OGH 11Os46/95

OGH11Os46/9530.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Mai 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Hager, Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Svatek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gottfried St***** wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Steyr vom 15. Dezember 1994, GZ 11 Vr 114/94-74, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, und des Verteidigers Dr.Rogler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Wahrspruch der Geschworenen zu den den nachangeführten Schuldsprüchen zugrundeliegenden Fragen und in den darauf beruhenden Schuldsprüchen wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, begangen an Anneliese L***** und Elfriede W***** (Punkte A/1 und B/1), wegen des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (Punkte A/2 a und b sowie B/2 a und b), wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB hinsichtlich der in der Zeit von Sommer 1981 bis Anfang Februar 1982 gesetzten Tathandlungen (Punkte B/2 a und b), wegen des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses hinsichtlich Anneliese L***** betreffend den Tatzeitraum von 1973 bis April 1974 und hinsichtlich Elfriede W***** betreffend den Tatzeitraum von Sommer 1981 bis Anfang Februar 1982 (teilweise Punkt A/3 sowie Punkt B/5 zur Gänze) und wegen des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (Punkt B/4), sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Geschworenengericht beim Landesgericht Steyr zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem einstimmigen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Gottfried S***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen teils nach § 207 Abs 1 StGB (Punkte A/1 und B/1), teils nach § 207 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (Punkt C/1), des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (Punkte A/2 a und b sowie B/2 a und b), und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB (Punkte B/2 a und b und 3) sowie der Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (Punkte A/3, B/5 und C/2) und der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (Punkt B/4) schuldig erkannt.

Darnach hat er in N***** und anderen Orten

A./ in Ansehung seiner am 27.April 1960 geborenen Schwägerin Anneliese L*****

1./ im Jahre 1973 die Unmündige auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er ihre Hand erfaßte und an sein Glied führte,

2./ an der Unmündigen den außerehelichen Beischlaf unternommen, und zwar

a./ im Spätherbst 1973 in W***** in einem Waldstück, indem er mit ihr in seinem PKW geschlechtlich verkehrte,

b./ in der Zeit von Spätherbst 1973 bis April 1974 in wiederholten Angriffen, indem er in etwa wöchentlichen Abständen mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzog, wobei die unter 2./a./ und b./ angeführten Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zur Folge hatten, nämlich ein chronifizierendes, neurotisch-depressives Syndrom mit Angstzuständen und Schlafstörungen sowie eine schwere sexuelle Funktionsbeeinträchtigung,

3./ durch die unter 1./ und 2./ genannten Fälle sowie in weiterer Folge bis April 1979 durch wiederholten Beischlaf unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden minderjährigen Anneliese L***** diese zur Unzucht mißbraucht;

B./ in Ansehung seiner am 14.Februar 1968 geborenen Tochter Elfriede W*****

1./ an einem Freitag im Sommer 1981 die Unmündige auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er ihr von hinten sein Glied zwischen die Beine steckte und damit nahe ihrer Scheide bis zum Samenerguß rieb,

2./ die Unmündige zum außerehelichen Beischlaf genötigt, und zwar

a./ im Sommer 1981, indem er sich zu ihr ins Bett legte, sie mit Gewalt auf den Rücken drehte, ihre Beine auseinanderzwängte und mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang,

b./ in der Zeit von Sommer 1981 bis Anfang Februar 1982 etwa in wöchentlichen Abständen jeweils am Freitag oder Samstag, indem er sie schlug oder ihr Schläge androhte und sodann den Geschlechtsverkehr an ihr vollzog, wobei die unter 2./a./ und b./ angeführten Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 StGB) zur Folge hatten, nämlich ein schweres chronifizierendes neurotisch-depressives Zustandsbild mit Angstsymptomen, Schlafstörungen sowie psychosomatischen Beschwerden,

