OGH 4Ob50/95

OGH4Ob50/9513.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Franz Paul H*****, vertreten durch Dr.Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Manfred M. B*****, vertreten durch Dr.Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 396.600,- sA, infolge Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 9. November 1994, 1 R 254/94-19, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 28.Juli 1994, 33 Cg 328/93-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit abgewiesen werden.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 75.102,60 bestimmten Kosten (darin S 12.497,10 Umsatzsteuer und S 120,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger hat die Musik des Musicals "Askalun" komponiert; der Beklagte hat den Text verfaßt. Um das Musical aufzuführen, wurde der Verein A***** Verein ***** (idF: Verein) gegründet. Im Juni 1992 wurde das Musical in Wien mehrmals aufgeführt.

Am 15.6.1992 erwirkte der Beklagte zu 39 Cg 207/92 des Handelsgerichtes Wien eine einstweilige Verfügung, mit der dem Verein verboten wurde, das Musical "Askalun" aufzuführen oder aufführen zu lassen.

Der Verein war im Juni 1992 mit S 3,399.779,36 überschuldet. Ein Antrag von Gläubigern auf Konkurseröffnung wurde vom Handelsgericht Wien am 6.11.1992, 5 Nc 1012/92-4, abgewiesen, weil kein die Kosten des Konkursverfahrens deckendes Vermögen vorhanden war. Erster Obmann des Vereines war Alfred P*****. Gegen ihn erhob die Staatsanwaltschaft Wien am 25.2.1994 zu 24 St 6429/93 Strafantrag wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida als leitender Angestellter nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2, § 161 Abs 1 StGB.

Der Kläger begehrt S 396.600,- sA. Die Streitteile hätten 1986 vereinbart, gemeinsam ein Spiel für Kinder mit Musik "Alle Jahre wieder Betlehem" zu schaffen. Der Kläger sollte die Musik komponieren, der Beklagte den Text verfassen. 1987 sei die Zusammenarbeit mit der Arbeit am Spiel für Kinder mit Musik "Cecchina" fortgesetzt und in der Folge intensiviert worden. Nach dem Erfolg des Musicals "Askalun" habe der Beklagte den Kläger beauftragt, die Musik für das Rock-Märchen "Toswabohur" zu komponieren. Der Kläger habe 13 Musiknummern geliefert; der Beklagte habe den Text jedoch nicht fertiggestellt. Er schulde dem Kläger für die von diesem erbrachten Leistungen und an Abstandshonorar S 200.000,-.

1990 habe der Beklagte den Kläger beauftragt, die Musik zu einer Revue "Parodistischer Lyrik-Trip" zu komponieren. Der Kläger habe den Auftrag rechtzeitig erfüllt, seine Leistungen aber nicht honoriert erhalten. Ihm stünden DM 13.800,- zu. Offen sei auch die Forderung des Klägers an Tantiemen für die Aufführung des Musicals "Askalun" im November und Dezember 1988 und 1989 in Pforzheim. Aus diesem Titel stünden dem Kläger mindestens S 50.000,- zu. Dazu kämen S 50.000,- an Abstandshonorar für den Auftrag, die Musik für das Stück "Maske des roten Todes" zu komponieren. Der Beklagte habe zugesagt, die Leistungen des Klägers dem internationalen urheberrechtlichen Standard entsprechend angemessen zu vergüten.

Zur Zuständigkeit berief sich der Kläger auf § 83 c und § 51 Abs 2 Z 10 JN und auf § 11 Abs 2 UrhG sowie auch auf den Gerichtsstand des Vermögens gemäß § 99 JN. Der Beklagte habe Forderungen ggen den Verein, die den Klagebetrag überschritten. Sollte über das Vermögen des Vereins das Konkursverfahren eröffnet werden, so stünden dem Beklagten Regreßansprüche gegen die verantwortlichen Vereinsorgane zu.

Der Beklagte wandte den Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit und die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein. § 83 c JN sei nicht anzuwenden, weil keine Streitigkeit nach dem Urheberrechtsgesetz vorliege. Der Kläger stütze seinen Anspruch auf Vereinbarungen. Richtig sei, daß der Verein Urheberrechte des Beklagten verletzt habe. Ob und in welcher Höhe dem Beklagten daraus Forderungen erwachsen seien, stehe noch nicht fest.

Die vom Kläger behaupteten Vereinbarungen seien nicht geschlossen worden. Der Beklagte habe keine Handlungen gesetzt, die Ansprüche des Klägers begründeten.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Prozeßeinreden des Beklagten ein. Es erklärte das Verfahren für nichtig und wies die Klage zurück.

Der Gerichtsstand des § 83 c JN sei nicht gegeben, weil der Beklagte im Inland weder ein Unternehmen, noch einen Wohnsitz, noch einen Aufenthaltsort habe. Auch habe er im Inland nicht in Urheberrechte des Klägers eingegriffen. Ein Anspruch gegen einen Miturheber auf Zustimmung zur Verwertung eines Werkes werde nicht geltend gemacht; § 11 Abs 2 UrhG sei daher im vorliegenden Fall ohne Bedeutung.

