OGH 9ObA78/95

OGH9ObA78/9526.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska und Dr.Gerhard Dengscherz in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gertrude R*****, Arbeiterin, ***** vertreten durch Rössler, Pritz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Betriebsrat der S***** GesmbH, vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung der Nichtigkeit oder Anfechtung einer Betriebsratswahl (Streitwert 100.000 S sA), infolge ao Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.April 1994, GZ 7 Ra 118/93-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 7.Juli 1993, GZ 31 Cga 37/93i-13, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde,

1.) den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen,

2.) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die am 19.1.1993 erfolgte Wahl des Abeiterbetriebsrates des Betriebes der S***** GesmbH, ***** ist nichtig."

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 3.248,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 541,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 3.11.1992 fand im Betrieb der S***** GesmbH, Gebäudereinigung, eine Betriebsratswahl statt. Es wurde ein gemeinsamer Betriebsrat für Arbeiter und Angestellte gewählt. In den Betriebsrat wurden ua auch Friedrich K***** und Christa T*****, zwei Angestellte, gewählt. Eine Beschlußfassung in getrennten Gruppenversammlungen (§ 40 Abs 3 ArbVG) hatte zuvor nicht stattgefunden. Die Wahl wurde aus diesem Grund von der S***** GesmbH mit einer am 20.11.1992 eingebrachten Klage angefochten. Die in diesen Verfahren ursprünglich für 14.1.1993 anberaumte Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung wurde am 7.1.1993 abberaumt. Die (dort) klagende Partei hatte unter Hinweis auf die für 19.1.1993 anberaumte neuerliche Betriebsratswahl (siehe dazu unten) um Verlegung der Tagsatzung ersucht; sie erwäge die Klage nach Durchführung der neuerlichen Wahl zurückzuziehen. Am 21.1.1993 wurde ein neuerlicher Termin für den 25.2.1993 anberaumt, bei dem über das Anfechtungsbegehren ein Versäumungsurteil erging, das in Rechtskraft erwuchs.

Nachdem die Klage in dem vorerwähnten Verfahren bei Gericht anhängig gemacht worden war, verfaßte N S*****, ein Angestellter der Gewerkschaft, eine Kundmachung, nach deren Inhalt der gewählte Betriebsrat und die an Lebensjahren älteste Dienstnehmerin Gruppenversammlungen der Arbeiter für den 15.12.1992 einberiefen, und zwar eine zentrale Versammlung in Graz für 10 Uhr im Gewerkschaftshaus in Graz und für die Obersteirer eine Versammlung in Kapfenberg für 16 Uhr. Tagesordnungspunkte waren die Information durch den Betriebsrat und Gewerkschaftssekretär, die Wahl eines Wahlvorstandes zur Wahl eines Arbeiterbetriebsrates (Vorschläge für die Wahlvorstandswahl waren bis spätestens 3 Tage vor der Gruppenversammlung, also bis längstens 11.Dezember 1992 dem Einberufer oder dem Betriebsrat schriftlich zu übergeben), die Durchführung der Betriebsratswahl und allfälliges. Auf der Rückseite dieser Kundmachung wurde unter anderem darauf hingewiesen, daß die Wahl vom Unternehmen angefochten worden sei und wegen eines Formalfehlers wiederholt werden müsse. Unterschrieben wurde diese Kundmachung sowohl von der ältesten Arbeiterin als auch vom Betriebsratsmitglied Friedrich K*****. Am 11.12.1992 wurde Friedrich K***** ein Wahlvorschlag für den Wahlvorstand übergeben. Nach dem vom Gewerkschaftssekretär H***** oder dessen Sekretärin verfaßten Wahlvorschlag wurden drei Personen (darunter Gewerkschaftssekretär H*****) als Mitglieder des Wahlvorstandes und 3 Personen als Ersatzmitglieder vorgeschlagen; die Klägerin war nicht im Wahlvorstand.

Die Gruppenversammlung in Graz wurde in den Räumen der Gewerkschaft durchgeführt und von Gewerkschaftssekretär S***** geleitet. Es waren 29 Personen anwesend, über den einzigen Wahlvorschlag wurde durch Handheben abgestimmt; Einwendungen dagegen wurden nicht vorgebracht. Gewerkschaftssekretär H***** verließ die Versammlung ca 1/2 Stunde vor dem Ende und fuhr nach Kapfenberg, wo er die Gruppenversammlung leitete. Es waren 10 Personen anwesend, über den einzigen Wahlvorschlag (ident mit dem in Graz abgestimmten) wurde durch Handheben abgestimmt; Einwendungen wurden nicht erhoben, der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Über die Versammlungen in Graz und Kapfenberg gab es kein Protokoll, es wurde lediglich eine Anwesenheitsliste geführt.

