OGH 1Ob1585/95(1Ob1586/95)

OGH1Ob1585/95(1Ob1586/95)29.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****Grundstücksverwertungs- gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Franz J.Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Helga B*****, Vertragsbedienstete, ***** vertreten durch Dr.Hans Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S11.051,98 sA und Räumung infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 8. Februar 1995, GZ 40 R 35 und 45/95-20, womit das in den verbundenen Rechtssachen 43 C 560/93 (führender Akt) und 43 C 469/93 erlassene Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31.Oktober 1994, GZ 43 C 560/93-15, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Verfahren 43 C 560/93 faßte und verkündete das Erstgericht in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3.Mai 1994 den Beschluß, die Verfahren 43 C 560/93 und 43 C 469/93 "zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung" zu verbinden (ON 12 S 3). Zu 43 C 469/93 begehrte die klagende Partei, die Beklagte zur Zahlung "des fälligen Mietzinses für Oktober 1993" von S 3.687,66 sA zu verurteilen; zu 43 C 560/93 erhob die klagende Partei ein auf den rückständigen Mietzins für die Monate November und Dezember 1993 bezogenes Leistungsbegehren von S 7.364,32 sA und ein Räumungsbegehren.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren in den verbundenen Rechtssachen ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Revision im Verfahren 43 C 469/93 ist jedenfalls, jene im Verfahren 43 C 560/93 mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Zu 43 C 469/93:

Rechtliche Beurteilung

Hat das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Fall - über verbundene Rechtssachen gemeinsam entschieden, ist das für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ohne Bedeutung; die Zulässigkeit der Revision ist daher für jeden der verbundenen Prozesse gesondert zu beurteilen (Kodek in Rechberger, Komm zur ZPO Rz 1 zu § 502 mwN).

Da zu 43 C 469/93 nur über ein Leistungsbegehren von S 3.687,66 sA, nicht aber auch über eine Kündigung, Räumung oder das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrages entschieden wurde, ist die in § 502 Abs 3 Z 2 ZPO für die Zulässigkeit der Revision getroffene Regelung unanwendbar. Insofern ist daher die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 50.000 nicht übersteigt.

Zu 43 C 560/93:

Es mag - wie die Revision ausführt - durchaus sein, daß der Mehrheitseigentümer eines in Miteigentum stehenden Bestandgegenstandes aktiv legitimiert ist, gegen den Bestandnehmer eine auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsklage einzubringen. Einer näheren Erörterung bedarf diese Frage jedoch nicht, weil das Räumungsbegehren auch dann nicht erfolgreich sein könnte, wenn man die Aktivlegitimation der klagenden Partei als Eigentümerin der Anteilsmehrheit der in Miteigentum stehenden Bestandsache bejahte. Das Berufungsgericht erkannte richtig, daß die Miteigentümer einer Bestandsache den Bestandzins als Gesamthandforderung grundsätzlich nur gemeinsam einfordern können (MietSlg 39.064), es sei denn, sie hätten etwas anderes vereinbart, sodaß der klagende Miteigentümer als jener anzusehen wäre, der die ganze Gemeinschaft im Sinne des § 848 Satz 2 ABGB "ordentlich vorstellt" (Gamerith in Rummel, ABGB2 Rz 5 zu § 848 und Rz 3 zu § 890 mwN; jüngst in diesem Sinn: 4 Ob 568/94).

