OGH 2Ob548/95

OGH2Ob548/9524.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** E*****, vertreten durch Dr.Karl Bollmann, Rechtsanwalt in Wien und der Nebenintervenientin Stadt W*****, vertreten durch Dr.Josef Milchram, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Ewa L*****, vertreten durch Dr.Walter Schuppich, Dr.Werner Sporn, Dr.Michael Winischhofer und Dr.Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien und deren Nebenintervenienten Dr.Ingomar K*****, vertreten durch Dr.Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zahlung von S 900.000,-- sA und Feststellung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 15.Dezember 1994, GZ 13 R 228/94-73, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1.Juli 1994, GZ 25 Cg 95/93m-64, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Nebenintervenientin Stadt W***** ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 22.725,-- (darin enthalten USt von S 3.787,50, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 900.000,-- Schmerzengeld sowie die Feststellung, daß die Beklagte dem Kläger für alle Schäden aus dem Narkosezwischenfall vom 19.8.1988 hafte. Er brachte dazu vor, die Beklagte habe durch ein fehlerhaftes Vorgehen bei einer Vollnarkose aus Anlaß einer zahnärztlichen Behandlung seine schwere und dauerhafte körperliche Beeinträchtigung verschuldet.

Mit dem am 31.5.1994 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz erklärte die Stadt W***** ihren Beitritt als Nebenintervenientin auf Seite des Klägers. Sie brachte vor, der Kläger befinde sich seit dem Narkosezwischenfall im Jahre 1988 in stationärer Krankenbehandlung und zwar zunächst des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt W***** und seit 23.3.1992 im Pflegeheim L***** der Stadt W*****; Krankenbehandlung und Krankenpflege seien hinsichtlich des völlig mittellosen Klägers aufgrund der Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes erfolgt. Die Nebenintervenientin habe daher ein rechtliches Interesse am Obsiegen des Klägers, da in diesem Fall gemäß § 26 Wiener Sozialhilfegesetz vom Kläger Ersatz verlangt werden könne.

Sowohl die klagende als auch die beklagte Partei und auch der Nebenintervenient auf Seite der beklagten Partei sprachen sich gegen die Zulassung der Stadt W***** als Nebenintervenientin aus, weil diese lediglich ein wirtschaftliches Interesse habe; sie verfolge die Absicht gegen die Beklagte und den als Nebenintervenienten beigetretenen Dr.K***** bzw deren Haftpflichtversicherer Ersatzansprüche zu stellen.

Die Nebenintervenientin brachte dazu ergänzend vor, daß im Falle des Obsiegens des Klägers die für ihn aufgelaufenen Pflegekosten von der beklagten Partei zu bezahlen seien, so daß der Rechtsanspruch des Klägers auf Gewährung der Sozialhilfe wegfallen würde.

Das Erstgericht wies den Antrag der Stadt W***** auf Zulassung als Nebenintervenient zurück.

Das von der Nebenintervenientin Stadt W***** angerufene Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß die Stadt W***** als Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei zugelassen wurde; der ordentliche Revisionsrekurs wurde nicht für zulässig erklärt.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, es sei ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin schon deshalb zu bejahen, da der Kläger auch ein Feststellungsbegehren gestellt habe und im Falle des Obsiegens die Haftung der beklagten Partei dem Grunde nach feststehen würde. Durch eine solche Feststellung würde nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die rechtliche Position der Stadt Wien als Spitalserhalter wesentlich beeinflußt werden. Daß neben dem rechtlichen Interesse auch ein wirtschaftliches bestehe, vermöge an der Zulässigkeit des Beitrittes nichts zu ändern.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde nicht für zulässig erklärt, weil die Bejahung eines ausreichenden rechtlichen Interesses zum Beitritt des Nebenintervenienten in der vorliegenden Einzelkonstellation keine revisionswürdige Rechtsfrage sei.

Nach Zustellung der nächsten selbständig anfechtbaren Entscheidung erhob der Kläger gegen diesen Beschluß einen außerordentlichen Revisionsrekurs und beantragte, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt abgewichen ist, er ist auch berechtigt.

Insoweit der Kläger in seinem Revisionsrekurs meint, die Frage des Beitrittes eines Nebenintervenienten sei - entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht - keine der im § 528 Abs 1 ZPO aufgezählten Angelegenheiten und, sollte § 528 Abs 2 ZPO gemeint sein, sei der Revisionsrekurs zulässig, weil von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen wurde, ist darauf hinzuweisen, daß bereits seit der WGN 1989 gemäß § 528 Abs 1 ZPO der Revisionsrekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes zulässig ist, wenn die Entscheidung von einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt; im § 528 Abs 2 ZPO sind jene Fälle aufgezählt, in denen der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist.

Im übrigen wird vom Kläger in seinem Rechtsmittel geltend gemacht, es sei der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen, welche rechtlichen oder tatsächlichen Umständen zwischen der Nebenintervenientin und dem Kläger gegeben seien, wonach ein Feststellungsbegehren (wenigstens mittelbar) die Stadt W***** berühre. Die Situation eines Haftpflichtversicherers liege nicht vor, weil die Stadt W***** die Ansprüche des Klägers nicht kraft Vertragsbeziehung oder Gesetz einlösen könnte. Schon gar nicht gelte dies für ein Feststellungsbegehren. Es gehe keinesfalls an, den ohnehin dürftigen Befriedigungsfonds durch sehr beträchtliche Kosten der Nebenintervention zu belasten.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 17 ZPO ist Voraussetzung für die Zulässigkeit der Nebenintervention unter anderem das Vorliegen eines rechtlichen Interesses am Obsiegen einer Partei. Ein rechtliches Interesse ist gegeben, wenn die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten günstig oder ungünstig einwirkt; ein wirtschaftliches Interesse reicht nicht aus (Fucik in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 17 mwN). Es hat daher, wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, der Haftpflichtversicherer im Prozeß seines auf Schadenersatz geklagten Versicherungsnehmers ein Interventionsrecht. Einerseits ist sein rechtliches Interesse schon wegen des ihm drohenden Rückgriffs evident, anderseits verfügt § 28 KHVG eine Rechtskrafterstreckung zugunsten des Versicherers (vgl SZ 36/81 uva). Klagt aber umgekehrt der Versicherungsnehmer einen anderen auf Schadenersatz, so besteht für den Versicherer keine Interventionsbefugnis, weil durch diesen Prozeß nicht dessen Rechtssphäre, sondern nur wirtschaftliche Interessen berührt werden (ZVR 1980/40 = SZ 50/7; Deixler-Hübner, Die Nebenintervention im Zivilprozeß, 99 FN 347). So wie aber der Haftpflichtversicherer nur ein wirtschaftliches Interesse am Obsiegen des Versicherungsnehmers gegen einen anderen auf Schadenersatz hat, hat auch die klagende Partei kein darüber hinausgehendes Interesse. Es ist zwar richtig, daß gemäß § 26 Abs 1 Z 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes (idF der 5. Novelle, LGBl Nr 50/1993) vom Empfänger der Sozialhilfe Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verlangt werden kann, soweit er über hinreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt oder hiezu gelangt, doch ist dieses Interesse auf Ersatz der aufgewendeten Kosten bei Erlangung eines Vermögens durch den Kläger ein rein wirtschaftliches. Gleiches gilt auch für das weitere Argument der Nebenintervenientin, daß nämlich der Rechtsanspruch des Klägers auf Gewährung der Sozialhilfe im Falle seines Obsiegens wegfallen würde.

Es war daher in Stattgebung des Revisionsrekurses des Klägers die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 (Deixler-Hübner, aaO, 132).

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