OGH 15Os66/95(15Os67/95)

OGH15Os66/95(15Os67/95)1.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Stöckelle als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mario G***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 22.März 1995, GZ 17 Vr 901/94-33, sowie über dessen Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO (§ 53 Abs 1 StGB) verkündeten Beschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Situng den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 31.Mai 1974 geborene Mario G***** wurde des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er in der Nacht vom 22. auf den 23.Oktober 1994 in Haag dem Karl H***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 23.000 S Bargeld, durch Einbruch in ein ÖMV-Tankstellengebäude mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Unter einem widerrief das Erstgericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO (§ 53 Abs 1 StGB) die dem Angeklagten mit dem Urteil des Jugendschöffengerichtes des (damaligen Kreis- nunmehr)Landesgerichtes Steyr vom 30.April 1991, GZ 10 Vr 430/90-162, gewährte bedingte Nachsicht eines Strafteils von zwölf Monaten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; die Strafhöhe bekämpft er mit Berufung, den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde.

Als unvollständig, undeutlich oder offenbar unzureichend begründet (Z 5) rügt der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung (US 4 dritter Absatz: der zufolge er zwischen ca 21,00 Uhr des 22. und 0,30 Uhr des 23. Oktober 1994 auf eine nicht feststellbare Art und Weise zu der von seinem Wohnort ca 13 km entfernten ÖMV-Tankstelle gelangte und dort den inkriminierten Einbruchsdiebstahl verübte), weil das Gericht "im Zusammenhang mit der Feststellung dieser wesentlichen Tatsachen, nämlich der Frage, ob und auf welche Weise ich an dem besagten Abend vom 22. auf den 23.10.1994 zu der ÖMV-Autobahntankstelle Haag gelangt sei", seine (nach seiner Behauptung von Zeugenaussagen nicht widerlegte und widerspruchsfreie) Verantwortung vor Gendarmerie und Gericht übergehe, wonach er sich im Anschluß an seine Heimkehr am 22. Oktober 1994 von etwa 20,00 Uhr bis gegen 24,00 Uhr zu Hause aufgehalten habe und sodann zu Fuß zum etwa 3 km entfernten Gasthaus L***** gegangen sei; überdies lasse es im Rahmen der Beweiswürdigung nicht nur unerwähnt, warum es dieser seiner Darstellung nicht gefolgt sei, sondern auch außer Acht, daß er zur fraglichen Zeit über keinen eigenen PKW verfügt habe und es zeitmäßig unmöglich gewesen sei, nach seiner Rückkehr um etwa 20,00 Uhr zu Fuß zu der ca 13 km entfernten Tankstelle zu gehen und sich sodann gegen 2,00 Uhr des 23.Oktober 1994 in dem vom Tatort ca 13 bis 15 km entfernten Tanzlokal "E*****" (gemeint: L*****) in Haidershofen einzufinden.

Solcherart wird aber eine fehlerhafte Urteilsbegründung in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht prozeßordnungsgemäß dargetan; denn entscheidend ist fallbezogen nicht, wie der Angeklagte zum Tatort und weiter zum genannten Lokal gelangt ist, sondern allein, daß und auf welche Weise er den ihm zur Last gelegten Einbruchsdiebstahl verübt hat. Die für die Verwirklichung des in Rede stehenden Verbrechens geforderten objektiven und subjektiven Tatbestandselemente hat das Schöffengericht jedoch in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) auf der Basis der gesamten wesentlichen Verfahrensergebnisse sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks festgestellt (US 4 f) und auch mit aktengetreuer, zureichender und denkmöglicher Begründung dargelegt, warum es der insgesamt als unglaubwürdig beurteilten leugnenden Verantwortung des Angeklagten in keinem Punkte gefolgt ist (US 5 f). Dabei war es nach der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht verhalten, dessen gesamtes Vorbringen und sämtliche seiner Einwände in extenso zu erörtern. Genug daran, daß es im Urteil in gedrängter Form die als erwiesen angenommenen entscheidenden Tatsachen bezeichnet und die (vorliegend auf objektive, geradezu zwingende Beweisergebnisse gestützten) Gründe (so etwa: Ablehnung eines weiteren Lokalbesuches mangels Bargeld am Abend des 22.Oktober 1994; Wissen um das Geldversteck; dessen gezieles Aufsuchen; plötzliche Spendierfreudigkeit des Angeklagten nach 2 Uhr morgens im Tanzlokal L*****; Sicherstellung von 12.650 S Bargeld inklusive einer ungewöhnlich großen Münzgeldmenge) angeführt hat, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme geführt haben (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 7 f; § 270 Z 5 E 78, 82, 105, 117 ff).