Das Ergebnis der Wahl des Wahlvorstandes wurde von dessen Vorsitzender der Betriebsleitung mitgeteilt und um die Zurverfügungstellung der Unterlagen für die Erstellung des Wählerverzeichnisses ersucht. Während die S***** GmbH dem Wahlvorstand vor der ersten Wahl (3.11.1992) eine Wählerliste ohne geringfügig Beschäftigte übermittelt hatte, waren in der an die Wahlvorstandsvorsitzende am 17.12.1992 übermittelten Liste auch die geringfügig Beschäftigten enthalten; das Eintrittsdatum dieser Personen lag durchwegs noch nicht 6 Monate zurück. Aufgrund dieser Liste, auf der 242 Personen angeführt waren, wurde vom Wahlvorstand die Wählerliste für den Arbeiterbetriebsrat erstellt, die 218 Personen umfaßte. Am 18.12.1992 wurde von der Vorsitzenden des Wahlvorstandes die Wahl des Arbeiterbetriebsrates kundgemacht; die Kundmachung hatte (auszugsweise) folgenden Inhalt:

"1.) In den Arbeiterbetriebsrat sind 6 Mitglieder zu wählen.

2.) Die Liste der Wahlberechtigten liegt nebst einem Abdruck der Betriebsrats-Wahlordnung 1974 im Büro Graz zur Einsicht aller im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer auf.

3.) Einwendungen gegen die Wählerliste können von jedem im Betrieb beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmer bis zum 28.12.1992 beim unterzeichneten Vorsitzenden des Wahlvostandes eingebracht werden; verspätet eingebrachte Einwendungen bleiben unberücksichtigt.

4.) Wahlvorschläge, welche die Wahlwerber genau bezeichnen müssen, sind ab Wahlkundmachung schriftlich bis 5.1.1993 bei einem Mitglied des Wahlvorstandes einzureichen. Verspätet eingebrachte Wahlvorschläge bleiben unberücksichtigt. Jeder Wahlvorschlag muß ein Verzeichnis von höchstens doppelt so vielen Wahlwerbern als Mitglieder des Betriebsrates zu wählen sind, enthalten. Ein Wahlvorschlag ist nur dann gültig, wenn er von mindestens 10 Arbeitnehmern unterfertigt ist; hiebei werden auf die erforderliche Anzahl von Unterschriften die allfälligen Unterschriften von Wahlwerbern nur bis zu einer Höhe von 5 angerechnet. Einer der Unterzeichner des Wahlvorschlages ist als Vertreter desselben anzuführen. Der Wahlvorschlag ist mit einer unterscheidenden Bezeichnung (Fraktions-, Listenname) zu versehen.

5.) Die zur Wahlhandlung zugelassenen Wahlvorschläge werden am 12.1.1993 per Post zugeschickt.

6.) Die Stimmabgabe findet am 19.1.1993 im Büro der Gewerkschaft HGPD, 8011 Graz, Südtirolerplatz 13 von 14.00 bis 15.00 Uhr statt.

7.) Es sind nur jene Stimmen gültig, die für einen zur Wahlhandlung zugelassenen Wahlvorschlag abgegeben werden. Der Wahlvorschlag ist im Stimmzettel anzukreuzen, zu unterstreichen oder auf sonstige Weise, zB durch Durchstreichen aller übrigen Wahlvorschläge oder durch Angabe eines oder mehrerer Wahlwerber eindeutig zu bezeichnen. Die Stimmabgabe erfolgt in der Weise, daß der Wähler in der Wahlzelle den ausgefüllten Stimmzettel in den ihm vom Vorsitzenden des Wahlvorstandes (Wahlkommission) übergebenen Umschlag legt und den Umschlag sodann geschlossen dem Vorsitzenden übergibt, der ihn ungeöffnet in die Urne legt.

8.) Für die Stimmabgabe wird ein einheitlicher Stimmzettel aufgelegt."