3./ in der Zeit von Mitte Februar 1982 bis Mitte Februar 1986 sie in etwa wöchentlichen Abständen mit Gewalt, indem er sie schlug oder ihr Schläge androhte, zum außerehelichen Beischlaf und gleichwertigen Handlungen (Oralverkehr) genötigt, wobei die Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 StGB) zur Folge hatten, nämlich ein schweres chronifizierendes neurotisch-depressives Zustandsbild mit Angstsymptomen, Schlafstörungen und psychosomatischen Beschwerden,

4./ von Sommer 1981 bis Anfang Februar 1982 durch die unter B./2./ oben beschriebenen Tathandlungen an einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen,

5./ von Sommer 1981 bis Anfang Februar 1982 durch die unter B./1./ und 2./ oben beschriebenen Tathandlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbraucht;

C./ in Ansehung seines am 2.November 1989 geborenen Enkelsohnes Bernhard S*****

1./ von November 1992 bis Mitte 1993 den Unmündigen in mehreren Fällen zur Unzucht mißbraucht, indem er ihn veranlaßte, den Beschuldigten an seinem Geschlechtsteil zu betasten und sein Glied auch in den Mund zu nehmen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 StGB) zur Folge hatte, nämlich eine psychosoziale Deprivation und neurotische Erstsymptome wie Verhaltensstörungen und Schuldkomplexe,

2./ durch die unter C./ 1./ beschriebenen Tathandlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht mißbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 6, 8, 9, 10 a, 11 lit a und b sowie 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 (hilfsweise auch auf Z 4, 6, 11 lit a und b sowie 12) des § 345 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, daß die Geschworenen die zu den - auf die im Tatzeitraum von Mitte Februar 1982 bis Mitte Februar 1986 zum Nachteil seiner Tochter Elfriede W***** begangenen Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB sowie des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB gerichteten - Hauptfragen 17 und 25 gestellten, jeweils auf Verjährung gerichteten Zusatzfragen 18 und 26 bejahten ein Freispruch von diesen Anklagevorwürfen jedoch nicht ergangen sei.

Die Verletzung oder Vernachlässigung einer Vorschrift, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt, in der Hauptverhandlung vermag der Angeklagte nicht aufzuzeigen, sodaß der Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 4 StPO nicht gegeben ist. Eine Nichtigkeit nach Z 6 des § 345 Abs 1 StPO begründende Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung ist gleichfalls nicht gegeben, zumal der Schwurgerichtshof der Bestimmung des § 313 StPO durch Stellung der erwähnten Zusatzfragen voll entsprochen hat. Die gleichzeitige Bejahung der Hauptfragen 17 und 25 sowie der Zusatzfragen 18 und 26 stellt auch keime undeutliche oder in sich widersprechende Fragenbeantwortung (Z 9) dar, sondern entspricht dem im Verfahren vor den Geschworenengerichten vorgesehenen Fragenschema (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 332 ENr 16). Solcherart haben die Geschworenen unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie die Begehung der den erwähnten Hauptfragen zugrunde liegenden Tathandlungen durch den Angeklagten zwar als erwiesen ansehen, die Strafbarkeit jedoch infolge Verjährung als erloschen erachten. Eine Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10 StPO liegt schon deshalb nicht vor, weil - nach dem vollen Beweis machenden Protokoll über die Hauptverhandlung - weder ein Auftrag des Schwurgerichtshofes an die Geschworenen zur Verbesserung des Wahrspruchs ergangen ist, noch ein oder mehrere Geschworene ein bei der Abstimmung unterlaufenes Mißverständnis behauptet haben.