Der behauptete formale Begründungsmangel haftet daher dem bekämpften Urteil in keiner Richtung an.

Nur der Vollständigkeit halber sei zur (aufgeworfenen, aber keineswegs relevanten) Frage, auf welche Weise der zwanzigjährige, körperlich nicht beeinträchtigte Angeklagte die rund 26 km zurückgelegt hat, erwidert, daß es ihm angesichts der zur Verfügung gestandenen Zeit möglich war, diese Wegstrecke notfalls auch zu Fuß oder per Autostop zurückzulegen, wie er dies teilweise schon bei früheren Diebszügen - wenngleich nicht in diesem Ausmaß - getan hat (vgl hiezu zB S 209 ff der ON 56 in Band II des Vorstrafaktes 10 Vr 430/90 des Kreisgerichtes Steyr, auf dessen Inhalt das Erkenntnisgericht Bezug genommen hat - vgl US 3, 6 f).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) leitet der Nichtigkeitswerber mit einigen (an sich zutreffenden) Leitsätzen verschiedener Strafprozeßrechtskommentatoren ein, führt erneut seine Behauptung über die Anwesenheit in der Wohnung während des tataktuellen Zeitraumes ins Treffen und folgert aus all dem, daß der relevierte Nichtigkeitsgrund im gegenständlichen Fall deshalb vorliege, weil "die Beweiswürdigung des Erstgerichtes fragwürdig ist, das Erstgericht in den Urteilsgründen Beweismaterial, das in den Akten vorhanden ist, außer Betracht läßt bzw .... weiteren Erkenntnisquellen, ...., nicht nachgegangen ist", wobei er der Sache nach mit dem letztbezeichneten Vorbringen eine mangelnde Berücksichtigung von Fingerabdruckspuren moniert.

Mit diesem Vorbringen argumentiert der Rechtsmittelwerber jedoch schlichtweg daran vorbei, daß zum einen die Tatrichter die von ihm gewählte Verantwortungsvariante (mit mängelfreier Begründung) als "völlig unglaubwürdig" beurteilt haben (US 5), zum anderen die Auswertung der an einer Gartenhütte am Tatort gesicherten zwei Fingerabdrücke durch das Büro für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung der Bundespolizeidirektion Wien kein verwertbares Ergebnis erbrachte (vgl ON 25 iVm S 182).

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang dem Erstgericht zum Vorwurf macht, es habe verabsäumt, die erhebenden Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Haag, nämlich S*****, V***** und G*****, zu laden und zur Auswertung der in Rede stehenden Fingerabdrücke zu befragen, genügt der Hinweis, daß es seine oder seines Verteidigers Sache gewesen wäre, in der Hauptverhandlung einen darauf abzielenden begründeten Antrag zu stellen, nach dessen Abweisung durch den Gerichtshof ihm die Erhebung der Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO offengestanden wäre. Da dies nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls unterlassen wurde, kann er sich dagegen im Rahmen der Beweisrüge nicht beschweren, zumal die Einvernahme der genannten Zeugen zum angeführten Beweisthema nach Lage des Falles auch von Amts wegen unter dem Aspekt eines fairen Verfahrens nicht geboten erschien.

Zusammenfassend vermag demnach der Nichtigkeitswerber weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 a E 2). Nach Inhalt und Zielrichtung des gesamten Beschwerdevorbringens trachtet er vielmehr im Kern bloß nach Art einer - gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehenen - Schuldberufung, die zu seinem Nachteil ausgefallene tatrichterliche Lösung der Schuldfrage in Zweifel zu ziehen und seiner leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 StPO zurückzuweisen.

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten (§§ 285 i; 498 Abs 3 letzer Satz StPO).

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