Punkt 9.) des vorgedruckten Textes der Kundmachung (dort sind grundsätzliche Bedingungen für die schriftliche Stimmabgabe angeführt) war mit einer quer angebrachten Etikette überklebt auf der stand: "Alle Arbeitnehmer erhalten eine Wahlkarte".

Bis zum 28.12.1992 wurden keine Einwendungen von wahlberechtigten Arbeitnehmern gegen die Wählerliste eingebracht. Beim Wahlvorstand gingen in der Folge zwei Wahlvorschläge ein und zwar ein mit 30.12.1992 datierter und am 4.1.1992 eingelangter Wahlvorschlag Liste 2 (R***** - die Klägerin) und ein mit 4.1.1993 datierter und an diesem Tag beim Wahlvostand eingelangter Wahlvorschlag Liste 1 (K*****). Auf dem Wahlvorschlag Liste 2 waren auch die Arbeitnehmer Ernst M***** und Johann S***** angeführt. Aus der Liste, die der Wahlvorstand von der S***** GmbH erhalten hatte, ergab sich das Eintrittsdatum der genannten Arbeitnehmer mit 2.11.1992 bzw 10.11.1992. Bei einem Anruf bei der S***** GmbH wurde Gewerkschaftssekretär Dietmar H***** (der wie erwähnt Mitglied des Wahlvorstandes war) die Richtigkeit dieser Daten bestätigt. Dietmar H***** erklärte darauf der Klägerin in einem persönlichen Gespräch, daß die Kandidaten M***** und S***** wegen ihrr zu kurzen Zeit der Firmenzugehörigkeit nicht passiv wahlberechtigt seien. Er forderte die Klägerin auf, dies zu korrigieren, teilte ihr die hiefür offene Frist mit und erklärte ihr, was dabei alles zu berücksichtigen sei. Die Klägerin lehnte eine Verbesserung mit dem Hinweis darauf ab, daß dies zu aufwendig sei und sie die Leute nicht erreichen könne. Daraufhin teilte ihr Gewerkschaftssekretär Dietmar H***** mit, daß er diese zwei Personen streichen müsse. Am 6.1.1993 faßte der Wahlvorstand folgenden Beschluß: "Nach Beratung des Wahlvorstandes und Rücksprache bzw Aufforderung an die Listenführerin und Vertreterin des Wahlvorschlages 2, auf Abänderung (Aufklärung /2x) wird festgehalten, daß die beiden Kandidaten, Herr S***** (Eintritt laut Firma 10.11.1992) und Herr M***** (Eintritt laut Firma 2.11.1992) auf dem Wahlvorschlag 2 mit Zustimmung der Listenführerin, die eine Korrektur ablehnt (zu zeitaufwendig), gestrichen werden, da weder die Listenführerin noch der Betrieb (Geschäftsführung) Auskunft darüber geben kann, inwieweit das in den Unterlagen angegebene Eintrittsdatum der beiden Kandidaten unrichtig ist. Der Wahlvorstand beschließt daher, da die Unterlagen, die zweifelsfrei vom Betrieb zur Verfügung gestellt wurden, richtig sind, die beiden Kandidaten, nachdem auch die Listenführerin keine Einwände bzw gegenteilige Unterlagen besitzt, zu streichen. Weiters wird festgehalten, daß die Kandidaten derart gestrichen werden, daß sie lesbar sind und die Begründung auf der Liste festgehalten wird." In Punkt 14.) des Wahlvorschlages der Liste 2 wurde folgender Zusatz angebracht:

"aufgrund der Wahlordnung können Arbeitnehmer, die unter 6 Monaten im Betrieb beschäftigt sind, nicht als Betriebsräte kandidieren, daher waren die Kandidaten 4.) S***** Johann und 12.) M***** Ernst zu streichen. Für den Wahlvorstand Graz 7.1.1993".