Soweit der Beschwerdeführer einen Freispruch von den den Hauptfragen 17 und 25 zugrunde liegenden Anklagevorwürfen anstrebt, erweist sich seine Rüge als nicht zu seinem Vorteil ausgeführt, weil er wegen der von den bezeichneten Fragen umfaßten strafbaren Handlungen gar nicht schuldig erkannt wurde. Diese Hauptfragen waren gemäß der Vorschrift des § 312 Abs 2 StPO bloß auf die in Idealkonkurrenz mit dem Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und 3 erster Fall StGB - worauf die Hauptfrage 9 gerichtet war - begangenen Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB und des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB gerichtet. Nachdem die Geschworenen die Hauptfrage 9 bejaht hatten, wurde der Angeklagte hinsichtlich dieser Taten des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt (Punkt B./3./), wogegen ein Freispruch hinsichtlich der idealkonkurrierenden Vergehen aus rechtlichen Gründen nicht zu erfolgen hatte (Mayerhofer/Rieder aaO § 259 ENr 61). Daran ändert auch nichts die für das Verfahren vor den Geschworenengerichten geltende Sondervorschrift des § 336 StPO, derzufolge der Schwurgerichtshof sofort ein freizusprechendes Urteil zu fällen hat, wenn die Geschworenen die Schuldfrage verneint oder Zusatzfragen (§ 313 StPO) bejaht haben, weil auch in dem hier aktuellen Verfahren nicht von einer rechtlichen Qualifikation, sondern nur "von der Anklage" freigesprochen werden darf, diese aber die Tat in ihrer Totalität und nach allen Gesichtspunkten hin umfaßt, von welchen sie als strafbar erscheinen kann (vgl Mayer Kommentar Band III 317). Der Beschwerdeführer vermag daher keinen der geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgründe aufzuzeigen.

Mit der Instruktionsrüge (Z 8) macht der Beschwerdeführer eine Unvollständigkeit der den Geschworenen erteilten Rechtsbelehrung geltend. Er verkennt dabei, daß § 345 Abs 1 Z 8 StPO grundsätzlich nur eine unrichtige, dh mit den gesetzlichen Bestimmungen oder Grundsätzen des Strafrechts oder Strafverfahrens im Widerspruch stehende Rechtsbelehrung mit Nichtigkeit bedroht (Mayerhofer/Rieder aaO § 345 Z 8 ENr 65). Eine Unvollständigkeit ist nur dann einer Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung gleichzustellen, wenn letztere zufolge ihrer Unvollständigkeit zu Mißverständnissen in Ansehung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Haupt- und Eventualfrage gerichtet ist, zu irriger Auslegung der in den einzelnen Fragen enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes oder zu Irrtümern über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander oder über die Folgen der Bejahung oder der Verneinung der einzelnen Fragen Anlaß geben kann, oder überhaupt nach den Umständen des einzelnen Falles geeignet ist, die Geschworenen bei Beantwortung der an sie gestellten Fragen auf einen falschen Weg zu weisen (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 66). Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes in der Rechtsbelehrung macht diese nur dann zu einer unvollständigen, wenn sie zu Mißverständnissen und Irrtümern Anlaß geben könnte. Insbesondere erfordern deskriptive Tatbestandsmerkmale, die dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommen und daher jedermann verständlich sind, keinerlei Erörterung (Mayerhofer/Rieder aaO ENr 30).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen war daher eine nähere Darlegung der Kausalität der jeweiligen Tathandlung für die schwere Verletzungsfolge im Sinne der §§ 201 Abs 3, erster Fall, 206 Abs 2 erster Fall und 207 Abs 2 erster Fall StGB nicht erforderlich, sondern genügte die Darlegung des Gesetzestextes, demzufolge der hier aktuelle strafsatzerhöhende Umstand dann eintritt, wenn die Tat eine schwere Körperverletzung zur Folge hatte. Hiebei handelt es sich um ein solches allgemein verständliches deskriptives Qualifikationsmerkmal, das keiner weiteren Erklärung bedurfte. Eine gesonderte Darlegung des Erfordernisses der objektiven Erfolgszurechnung war gleichwohl nicht erforderlich, weil der Eintritt schwerer psychischer oder seelischer Schäden eine typische Folge des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Jugendlichen darstellt. Einer eingehenden Überprüfung des erwähnten Kriteriums bedarf es nämlich nur in speziellen Fallkonstellationen, die Anhaltspunkte dafür bieten, daß durch das inkriminierte Täterverhalten ausnahmsweise nicht jenes Risiko verwirklicht sein könnte, dem der entsprechende Straftatbestand entgegenwirken soll (Mayerhofer/Rieder aa O ENr 28 a).

