OGH 8ObS15/95

OGH8ObS15/9527.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic, sowie die fachkundigen Laienrichter HR Robert List und Reg.Rat.Robert Letz in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hildegard P*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Erich Holzinger, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark (früher Arbeitsamt Leoben), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenzausfallgeld (Revisionsinteresse S 149.556,69), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Dezember 1994, GZ 8 Rs 64/94-23, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 25.Jänner 1994, GZ 21 Cgs 28/93-16, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden unter Einbeziehung des rechtskräftigen Zuspruches von S 13.803,80 (netto) abgeändert wie folgt:

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen Insolvenzausfallgeld von S 77.622,60 netto samt 4 % Zinsen vom 13.1.1993 bis 13.7.1993 zu bezahlen; hingegen wird das Mehrbegehren von S 85.737,69 (netto) sowie das Zinsenmehrbegehren abgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.804,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 634,-- USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 1.3.1985 bei der Siegfried S***** GesmbH & Co KG als Angestellte gegen ein Monatsentgelt von zuletzt S 18.606,-- brutto - das sind für 4 Wochen einschließlich aliquoter Sonderzahlungsanteile S 13.803,80 netto - im Dienstverhältnis. Am 23.11.1990 begann die achtwöchige Schutzfrist für ein Kind, das die Klägerin am 8.1.1991 gebar. Danach trat sie einen 2-jährigen Karenzurlaub an. Am 23.7.1991 wurde über das Vermögen ihrer Dienstgeberin der Konkurs eröffnet und der Rechtsanwalt Dr.Anton H***** zum Masseverwalter bestellt, der den Betrieb vom September 1991 bis Ende 1991 weiterführte und von Feber 1992 bis zum Sommer 1992 den Abverkauf des Konkursvermögens durchführte. Am 17.9.1992 erfuhr die Klägerin, daß das Dienstgeberunternehmen zu bestehen aufgehört hatte. Mit Schreiben vom 30.12.1992 wies sie den Masseverwalter auf das mit 8.1.1993 bevorstehende Ende ihres Karenzurlaubes hin und erklärte sich für den 9.1.1993 arbeitsbereit. Mit Schreiben vom 8.1.1993 - der Klagevertretung zugestellt am 11.1.1993 - kündigte der Masseverwalter das Dienstverhältnis der Klägerin "unter Einhaltung der kürzest zulässigen Fristen und Termine" auf und erklärte gleichzeitig, die Masse habe keine Verwendung mehr für die Klägerin. Mit Schreiben vom 29.1.1993 - verdeutlicht durch ein solches vom 2.2.1993 - forderte der Masseverwalter die Klägerin auf, in der vierwöchigen Behaltefrist und in der daran anschließenden dreimonatigen Kündigungsfrist den bis dahin bestehenden Urlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen und den ab 1.3.1993 entstehenden Urlaubsanspruch von 30 weiteren Urlaubstagen zu konsumieren. Die Klägerin hatte damals ihre 2-jährige Tochter zu betreuen. Der Masseverwalter anerkannte in der Folge die Ansprüche der Klägerin auf Kündigungsentschädigung und Abfertigung in der klagsgegenständlichen Höhe; er bestritt die Forderung auf Urlaubsentschädigung. Im Zeitraum Jänner/Mai 1993 hatte die Klägerin ein einmaliges Vorstellungsgespräch bei einer Versicherungsgesellschaft. Am 1.2.1993 stellte die Klägerin den Antrag auf Gewährung von Insolvenzausfallgeld für die vorliegenden Forderungen von Kündigungsentschädigung für drei Monate und vier Wochen (S 58.633,-- netto), Abfertigung von drei Monatsgehältern (S 63.819,-- netto) und Urlaubsentschädigung für 50 Werktage (S 40.909,-- netto). Diesen Antrag wies die beklagte Partei mit Bescheid vom 28.4.1993 ab.

Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage die genannten Beträge als Insolvenzausfallgeld von zusammen (genau) S 163.360,49 netto samt 4 % Zinsen ab 13.1.1993. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe nach Ablauf der viermonatigen Frist (des § 6 Abs 1 IESG) geendet. In einem solchen Fall beginne die Antragsfrist mit Ende des Arbeitsverhältnisses neu zu laufen. Es sprächen auch berücksichtigungswürdige Gründe gegen die Fristversäumung. Der Wohnort der Klägerin liege 28 km vom Ort des Betriebes entfernt. Hilfsweise wird das Klagebegehren auch auf den Anspruch der Klägerin auf Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 1.5. bis 30.6.1993 und auf eine Urlaubsabfindung gestützt. Ein Urlaubsverbrauch sei der Klägerin nicht zumutbar gewesen, weil ein Winterurlaub mit Kleinkind nicht sinnvoll sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens wegen Fristversäumung. Die Viermonatsfrist ab Konkurseröffnung sei abgelaufen. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor. Der Urlaub von 20 Urlaubstagen sei in natura konsumiert worden. Die geltend gemachten Ansprüche seien nicht in der Dreimonatsfrist des § 3 Abs 1 und Abs 2 IESG entstanden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der geforderten Kündigungsentschädigung und Abfertigung statt und wies das Mehrbegehren für Urlaubsentschädigung im Ausmaß von 50 Werktagen Urlaub ab, wobei es vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt ausging. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, der Anspruch auf Kündigungsentschädigung und Abfertigung sei vom Masseverwalter anerkannt worden; hingegen hätte die Klägerin innerhalb der Kündigungsfrist ihren Resturlaub verbrauchen können; dies sei ihr trotz der Betreuung ihrer zwei Jahre alten Tochter nicht unzumutbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise, jener der klagenden Partei dagegen nicht Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, daß es der Klägerin lediglich ein Insolvenzausfallgeld von S 13.803,80 zusprach. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Klägerin gehöre zu den im § 3 Abs 3a IESG ab 1.1.1993, BGBl 835/1992, begünstigten Personen. Ihre Antragstellung auf Zuerkennung eines Insolvenzausfallgeldes am 1.2.1993 sei daher trotz der am 23.7.1991 erfolgten Konkurseröffnung rechtzeitig, da die Begünstigung zufolge der Bestimmung des § 3 Abs 3a IESG mit 1.1.1993 in Kraft getreten sei (§ 17a IESG). Hingegen gebühre der Klägerin ein Insolvenzausfallgeld nur "für die Zeit des Kündigungsschutzes..... nach dem Ende des Karenzurlaubes", also nur für das laufende Entgelt von vier Wochen gemäß § 15 Abs 4 MSchG. Für den Verbrauch des Urlaubes von 50 Werktagen sei der Klägerin ein Zeitraum vom 12.1.1993 bis 30.6.1993 zur Verfügung gestanden und er sei ihr in diesem langen Zeitraum zumutbar gewesen. Weder ein Vorstellungsgespräch, noch die Betreuung eines Kleinkindes stünden dem entgegen.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Mit der durch Art I Z 4 BGBl Nr 835/1992 mit Wirksamkeit ab 1.1.1993 eingeführten, Bestimmung des § 3 Abs 3a IESG wird "zur Vermeidung sozialer Härten" (so die Begründung der Regierungsvorlage 738 Blg NR 18. GP, 6), ein Anspruch auf Insolvenzausfallgeld "auch für gesicherte Ansprüche nach der Geburt, nach dem Ende des Karenzurlaubes....." begründet, wenn der Anspruchsberechtigte das Arbeitsverhältnis rechtzeitig antritt. Aus dem systematischen Zusammenhang dieses Absatzes mit dem vorausgegangenen soll zur Vermeidung der in der Regierungsvorlage erwähnten sozialen Härten (diese Novelle erging gemeinsam mit dem sogenannten "Frauenpaket" des Arbeitsrechtlichen Begleitgesetzes (BGBlNr 833/1992), der Zeitraum, in dem geschützte Ansprüche gemäß § 3 Abs 3 IESG entstehen, verlängert werden, ohne daß damit eine umfängliche Verminderung dieser Ansprüche nur auf laufendes Entgelt von vier Wochen (iVm § 3 Abs 3a Z 2 IESG und § 15 Abs 4 MSchG) eintreten soll. Ein, wenn auch nicht sehr deutlicher Hinweis daraus ergibt sich aus dem Worte "auch"

("......gebührt Insolvenzausfallgeld auch für gesicherte Ansprüche [§ 1 Abs 2] für die Zeit......."), denn wäre die Gewährung von

Insolvenzausfallgeld nur für laufendes Entgelt aus diesem Zeitraum beabsichtigt gewesen, so hätte der Gesetzgeber dies deutlicher zum Ausdruck bringen müssen. Überdies würde damit eine erhebliche Verminderung der Ansprüche eines besonders geschützten Arbeitnehmers gegenüber nicht geschützten Arbeitnehmern eintreten, sollte ein Anspruch auf Abfertigung nur davon abhängen, ob dieser innerhalb der Vier-Wochenfrist fällig wird. Ein Grund für eine solche Beschränkung, die von zeitlichen Zufälligkeiten abhinge, würde dem beabsichtigten sozialpolitischen Zweck zuwiderlaufen, wofür trotz erkennbarer Bestrebungen zur Begrenzung der Aufwendungen des Insolvenzausfallgeldfonds kein Grund ersichtlich ist.

Die Klägerin hatte bis zum Ende des Karenzurlaubes Anspruch auf Karenzurlaubsgeld gemäß §§ 26 ff AlVG, eine Leistung, die eine Einkommenersatzfunktion für das andernfalls in der Kündigungsfrist gebührende laufende Entgelt hat, und somit überwiegend dem Anspruch auf laufendes Entgelt gemäß § 1 Abs 2 Z 1 IESG entspricht. Die sozialpolitische Begünstigung gemäß § 3 Abs 3a IESG besteht nunmehr in der zusätzlichen Gewährung des laufenden Entgelts für vier Wochen (gemäß § 15 Abs 4 MSchG) und gebietet nur zur Vermeidung von Nachteilen gegenüber nicht besonders geschützten Arbeitnehmern die Berücksichtigung einer auch später fällig werdenden Abfertigung. Anderenfalls würde die Verlängerung der Antragsfrist gemäß § 6 Abs 1 Z 3a IESG für solche Personen dazu führen, daß später fällig werdende häufig höhere Abfertigungen gegen geringere Ansprüche auf laufendes Entgelt aus einem vierwöchigen Zeitraum abgetauscht würden. Für eine solche Benachteiligung der geschützten Arbeitnehmer ist aber kein hinreichender Grund erkennbar, sodaß eine zeitliche Harmonisierung für gesicherte Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 1 Abs 2 Z 1 IESG) mit § 3 Abs 1 IESG (Entstehung bis zum Ende des dritten Monats nach Konkurseröffnung) vorzunehmen ist.

Zinsen gebühren nur im eingeschränkten Ausmaß des § 3 Abs 2 Z 2 IESG für einen Sechsmonatszeitraum.

Hinsichtlich der Verneinung des Anspruches auf Urlaubsentschädigung ist auf die zutreffende Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung zu verweisen (§ 48 ASGG). Das Vorhandensein eines betreuungsbedürftigen Kleinkindes vermag wohl keine allgemeine Unzumutbarkeit des Urlaubsverbrauches während der Kündigungsfrist zu begründen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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