Am 12.1.1993 wurden die Wahlvorschläge per Post zugeschickt. Am 14.1.1993 langte bei Dietmar H***** ein Schreiben eines Rechtsanwaltes ein, in dem dieser darauf hinwies, daß die Streichung der Personen S***** und M***** zu Unrecht erfolgt sei, da die Genannten als geringfügig Beschäftigte bereits längere Zeit im Betrieb der S***** GmbH beschäftigt seien. Weiters wurde mitgeteilt, daß die Arbeitnehmer Maria K*****, Mohamed ***** Y***** und Friederike H***** (die als Kandidaten auf der Liste 1 angeführt waren) nicht bereit seien, zu kandidieren und daher pflichtgemäß zu streichen gewesen wären. Dieses Schreiben fand keine Berücksichtigung mehr; es sei nach Versendung der Wahlvorschläge und daher verspätet eingebracht worden. Am 14.1.1993 überreichte die Klägerin Dietmar H***** persönlich je ein mit 11.1.1993 datiertes Schreiben der Arbeitnehmer Maria K*****, Mohamed ***** Y***** und Friederike H*****. Die Schreiben waren an die Klägerin gerichtet. Maria K***** teilte der Klägerin im wesentlichen mit, daß sie auf der Liste der Klägerin kandidieren wolle und nicht auf der Liste 1 (Liste K*****); Mohamed ***** Y***** teilte der Klägerin unter anderem mit, daß er überhaupt nicht kandidieren wolle. Da zu diesem Zeitpunkt die Wahlvorschläge bereits versendet waren, wurden diese Schreiben nicht mehr berücksichtigt.

Allen Beschäftigten wurden zwei Wahlvorschläge in Kopie, eine Wahlkarte, ein Stimmzettel (rot), ein Wahlkuvert (weiß) und ein Retourkuvert (orange) zugesandt. In einem beigelegten Anleitungsschreiben wurden die Beschäftigten darauf hingewiesen, daß der rote Stimmzettel anzukreuzen und in das weiße Wahlkuvert zu geben sei. Dieses Wahlkuvert sei dann zu verschließen und zusammen mit der Wahlkarte in das vorbereitete, adressierte und frankierte Retourkuvert zu legen und an den Wahlvorstand zu senden. Die Stimme müsse bis spätestens 19.1.1992 beim Wahlvorstand einlangen. Die Beschäftigten wurden darauf hingewiesen, daß die Stimme so rasch wie möglich per Post abgesendet werden möge. Es fand sich auch der Hinweis, daß die persönliche Ausübung des Wahlrechtes möglich sei; zu diesem Zweck sei das gesamte Kuvert in das Wahllokal mitzunehmen. Die Briefwahl sei absolut geheim und niemand könne ersehen, wer welche Liste gewählt habe. Es fanden sich auch Hinweise in türkischer Sprache.

Über den Wahlvorgang vom 19.1.1993, der von Dietmar H***** geleitet wurde, wurde eine Niederschrift verfaßt. Es wurde festgehalten, daß die Urne zu Beginn des Abstimmungsvorganges leer war. Vorerst gaben die Mitglieder des Wahlvorstandes ihre Stimme ab, danach die Wahlzeugen und dann die übrigen Wähler nach der Reihenfolge ihres Erscheinens. Außer den bei der Wahl tätigen Personen übten nur zwei Wähler, darunter die Klägerin, das Stimmrecht persönlich aus. Schließlich wurden die eingesandten Wahlkuverts in die Wahlurne gelegt. Es gab Stimmen, die ohne Wahlkarte abgegeben wurden. Diese wurden nicht in die Wahlurne gelegt und nicht gezählt. Sie wurden verschlossen, zusammengeheftet und vermerkt, daß keine Wahlkarte vorhanden sei. Die Wahlhandlung wurde um 15 Uhr für geschlossen erklärt. Im Wahllokal blieben nur die Mitglieder des Wahlvorstandes und die Wahlzeugen. Nach Entleerung der Wahlurne und Zählung der abgegebenen Wahlkuverts wurde die Übereinstimmung der Anzahl mit der Zahl der im Abstimmungsverzeichnis eingetragenen Wähler festgestellt. Nicht festgestellt wurde, daß die Anzahl der abgegebenen Wahlkuverts größer oder kleiner war als die Zahl der im Abstimmungsverzeichnis eingetragenen Wähler. Insgesamt wurden 112 Wahlkuverts abgegeben. Die Wahlkuverts wurden geöffnet, die Stimmzettel entfaltet und gezählt. Es gab keine ungültigen Stimmen. Von den 112 gültigen Stimmen entfielen auf die Liste 1 (K*****) 67 Stimmen und auf die Liste 2 (darunter die Klägerin) 45 Stimmen. Gewählt waren nach diesem Ergebnis 4 Personen der Liste 1 und 2 Personen der Liste 2 (darunter die Klägerin als Listenführerin). In der Niederschrift wurde weiters festgehalten, daß dieser der in Gegenwart des Wahlvorstandes versiegelte Umschlag, der die Wahlkundmachung, die Wählerliste, das Verzeichnis der zur brieflichen Stimmabgabe Wahlberechtigten, die Wahlkarten, die eingereichten Wahlvorschläge, das Abstimmungsverzeichnis, die nach Wahlvorschlägen gesondert verpackten und die ungültigen Stimmzettel, die Berechnung des Wahlergebnisses, die Niederschrift und Beilagen enthalte, angeschlossen sei. In einem Zusatzprotokoll zur Niederschrift wurde weiters festgehalten, daß die Wahlvorstandsmitglieder und die Wahlzeugen bestätigen, daß die Auszählung und Ermittlung des Wahlergebnisses korrekt erfolgte; dieses Zusatzprotokoll wurde von den genannten Personen unterfertigt.

