OGH 4Ob29/95

OGH4Ob29/959.5.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei R***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz und Mag.Dr.Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung eines Anspruches auf Unterlassung (Revisionsrekursinteresse: 250.000 S), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 30. November 1994, GZ 2 R 321/94-33, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.Oktober 1993, GZ 41 Cg 294/93s-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit 12.195 S bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 2.032,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO, § 526 Abs 2, letzter Satz, ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gegen seinen abändernden Beschluß liegen die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO hier nicht vor:

Das von der gefährdeten Partei angestrebte Verbot des Inverkehrbringens eines mit dem eigenen Energiedrink "Red Bull" insbesondere durch Verwendung der Bezeichnung "FLYING HORSE" und/oder der Darstellung eines geflügelten Pferdes (richtig: eines geflügelten Einhorns) sowie durch die Farben der Getränkedosen in Hellblau-Rosa bis Blau-Rot verwechselbar ähnlichen Energiedrinks in Österreich durch die Gegnerin der gefährdeten Partei beruht auf dem Vorwurf einer "vermeidbaren Herkunftstäuschung" (Schönherr in ÖBl 1980, 70; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 563 ff Rz 450 ff; ÖBl 1991, 209 - 7-Früchte-Müsli-Riegel; ÖBl 1991, 213 = MR 1992, 120 - Carte Classique; MR 1993, 30 - Bohr- und Fräsmaschine und 72 - Programmzeitschrift uva; zuletzt etwa ÖBl 1995, 14 - Hallo Pizza). Diese setzt aber neben bewußter Nachahmung und Zumutbarkeit andersartiger Gestaltung auch voraus, daß durch die Nachahmung die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird, welche hier vom Rekursgericht verneint worden ist. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist stets eine Frage des Einzelfalles (ecolex 1993, 253 - Stephansdom ua unveröffentlichte Entscheidungen wie 4 Ob 1021/93; 4 Ob 167/93; zuletzt etwa ecolex 1994, 406 - EKG-Elektroden); deren Verneinung durch das Rekursgericht beeinträchtigt auch die Rechtssicherheit schon deshalb nicht, weil sich der Gesamteindruck der Getränkedosen trotz ähnlicher Farbkombinationen doch deutlich unterscheidet; das gilt auch für die Bezeichnung "FLYING HORSE" und die Abbildung eines geflügelten Einhorns, unterscheiden sich diese doch vom Zeichen "Red Bull" und der Abbildung zweier aufeinander zulaufender Kampfstiere grundlegend; auch die von der gefährdeten Partei angesprochenen Assoziationsketten: "Stier und Pferd = Haustiere" (?) sowie - im Hinblick auf den Werbeslogan "Red Bull verleiht Flügel" - werde ein fliegendes Pferd (Einhorn) aus demselben "Stall" wie der Rote Stier kommen, liegen dem Publikum so fern, daß sie - wenn überhaupt - nur von einem gänzlich unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise in Erwägung gezogen werden könnten.

Soweit aber die gefährdete Partei ihren Unterlassungsanspruch auch darauf stützt, daß die Gegnerin der gefährdeten Partei ihren eigenen Energiedrink mit den auf den Getränkedosen aufgelisteten Zutaten nach Art und Menge "glatt übernommen" habe, ist sie mit dem Rekursgericht auf die Entscheidung ÖBl 1986, 152 - Fütterungsarzneimittel zu verweisen, wonach eine unmittelbare Leistungsübernahme nur dann angenommen werden könnte, wenn der Beklagte den für die Entwicklung dieses Produktes erwachsenen Kostenaufwand ausnützen und auf Kosten des Mitbewerbers eigene Erfolge erzielen wollte. Nun ist aber die gefährdete Partei nach eigener Angabe mit ihrem Energiedrink schon seit mehr als sieben Jahren auf dem Markt und mit einem Anteil von rund 90 % längst Marktführerin in Österreich. Daß sie zur Entwicklung ihres Getränkes und zur Errringung der Stellung als Marktführerin besondere Entwicklungskosten aufgewendet hätte, wo sie doch die volumenmäßige Zusammensetzung der Inhaltsstoffe auf ihren Getränkedosen ohnehin jedermann bekannt gibt, oder daß sie derartige Kosten noch immer nicht lukriert hätte, hat die gefährdete Partei gar nicht behauptet. Da sie für ihren Energiedrink keinen Sonderrechtsschutz genießt, ist die Erzeugung eines nach der volumenmäßigen Zusammensetzung der Inhaltsstoffe identischen Getränkes durch die Gegnerin der gefährdeten Partei für sich allein noch nicht sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG, folgt doch aus der gesetzlichen Anerkennung besonderer ausschließlicher Rechte für technische und nichttechnische geistige Schöpfungen zwingend, daß die wirtschaftliche Betätigung des einzelnen außerhalb der geschützten Sonderbereiche frei sein soll. An diese sowohl im Interesse der Mitbewerber als auch im Interesse der Allgemeinheit getroffene Entscheidung ist die wettbewerbsrechtliche Beurteilung gebunden. Jeder muß daher die Ergebnisse seiner Arbeit, mag er sie mit noch so viel Mühe und Kosten erreicht haben, der Allgemeinheit im Interesse des Fortschrittes zur Verfügung stellen, soweit kein Sonderschutz besteht. Sein Vorteil im Wettbewerb liegt in dem natürlichen Vorsprung, den er vor seinen Mitbewerbern dadurch gewinnt, daß sie ihn erst wieder durch eine nachahmende Leistung ausgleichen müssen, was keineswegs immer so einfach ist und oft ebenfalls Mühe und Kosten erfordert (Baumbach-Hefermehl aaO 585 Rz 495; MR 1993, 72 - Programmzeitschrift; ÖBl 1994, 58 - Makramee-Spitzen; ÖBl 1995, 14 - Hallo Pizza).

Schon aus diesen Erwägungen war der Revisionsrekurs zurückzuweisen (§§ 78, 402 Abs 4 EO; § 510 Abs 3, letzter Satz, § 528 a ZPO).

Die Gegnerin der gefährdeten Partei hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf diesen Zurückweisungsgrund hingewiesen; die gefährdete Partei hat ihr daher gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 50 Abs 1 ZPO die Kosten der Rechtsmittelgegenschrift zu ersetzen.

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