Inländisches Vermögen des ausländischen Beklagten schaffe eine ausreichende Inlandsbeziehung. Die vom Kläger behauptete Forderung des Beklagten gegen den Verein sei aber uneinbringlich. Schadenersatzansprüche des Beklagten habe der Kläger nicht konkret behauptet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegenstand des Rekursverfahrens sei nur der Gerichtsstand nach § 99 JN. Der Beklagte habe gegen den Verein Schadenersatzansprüche nach § 87 Abs 1 und 2 UrhG. Daß die Forderungen gegen das Organ des Vereines uneinbringlich wären, sei nicht behauptet. Es könne angenommen werden, daß dem Beklagten eine im Verhältnis zum Streitwert nicht geringfügige Forderung zustehe. Der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN sei daher gegeben.

Er reiche aber nicht aus, um die inländische Gerichtsbarkeit zu begründen; ein weiterer Inlandsbezug bestehe nicht. Daß der Kläger allenfalls Inländer sei und in Österreich wohne, ändere daran nichts.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; er ist auch berechtigt.

Der Kläger ist der Auffassung, daß in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung SZ 62/101 (= JBl 1990, 396 [Pfersmann]) der Inländereigenschaft und dem Aufenthalt des Klägers im Inland nicht allgemein die Eignung abgesprochen worden sei, die inländische Gerichtsbarkeit zu begründen. Das Rekursgericht habe die zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtsbeziehungen und die Art der dem Beklagten vorgeworfenen Verstöße nicht ausreichend berücksichtigt. Selbst nach der vom Rekursgericht zitierten Rechtsprechung sei eine ausreichende Inlandsbeziehung gegeben.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist die inländische

Gerichtsbarkeit dann zu bejahen, wenn eine berücksichtigungswürdige

Inlandsbeziehung des Verfahrensgegenstandes oder der Parteien

vorliegt. Diese kann entweder in einer Ortsgebundenheit der Parteien

oder einer Ortsbezogenheit des Streitgegenstandes gelegen sein. Hat

der Beklagte Vermögen im Inland, so sind ohne weitere

Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien die

Voraussetzungen für das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit

noch nicht erfüllt (SZ 65/141 = EvBl 1993/93 = JBl 1993, 666 [mit

Anm von Pfersmann] = ZfRV 1993/43; Mayr in Rechberger, ZPO § 99 JN

Rz 10).

Eine zusätzliche Nahebeziehung zum Inland wird durch die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz des Klägers geschaffen, ist doch der Gerichtsstand des Vermögens als einziger von jenen Gerichtsständen verblieben, mit denen es der Gesetzgeber insbesondere Inländern ermöglichen wollte, andere Personen, für die zwar die inländische Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen ist, die aber im Inland weder einen allgemeinen noch einen besonderen Gerichtsstand haben, im Inland klagen zu können (Fasching, ZPR2 Rz 310; RdW 1993, 111 = ecolex 1993, 322 = WBl 1993, 194; vgl auch 2 Ob 566/94).

Daß der Gerichtsstand des Vermögens im österreichisch-deutschen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag BGBl 1960/105 (Art 2 Nr 4 b) und im - von Österreich noch nicht ratifizierten - Lugano-Übereinkommen (Art 3 Abs 2) als exorbitant eingestuft und nicht anerkannt wird (s dazu Mayr in Rechberger aaO; s auch Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht4 Art 3 Rz 4), steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Das inländische Vermögen des Beklagten bietet im Regelfall zumindest für einen Teil der Klageforderung einen Befriedigungsfonds, so daß die mangelnde Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ausland das Tätigwerden der inländischen Gerichte nicht sinnlos macht. Es verwirklicht vielmehr jenen Rechtsschutz, den der Gesetzgeber durch § 99 JN vor allem Inländern sichern wollte.

Die vom Rekursgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht zitierte Entscheidung SZ 62/101 = JBl 1990, 396 (Pfersmann) steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob ein österreichischer Staatsbürger, der trotz mehrjähriger Tätigkeit in Nigeria einen Wohnsitz in Wien behalten hat, seine deutsche Dienstgeberin, die ihn in Nigeria beschäftigt hat, in Österreich klagen kann. Diese Frage wurde verneint, weil sich im Zusammenhang mit den Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen kein Anhaltspunkt für eine Nahebeziehung zum Inland ergab. Auf den Gerichtsstand des Vermögens hatte sich der Kläger nicht berufen.

Im vorliegenden Fall geht es allein um den Gerichtsstand des Vermögens; der Kläger ist Inländer und hat seinen Wohnsitz im Inland. Es ist anzunehmen, daß er die Kompositionen, die nach seiner Behauptung Auftragswerke für den Beklagten waren, in Österreich geschaffen hat. Die Nahebeziehung zum Inland beschränkt sich daher nicht auf die - inländisches Vermögen bildenden - Forderungen des Beklagten gegen Inländer, sondern sie wird durch die Inländereigenschaft und den Wohnsitz des Klägers entscheidend verstärkt. Eine Inlandsbeziehung dieser Intensität reicht aus, die inländische Gerichtsbarkeit zu begründen; der Kläger kann sich auf den Gerichtsstand des Vermögens berufen.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

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