Friedrich K***** war bei der S***** GesmbH mit Dienstvertrag vom 17.6.1991 als Angestellter (Objektleiter) in der Verwendungsgruppe III des Kollektivvertrages für Gewerbe zu einem Bruttolohn von 14.400 S zuzüglich 2.000 S Spesen angestellt. Aufgabe des Objektleiters ist nicht die Akquisition von neuen Aufträgen, sondern die Durchführung der Aufträge. K***** hatte Reinigungsrichtzeiten zu erstellen, die Dienstnehmer bei der Arbeit zu kontrollieren sowie den Einsatz der Reinigungsmittel und die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften zu überwachen. Der Objektleiter hat die Aufgabe Stundenzettel von den Dienstnehmern einzusammeln, zu überprüfen, auf eine Diskette zu übertragen und diese dann im Büro abzugeben. Als Objektleiter wurde Friedrich K***** der Rahmen der Stunden für seinen Bereich vorgegeben, wobei er freie, nicht verbrauchte Stunden nach seinem Ermessen in Form von Prämien auf die unterstellten Dienstnehmer aufteilen konnte. Seine wesentliche Aufgabe war es, daß die Reinigungsaufträge vertragsgemäß abgewickelt wurden. Er hatte in seinem Bereich im Rahmen vorgegebener Dienstverträge Dienstnehmer aufzunehmen, zu entlassen oder zu kündigen. Er konnte Überstunden anordnen und innerhalb der Objekte Arbeitseinteilungen zu treffen. Nachdem er bei der Betriebsratswahl am 19.1.1993 zum Arbeiterbetriebsrat gewählt worden war, änderte sich sein Aufgabengebiet nicht. Seit 15.2.1993 war er zur Gänze freigestellt. Am 12.3.1993 sprach die S***** GesmbH seine Entlassung aus. Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 6.4.1994, 9 Ob A 93/94 (nach Schluß der Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Verfahren) wurde dem Begehren der S***** GesmbH, Friedrich K***** die Mitgliedschaft zum Arbeiterbetriebsrat abzuerkennen, stattgegeben; er sei als leitender Angestellter zu qualifizieren, was einer Mitgliedschaft zum Betriebsrat entgegenstehe.