Da auch die Legaldefinition des Vorsatzes in § 5 StGB und der Fahrlässigkeit in § 6 StGB rein deskriptiver Natur sind, reicht die Wiedergabe der erwähnten Gesetzesbestimmungen in der Rechtsbelehrung aus (Mayerhofer/Rieder aaO ENr 31 a). Entgegen der Rüge bedurfte es daher auch keiner genaueren Darlegung der einzelnen Fahrlässigkeitskomponenten. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, daß die Rechtsbelehrung nicht klarstelle, zu welchem Zeitpunkt der Tathandlung die entsprechende Schuldform vorliegen müsse, ist er auf die Ausführungen zu den einzelnen Hauptfragen zu verweisen, welche eindeutig klarlegen, daß das Vorhandensein der jeweiligen Schuldform für die Erfüllung der Tatbestände jeweils begriffsessentiell ist. Im übrigen führt die Rechtsbelehrung (S 4) ausdrücklich aus, daß der erforderliche Vorsatz im Augenblick des tatbildlichen Verhaltens vorhanden sein muß.

Keine Berechtigung kommt auch der Tatsachenrüge (Z 10 a) zu, soweit sie die mangelhafte Begründung des Wahrspruchs der Geschworenen geltend macht. Der Beschwerdeführer läßt außer acht, daß der Obmann der Geschworenen nach der Vorschrift des § 331 Abs 3 StPO die Erwägungen, von denen die Mehrheit der Geschworenen ausgegangen ist, bloß in einer kurzen Niederschrift anzugeben hat. Diese dient lediglich dazu, den Geschworenen ihre Bindung an das Gesetz während des Abstimmungsvorganges nachhaltig zum Bewußtsein zu bringen, um eine das Gesetz nicht beachtende Fragebeantwortung zu vermeiden und Anhaltspunkte für die allfällige Einleitung des Moniturverfahrens (§ 332 Abs 4 StPO) oder für die notwendige Aussetzung der Entscheidung (§ 334 Abs 1 StPO) zu bieten. Damit kommt dieser schlagwortartigen Angabe der Erwägungen, von denen sich die Geschworenen bei der Beantwortung der an sie gestellten Fragen leiten ließen, die Funktion einer anfechtbaren Begründung des Wahrspruches im technischen Sinn nicht zu, sodaß sie wegen Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder inneren Widerspruches nicht angefochten werden kann; vielmehr begründet der Umstand, daß die Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO eine ausreichende Begründung des Wahrspruches nicht enthält, keine Nichtigkeit (Mayerhofer/Rieder aaO ENr 8, 10, 11 und 14, Foregger/Kodek StPO6 Erl I und II je zu § 331).

Die Tatsachenrüge ist auch unbegründet, soweit sie erhebliche sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsache des sexuellen Mißbrauchs des unmündigen Bernhard St***** durch den Angeklagten geltend macht. Entgegen dem Beschwerdevorbringen sprechen nicht nur gewichtige in der Hauptverhandlung vorgeführte Indizien für einen solchen Mißbrauch, sondern auch die Angaben des Kindes bei der kontradiktorischen Vernehmung durch die kinderpsychologische Sachverständige Dr.H***** im Vorverfahren. Der Umstand, daß der psychiatrische Sachverständige Prim.Dr.S***** beim Angeklagten pädophile Neigungen nicht fand, vermag die geltend gemachten Bedenken nicht zu begründen.

