OGH 15Os69/95

OGH15Os69/951.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Stöckelle als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nezati K***** und Lutvi S***** wegen des - teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) begangenen - Verbrechens nach § 12 Abs 1 vierter Fall und Abs 2 erster Satz erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Jänner 1995, GZ 6 b Vr 8879/94-68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten S***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Lutvi S***** wurde (zugleich mit Nezati K*****, dessen Urteil in Rechtskraft erwachsen ist) des - zum Teil in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) begangenen - Verbrechens nach § 12 Abs 1 vierter Fall und Abs 2 erster Satz erster Fall SGG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Ihm liegt zur Last, in Wien in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit Nezati K***** als Mittäter den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Heroin, gewerbsmäßig in einer großen Menge in Verkehr gesetzt bzw in Verkehr zu setzen versucht zu haben, indem sie in der Zeit von Jänner bis Anfang August 1994 insgesamt 79 Gramm an sieben im Urteilsspruch (I.1. bis I.7.) genannte Personen verkauft und am 10.August 1994 rund 98 Gramm zum Verkauf bereitgehalten zu haben, indem sie das Heroin in Briefchen verpackt teils bei sich, teils in der Wohnung in Wien 20, Klosterneuburgerstraße 11, verbargen (II.).

Rechtliche Beurteilung

Laut Punkt 1 der Beschwerdeausführungen (vgl 2 f/II) bekämpft der Angeklagte S***** - trotz der unscharfen Formulierung des Punktes 1 der Beschwerdeanträge (3/II) - lediglich die erstgerichtliche Urteilsannahme, er habe das ihm angelastete Suchtgiftverbrechen "gewerbsmäßig" im Sinne des § 12 Abs 2 erster Satz erster Fall SGG verübt, mit einer allein auf die Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Inhaltlich des (zusammengefaßt wiedergegebenen) Beschwerdevorbringens behauptet der Beschwerdeführer, aus den Akten ergäben sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld hinsichtlich der Frage der gewerbsmäßigen Begehung der Tat zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen; aus den Akten bzw den vorliegenden Beweisergebnissen sei nämlich für das Vorliegen der Gewerbsmäßigkeit nichts zu entnehmen; das vom Erstgericht hiefür ins Treffen geführte Argument der "finanziellen Situation" des Angeklagten sei nicht stichhältig und sachlich unbegründet, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß sein (mit der Arbeitslosenunterstützung finanzierter) Lebensstil anders als bescheiden gewesen wäre, und "die bloße Herkunft aus demselben Ort in der Türkei" (wie der Angeklagte K*****) sowie "die Benützung der gleichen Wohnmöglichkeit" (wie K*****) noch keinen Schluß darauf zulasse, "daß eine nach außen ähnlich in Erscheinung tretende Handlungsweise [wie jene des K*****] auf die gleiche Motivation zurückgeführt werden könne".

Diese (prozeßordnungswidrig nur einzelne festgestellte Tatsachen isoliert betrachtende) Beschwerdeargumentation zielt indes der Sache nach auf die Geltendmachung einer (vermeintlich) offenbar unzureichenden Urteilsbegründung (im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO) bezüglich der Gewerbsmäßigkeit ab. Sie scheint jedoch zweierlei zu verkennen, nämlich zum einen, daß mit diesem Nichtigkeitsgrund nur formale Begründungsmängel gerügt werden können, und zum anderen, daß auch die Beweisrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 a StPO) unter die formellen Nichtigkeitsgründe einzureihen ist, demnach in ihrer prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichkommt (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 a E 1).

Davon ausgehend muß sich der Rechtsmittelwerber den Vorwurf gefallen lassen, daß er alle (im Zusammenhang zu berücksichtigenden) weiteren vom Erstgericht zur Untermauerung der konstatierten Gewerbsmäßigkeit angeführten Prämissen (US 6 ff; so etwa: Verkauf des in "Briefchen" abgepackten Heroins an fixen Orten, nämlich in den Lokalen "M*****" und "R*****" im 20.Wiener Gemeindebezirk und in Wien 21., Engelsplatz, an verschiedene Konsumenten rund acht Monate lang durch beide in der Szene als Heroindealer bekannten Angeklagten; jeweils gleichartiger Verkaufsablauf des in den - an sich unbewohnten - Räumen der Wohnung in Wien 20., K*****straße 13/11, "gebunkerten" Heroins; Sicherstellung einer - üblicherweise für den fortgesetzten Verkauf kleinerer Suchtgiftmengen gebräuchlichen - Präzisionswaage sowie von 24.840 S Bargeld, von 127 Papierbriefchen mit 98 Gramm gestrecktem Heroin; das in der Hauptverhandlung am 12.Jänner 1995 abgelegte volle Schuldbekenntnis des Angeklagten ***** - vgl 437/I iVm US 9 -) glattweg übergeht, die in ihrer Gesamtheit die aktengetreue, zureichend und in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen begründete erstgerichtliche Urteilsannahme des zusätzlichen (hier strafsatzbedingenden) Schuldelementes (§ 70 StGB) durchaus zu tragen vermögen. Hat doch das Schöffengericht vorliegend die Absicht, in der (auch) der Beschwerdeführer gehandelt hat, zulässigerweise durch Schlußfolgerungen sowohl aus dem - in allen seinen Einzelheiten erhobenen - äußeren Verhalten des Angeklagten als auch aus einer Mehrzahl von markanten Umständen festgestellt (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 258 E 62), wobei nach gefestigter Rechtsprechung (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 258 E 20 ff; § 281 Z 5 E 148 f mit zahlreichen Judikaturhinweisen) nicht nur zwingende, sondern auch den Denkgesetzen nicht widersprechende Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zu Tatsachenfeststellungen berechtigen.

Nach Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof ist daher zusammenfassend zu sagen, daß der Beschwerdeführer weder einen formalen Begründungsmangel (Z 5) aufzuzeigen noch Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Natur - gegen die Annahme entscheidender Tatsachen zu erwecken vermag (Z 5 a), zumal - wie der Vollständigkeit halber anzumerken ist - eine für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung solcher Bedenken keineswegs - wie es der Beschwerdeführer getan hat - in dem Vorbringen bestehen kann, daß das Erstgericht Beweisergebnisse (nach Meinung des Nichtigkeitswerbers) bedenklich gewürdigt habe; denn der Nichtigkeitsgrund der Z 5 a gestattet ebensowenig wie jener nach Z 5 die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 a E 4; § 281 Z 5 E 1, 144 ff).

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 StPO zurückzuweisen, woraus folgt, daß die Entscheidung über die Berufung in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien fällt (§ 285 i StPO).

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