Die Klägerin begehrt, die Nichtigkeit der am 19.1.1993 erfolgten Wahl des Betriebsrates der S***** GesmbH auszusprechen, in eventu diese Wahl für ungültig zu erklären. Es seien wesentliche Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes und der Betriebsratswahlordnung verletzt worden. Die Wahl des gemeinsamen Betriebsrates für Arbeiter und Angestellte vom 3.11.1992 sei wohl vom Betriebsinhaber angefochten worden, doch sei die Tätigkeitsdauer dieses Betriebsrates im Zeitpunkt der Neuwahl noch nicht beendet gewesen. Dieser und nicht die älteste Arbeitnehmerin hätte daher die Einberufung der Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes durchzuführen gehabt. Die Einberufung der Gruppenteilversammlungen und die Form der Einberufung sei unzulässig gewesen und habe nicht den §§ 1 und 6 der Betriebsratsgeschäftsordnung entsprochen. Ein Wahlvorstand sei nicht wirksam gewählt worden; der diesbezügliche Wahlvorschlag sei nicht unterschrieben gewesen, habe daher dem Schriftlichkeitsgebot nicht entsprochen und sei überdies durch Friedrich K***** übernommen worden, der hiezu nicht befugt gewesen sei. § 22 Abs 2 Betriebsratswahlordnung (BRWO) sei nicht beachtet worden, weil die Zuziehung der Vertreter der Wahlvorschläge zur Feststellung der zur brieflichen Stimmabgabe Berechtigten unterblieben sei, weiters sei auch § 22 Abs 6 BRWO unbeachtet geblieben, nach dem über die Berechtigung zur Briefwahl frühestens am Tag nach der Wahlkundmachung entschieden werden dürfe. Daß generell die Briefwahl vorgesehen worden sei, sei mit dem Gesetz nicht vereinbar. In der Wahlkundmachung seien die Regelungen über die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Briefwahl durch Überkleben bzw Auskopieren unleserlich gemacht worden. Die Arbeitnehmer S***** und M***** seien von der Liste der Klägerin gestrichen worden, ohne daß ein Bedenkenvorbehalt gemäß § 71 (wohl richtig § 21) BRWO erfolgt wäre. Nachdem die auf der Liste 1 (K*****) angeführten Personen K*****, Y*****, H***** und H***** erklärt hätten, nicht kandidieren zu wollen und der Vorsitzende des Wahlvorstandes erklärt habe, diese Personen daher aus dem Wahlvorschlag 1 zu streichen, sei diese Streichung nicht erfolgt; den Wählern sei der Umstand, daß die Genannten nicht kandidieren wollten, nicht zur Kenntnis gelangt. Weder beim Aussenden der Wahlkarten noch beim Auszählen der Stimmen sei darauf geachtet worden, ob Personen, die ihre Stimme abgaben, mittlerweile ihr Arbeitsverhältnis beendet und daher das Wahlrecht verloren hätten. Die Belehrung, daß eine schriftliche Stimmabgabe spätestens bis 19.1.1993 eingelangt sein müsse, sei unvollständig gewesen, weil sich daraus die zeitliche Beschränkung mit 15 Uhr dieses Tages nicht ergeben habe. Da als Kontaktadresse in Zusammenhang mit Fragen zur Wahl die dienstliche Telephonnummer des Gewerkschaftssekretärs H***** angegeben worden sei, sei bei den Wählern der unrichtige Eindruck erweckt worden, daß objektive Auskünfte zur Wahl nur der Wahlvorstand bzw die Gewerkschaft erteilen könne. Obwohl einige Briefe keine Wahlkarten enthalten hätten, seien sämtliche Stimmen für gültig erklärt und die Wahlkuverts weggeworfen worden. Die Wahlkuverts seien nicht persönlich an den Wahlvorstand, sondern generell an die Gewerkschaft adressiert worden. Die Betriebsversammlungen vom 15.12.1992 seien nicht regelrecht, insbesondere zu spät, einberufen und überdies von Personen geleitet worden, die hiezu nicht berechtigt gewesen seien; dem komme deshalb besondere Bedeutung zu, weil der Gewerkschaftssekretär Dietmar H***** sowohl eine dieser Versammlungen geleitet habe, als auch in den Wahlvorstand und dann auch zum Betriebsrat gewählt worden sei. Die Versammlungen seien auch nicht ordnungsgemäß abgewickelt worden. Die Wahlvorschläge für den Wahlvorstand seien nicht rechtzeitig erstattet worden. Das Wählerverzeichnis sei rechtzeitig richtiggestellt worden. Der Listenführer der Liste 1 und gewählte Betriebsrat Friedrich K***** sei aufgrund seiner Position im Betrieb als leitender Angestellter zu qualifizieren und daher nicht als Betriebsrat wählbar.