Obwohl die klagende Partei seit 23.Juli 1993 nicht mehr Alleineigentümerin der Bestandsache ist, begehrte sie die Zahlung der Mietzinse für November und Dezember 1993 allein an sich, ohne je vorgebracht zu haben, aus welchen Gründen sie die Gemeinschaft im Sinne des § 848 Satz 2 ABGB "ordentlich vorstellen" soll, und zwar ungeachtet der Bestreitung ihrer Aktivlegitimation durch die Beklagte (ON 12 S 1). Die klagende Partei legte auch selbst einen Grundbuchsauszug vor, der sie nicht als Alleineigentümerin der Bestandsache auswies (ON 14 S 1 und Blg./D); nach dem sonstigen Verfahrensinhalt in den verbundenen Prozessen war überdies klar, daß die Beklagte daran zweifelte, an wen sie den Mietzins mit schuldbefreiender Wirkung zahlen soll (vgl zB die Parteienvernehmung der Beklagten in ON 14 S 2 ff und die Blg./C und ./2). Schon deshalb geht die Revision unrichtig davon aus, das Prozeßvorbringen der klagenden Partei im Verfahren erster Instanz habe deren Sachlegitimation impliziert; es habe demnach auch kein Anlaß für eine Behauptung bestanden, die klagende Partei mache den Mietzins mit "Zustimmung des zweiten Miteigentümers" geltend. Soweit die Revision behauptet, die Beklagte habe gewußt, daß die klagende Partei "infolge einer Übereinstimmung und ausdrücklichen Zustimmung seitens des zweiten Miteigentümers" berechtigt sei, sämtliche Mietzinse allein gerichtlich geltend zu machen, versucht sie, im Verfahren erster Instanz Versäumtes im Revisionsverfahren nachzuholen. Der klagenden Partei mußte nach dem Verfahrensinhalt klar sein, worauf sich die Bestreitung ihrer Aktivlegitimation bezog. Es bedurfte daher auch keiner richterlichen Anleitung zur Ergänzung des ungenügenden Sachvorbringens der klagenden Partei; ihrem Leistungsbegehren konnte somit schon wegen der dargestellten Gründe nicht stattgegeben werden.

Einem Erfolg des Räumungsbegehrens steht entgegen, daß sich die Beklagte mit der Mietzinszahlung jedenfalls nicht im Sinne des § 1118 ABGB im Verzug befand, sondern ihr Gerichtserlag - wie das Berufungsgericht richtig erkannte - tatsächlich schuldbefreiende Wirkung hatte. Nach den sich aus dem Schriftverkehr ergebenden Behauptungen der klagenden Partei (Blg./C) und der beide Miteigentümer vertretenden Hausverwalterin (Blg./2) war nämlich unklar, ob der Mietzins mit schuldbefreiender Wirkung entweder an die klagende Partei als Mehrheitseigentümerin oder an die Hausverwalterin, die in Ansehung einer Gesamthandforderung beide Miteigentümer vertrat, zu bezahlen sei. Der Gerichtserlag der Beklagten für die sich auf die Monate November und Dezember 1993 beziehenden Mietzinse belief sich - nach im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebenen Feststellungen - sogar auf einen geringfügig höheren als den später eingeklagten Betrag (S 3.687,66 je Monat - vgl ON 15 S 5). Unbekämpft steht aber auch fest, daß die Beklagte das Schreiben der Hausverwalterin vom 26.November 1993 (Blg./E) erst am 4. Dezember 1993 erhielt, während sie den Mietzins für Dezember 1993 bereits am 2.Dezember 1993 gerichtlich hinterlegt hatte (ON 15 S 5). Von der Beklagten als rechtsunkundiger Person war nicht zu erwarten, sie werde im Streit zwischen der Hausverwalterin und der klagenden Partei klären können, ob sie eine Gesamthandforderung der Miteigentümer mit schuldbefreiender Wirkung nur an deren Vertreterin (Hausverwalterin) oder infolge der rechtsberühmenden Behauptungen der klagenden Partei allein an diese zu bezahlen habe. Der nach Rechtsbelehrung durch einen Rechtspfleger von der Beklagten vorgenommene Gerichtserlag war somit rechtmäßig.

Im Ersturteil fehlt es an einer Feststellung der Erlagsgegner im Erlagsverfahren. Eine im Verfahren 43 C 560/93 vorgelegte Urkunde (Blg./C) legt die Vermutung nahe, daß auch in Ansehung der hinterlegten Mietzinse für die Monate November und Dezember 1993 die klagende Partei und die Hausverwalterin als Erlagsgegner angeführt wurden. Wäre dem so, schadet dies der Beklagten nicht, weil nach dem Erlagsgrund nicht zweifelhaft sein kann, daß die Nennung der Hausverwalterin auch als Vertreterin der Interessen des zweiten Miteigentümers erfolgte und die Beklagte im Erlagsverfahren einen weiteren potentiellen Gläubiger auch nachträglich - also auch jetzt noch - nominieren kann (Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 19 zu § 1425). Die schuldbefreiende Wirkung des Gerichtserlags hängt also - entgegen der Ansicht der Revision - nicht davon ab, daß alle in Betracht kommenden potentiellen Gläubiger bereits im Erlagszeitpunkt angeführt wurden.

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