht einmal behauptet, daß ihre derzeitige Wohnung so bescheiden ausgestattet sei, daß sie ihr Wohnbedürfnis ausschließlich im Haus am Mariensee befriedigen könnten.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision ist zulässig und berechtigt.
Die Beklagten verweisen darauf, daß der Begriff der Wohnung iS des § 97 ABGB nicht zu eng ausgelegt werden darf. Dem betroffenen Ehegatten solle jene Wohnmöglichkeit erhalten bleiben, die ihm bisher zur Deckung der den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Bedürfnisse gedient habe und die er weiter benötige. Die Beklagten hätten eingewandt, daß der Vertrag über die Einräumung des Fruchtgenußrechtes ein Scheingeschäft sei. Da die dazu angebotenen Beweise nicht aufgenommen worden seien, sei das Verfahren mangelhaft geblieben.
§ 97 ABGB will dem betroffenen Ehegatten jene Wohnmöglichkeit erhalten, die ihm bisher zur Deckung der den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Bedürfnisse diente und die er weiter benötigt. Einerseits können daher die Lebensverhältnisse der Ehegatten nicht vernachlässigt werden, die das angemessene Bedürfnis bestimmen, anderseits muß der Ehegatte gerade auf diese Wohnung angewiesen sein (SZ 54/37; s auch Pichler in Rummel, ABGB2 § 97 Rz 1; Schwimann in Schwimann ABGB I Rz 3 zu § 97). Die Erstbeklagte hat nicht einmal behauptet, auf die Ferienwohnung angewiesen zu sein; dem Zweitbeklagten als Sohn des Klägers steht kein Anspruch aus § 97 ABGB zu (Pichler aaO § 97 Rz 2 a). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Beklagten aus § 97 ABGB daher zu Recht verneint.
Das Verfahren vor dem Berufungsgericht ist aber mangelhaft geblieben, weil das Berufungsgericht die Mängelrüge der Beklagten in der Berufungsbeantwortung nicht erledigt hat. Die Beklagten haben in erster Instanz eingewendet, daß der Vertrag, mit welchem dem Kläger das Fruchtgenußrecht eingeräumt wurde, nur zum Schein geschlossen worden sei. Dieser Einwand ist wesentlich, weil Scheingeschäfte nichtig sind, wenn - wie hier aus dem Vorbringen zu erschließen - die Parteien überhaupt nicht die Absicht hatten, ein Rechtsgeschäft abzuschließen ("absolutes Scheingeschäft"); wollten die Parteien hingegen nur ein anderes, wirklich gewolltes Geschäft ("verdecktes Geschäft") verschleiern, so gilt zwischen ihnen nicht das Scheingeschäft, sondern das dissimulierte Geschäft (MietSlg 29.111; Koziol/Welser10 I 120). Zum Schein abgegeben sind Erklärungen, die einverständlich keine bzw nicht die aus der Sicht eines objektiven Dritten als gewollt erscheinenden Rechtsfolgen auslösen sollen (Rummel in Rummel, ABGB2 § 916 Rz 1 mwN). Wurde der Vertrag über die Einräumung des Fruchgenußrechtes demnach nur zum Schein geschlossen, ohne daß der Kläger und Ernst W***** damit ein anderes Rechtsgeschäft verdecken hätten wollen, so ist der Kläger nicht Fruchtgenußberechtigter und kann daher auch nicht die Räumung der Liegenschaft verlangen.
Zum Beweis ihres Vorbringens haben sich die Beklagten auch auf die Vernehmung der Zeuginnen Miriam und Petra K***** und auf die Akten 3 C 158/93 und 3 C 98/93 des Bezirksgerichtes Schwechat berufen. Das Erstgericht hat diese Beweise nicht aufgenommen, weil es den Anspruch der Erstbeklagten aus § 97 ABGB bejaht und die Klage schon aus diesem Grund abgewiesen hat. Wird dieser Anspruch aber verneint, dann muß geprüft werden, ob der Kläger Fruchtgenußberechtigter und damit aktiv legitimiert ist.
Das Erstgericht hat dazu festgestellt, daß der Kläger mit Miriam
K*****, einer Tochter von Ewald K*****, verlobt ist. Ewald K***** ist
ein sehr guter Freund des Ehegatten der Erstbeklagten, der diesem
immer wieder in finanziellen Angelegenheiten beisteht und aushilft.
Ernst W***** hat dem Kläger ein Fruchtgenußrecht eingeräumt, weil er
im Hinblick auf das bevorstehende Scheidungsverfahren das der
Aufteilung unterliegende Vermögen schmälern wollte.
Damit steht aber noch nicht fest, daß der Vertrag über die Einräumung des Fruchtgenußrechtes nur zum Schein geschlossen worden wäre. Um beurteilen zu können, ob die Einwendung der Beklagten berechtigt ist, muß das Verfahren in erster Instanz ergänzt werden.
Der Revision war Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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