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Berechtigt ist die Tatsachenrüge hingegen, soweit sie sich gegen die von den Geschworenen im Wahrspruch getroffenen Feststellungen richtet, daß der Angeklagte mit seiner Schwägerin Anneliese L***** und seiner Tochter Elfriede W***** jeweils auch vor Vollendung deren vierzehnten Lebensjahres den außerehelichen Beischlaf unternommen bzw sie zur Unzucht mißbraucht habe. Auszugehen ist davon, daß die sexuelle Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Schwägerin vor mindestens 20 Jahren begann, sodaß seither ein so langer Zeitraum vergangen ist, daß die genaue zeitliche Einordnung von damals stattgefundenen Ereignissen nach menschlicher Erfahrung nur schwer möglich ist, soferne nicht markante Anhaltspunkte dies erleichtern. So gab zwar Anneliese L***** wiederholt an, zu Beginn der sexuellen Annäherung des Angeklagten dreizehn oder dreizehneinhalb Jahre bzw noch nicht vierzehn Jahre alt gewesen zu sein bzw daß die Vorfälle im Jahre 1973 begonnen hätten (Band I/S 69 ff, 198 f, Band II/S 337 ff, 351 ff), doch äußerte sie selbst Bedenken gegen die Präzision ihrer zeitlichen Angaben (335/II). Nach ihrer Aussage vor der Polizei fand der erste Geschlechtsverkehr mit dem Beschwerdeführer im Spätherbst oder im Frühwinter in einem Waldstück bei W***** im PKW der Marke BMW des Angeklagten statt (Band I/S 71). Auch die kurz zuvor stattgefundene Fahrt nach B*****, bei der sich ihr der Angeklagte ihr erstmals sexuell genähert habe, sei mit dem PKW der Marke BMW durchgeführt worden (Band I/S 189, Band II/S 339, 359 ff). Die Verknüpfung des Beginns der sexuellen Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner Schwägerin mit einem PKW der Marke BMW läßt jedoch erhebliche Bedenken gegen die zeitliche Einordnung der Vorfälle der Vollendung des vierzehnten Lebensjahres der Zeugin aufkommen, weil der Angeklagte nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens den PKW BMW 1600 erst mit Kaufvertrag vom 30.Juli 1974, also zu einem Zeitpunkt, zu dem Anneliese L***** ihr vierzehntes Lebensjahr bereits vollendet hatte, angeschafft hat (Blg ./D zum Hauptverhandlungsprotokoll). Dafür, daß der Beschwerdeführer bereits vorher einen PKW der Marke BMW benützt hätte, liegen keine Beweisergebnisse vor; auch der Zeuge Florian St*****, nach dessen Angaben der Beschwerdeführer einen PKW BMW 1501 besessen hätte, sprach nur von einem Auto dieser Marke (Band II/S 435 ff). Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens hatte der Angeklagte vor dem "BMW" vielmehr einen PKW Opel Kadett B besessen (Kaufvertrag Blg ./B zum Hauptverhandlungsprotokoll). Der Umstand, daß sich die Zeugin Anneliese L***** bloß an den PKW der Marke BMW erinnern konnte (Band II/S 359 ff), vermag ihre Glaubwürdigkeit betreffend die zeitlichen Angaben keineswegs zu stützen. Weitere Beweisergebnisse, die eine zweifelsfreie zeitliche Einordnung des Beginns der sexuellen Beziehung zu Anneliese L***** zuließen, liegen nicht vor. Zum Zeitpunkt ihres Schwangerschaftsabbruchs am 20. Dezember 1977 (Band I/S 419) war die Genannte bereits siebzehneinhalb Jahre alt, sodaß von diesem Ereignis aus ein sicherer Rückschluß nicht möglich ist. All dies läßt erhebliche Bedenken gegen die Annahme der Tatbegehung vor dem vierzehnten Lebensjahr der Anneliese L***** aufkommen.

Ähnlich stellt sich die Beweissituation hinsichtlich der Tochter Elfriede W***** dar, deren sexueller Mißbrauch zumindest etwa ein Jahrzehnt zurückliegt. Dazu kommt, daß Elfriede W***** bei ihrer Vernehmung durch die Polizei das Alter von Anneliese L***** zum Zeitpunkt ihrer Schwängerung durch den Beschwerdeführer mit fünfzehn Jahren angab, wogegen - wie erwähnt - der Zeitpunkt der Schwangerschaftsunterbrechung der Genannten mit dem 20.Dezember 1977, zu dem diese bereits mehr als siebzehneinhalb Jahre alt war, feststeht (Band I/S 419). Diese Fehleinschätzung läßt bereits erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Zeugin Elfriede W***** zur zeitlichen Einordnung des ihr widerfahrenen geschlechtlichen Mißbrauchs aufkommen. Dessen Beginn schilderte sie vor der Polizei dahin, daß ihr Vater ihr "im Alter von zwölf Jahren", als sie die zweite Klasse Hauptschule besucht habe, zunächst in übermäßiger Weise Komplimente gemacht habe, was sich "bis zu ihrem zwölften Geburtstag" fortgesetzt habe (Band I/S 19). Weiters schilderte sie vor der Polizei eine gewaltsame Nötigung zum Geschlechtsverkehr zu einem Zeitpunkt an einem Samstag Vormittag, als ihre Mutter im Krankenhaus gearbeitet habe, wobei sie ihr Alter zum damaligen Zeitpunkt mit zwölfeinhalb Jahren angab (Band I/S 21; vgl auch Band I/S 183 f und Band II/S 165 ff). Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens hatte ihre Mutter Elfriede St***** jedoch erst am 3. Mai 1982 - als Elfriede W***** somit das vierzehnte Lebensjahr bereits vollendet hatte - im Krankenhaus der Kreuzschwester in S***** zu arbeiten begonnen (Band II/S 57, 317). Bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung durch den Untersuchungsrichter räumte sie ein, daß der Vorfall wahrscheinlich erst im Jahre 1982 stattgefunden habe, als sie damals in die zweite oder dritte Klasse Hauptschule gegangen sei, wobei sie die dritte Klasse Volksschule wiederholt hatte (Band I/S 184). Schließlich gab sie bei dieser Vernehmung an, sie wisse nicht mehr genau, wie alt sie gewesen sei, sie wisse nur mehr, was passiert sei (Gerichtsakt Band I/S 186).

Auch bei ihrer Vernehmung als Zeugin in der Hauptverhandlung konnte Elfriede W***** keine eindeutigen Angaben zu ihrem Alter bei Beginn ihres sexuellen Mißbrauches durch den Angeklagten machen. So gab sie an, nicht mehr genau zu wissen, wann es angefangen habe, sie sei aber wahrscheinlich schon eher dreizehn gewesen (Band II/S 159). Als fixen Anhaltspunkt konnte sie nur einen Vorfall im November 1983 nennen, als sie von einem Unbekannten vom Fahrrad gezogen worden war (Band II/S 161 ff); zu diesem Zeitpunkt war sie jedoch schon mehr als fünfzehneinhalb Jahre alt. Keine zwei Jahre vorher habe ihr Vater mit ihr angefangen, sie wisse das nicht mehr genau (161/II, insbesondere 167). Ihre präzisen Angaben vor der Gendarmerie betreffend ihr Alter erklärte sie damit, daß die Gendarmen dies an Hand ihres Schulbesuches ausgerechnet hätten (167/II). Hiebei machte sie keine Angaben darüber, ob die Wiederholung einer Schulklasse bei dieser Berechnung berücksichtigt wurde. Der Beginn des Mißbrauchs durch ihren Vater sei jedenfalls noch in der Schulzeit gewesen, doch könne sie nicht mehr angeben, welche der vier Klassen der Hauptschule sie zu diesem Zeitpunkt besucht habe (171/II). Insgesamt bestehen daher erhebliche Bedenken gegen die von den Geschworenen in ihrem Wahrspruch getroffenen Feststellungen hinsichtlich des sexuellen Mißbrauchs der Elfriede W***** vor Vollendung ihres vierzehnten Lebensjahres. Weitere Beweisergebnisse, die eine eindeutige zeitliche Einordnung der Mißbrauchshandlungen des Angeklagten zuließen, hat das Beweisverfahren nicht erbracht.

Die bei dieser Sachlage begründeten erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen insoweit festgestellten entscheidenden Tatsachen (Z 10 a) nötigen zur Erneuerung des Verfahrens, sodaß in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wie im Spruch zu erkennen war.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

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