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Ausschreibung der Gruppenversammlung(en) zur Wahl des Wahlvorstandes sei deshalb sowohl von der ältesten Arbeitnehmerin wie auch durch den Betriebsrat erfolgt, weil die erste Wahl wegen eines Formfehlers angefochten worden sei und ein schwebendes Verfahren vorgelegen sei. Überdies wäre selbst die Verletzung einer Formvorschrift in diesem Bereich auf das Wahlergebnis ohne Einfluß geblieben. Da für den Wahlvorstand nur ein Vorschlag eingelangt sei, sei eine förmliche Abstimmung nicht notwendig gewesen. Die Wahlkundmachung sei ordnungsgemäß erfolgt. Alle Arbeitnehmer hätten eine Wahlkarte erhalten, doch sei die Möglichkeit zur persönlichen Stimmabgabe jedem Einzelnen offengestanden. Das Wahlrecht sei daher nicht unzulässig eingeschränkt worden. Die Wahlkartenwahl sei deshalb vorgesehen worden, weil die Betriebsstätten der S***** GesmbH zersplittert seien und sich die Arbeitnehmer nicht im Betrieb, sondern in verschiedenen Objekten diverser Kunden befänden. Ohne Wahlkarten hätte die Wahl überhaupt nicht durchgeführt werden können. Die Streichung der Arbeitnehmer S***** und M***** sei aufgrund der Unterlagen, die dem Wahlvorstand vorlagen zu Recht erfolgt, weil sie nach dem Inhalt der vom Arbeitgeberunternehmen zur Verfügung gestellten Liste noch nicht 6 Monate beschäftigt gewesen seien. Die Streichung der auf der Liste 1 (K*****) angeführten Personen K*****, Y*****, H***** und H***** sei nicht mehr möglich gewesen, weil diese Personen ihre mangelnde Bereitschaft zur Kandidatur überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig bekanntgegeben hätten; schriftliche Einsprüche beim Wahlvorstand seien nur von Maria K***** und Mohamed Y***** eingelangt, dies aber erst am 14.1.1993, nachdem die Einspruchsfrist schon mit 7.1.1993 abgelaufen gewesen sei. Unrichtig sei, daß Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Wahl bereits beendet gewesen sei, zur Wahl zugelassen worden seien. Sollte dies in Einzelfällen tatsächlich der Fall gewesen sein, handle es sich dabei um eine vernachlässigbare Größe; Einfluß auf das Wahlergebnis sei dem nicht zugekommen. Das Anleitungsschreiben des Wahlvorstandes habe keine rechtswidrigen Anweisungen enthalten. Zur Auskunftserteilung sei Gewerkschaftssekretär H***** als Mitglied des Wahlvorstandes berufen gewesen. Friedrich K***** sei nicht leitender Angestellter und daher passiv wahlberechtigt gewesen.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Es liege weder ein Anfechtungs- noch ein Nichtigkeitsgrund vor. Die Einberufung der Betriebsversammlung (Gruppenversammlung) sowohl durch die älteste Arbeitnehmerin als auch durch den Betriebsrat sei korrekt gewesen, wobei die Einberufung auch durch die älteste Arbeitnehmerin eine Fleißaufgabe gewesen sei, zumal der bestehende Betriebsrat, der während des schwebenden Verfahrens noch funktionsfähig gewesen sei, alleine hiezu berechtigt gewesen sei. Das Wahlrecht sei auch nicht in unzulässiger Weise beschränkt worden; alle Wähler hätten eine Wahlkarte erhalten und hätten überdies die Möglichkeit zur persönlichen Stimmabgabe gehabt. Der Vorgang der Aussendung von Wahlkarten sei einwandfrei erfolgt; ebenso die Kundmachung der Wahl. Die Streichung der Kandidaten S***** und M***** sei korrekt gewesen, weil der Wahlvorstand von der vom Arbeitgeber vorgelegten Liste ausgehen konnte, nach deren Inhalt die genannten Personen tatsächlich nicht passiv wahlberechtigt gewesen seien; die Klägerin habe auch eine Verbesserungsmöglichkeit nicht wahrgenommen. Daß die übrigen Mitglieder des Wahlvorstandes von der Streichung der beiden Personen nicht informiert worden wären, sei nicht erwiesen worden. Der Beschluß sei auch rechtzeitig gefaßt worden. Die Mitteilung über die mangelnde Bereitschaft der auf der Liste 1 aufscheinenden Personen, nicht kandidieren zu wollen, sei verspätet erfolgt und sei daher zu Recht nicht beachtet worden. Friedrich K***** sei nicht leitender Angestellter und daher passiv wahlberechtigt. Der Standpunkt der Klägerin, der Vorschlag für die Wahl des Wahlvorstandes hätte unterfertigt sein müssen, finde in der BRWO keine Deckung; da Friedrich K***** Vorsitzender des Betriebsrates gewesen sei, sei die Übergabe dieses Vorschlages an ihn richtig gewesen. Da nur ein Wahlvorschlag vorgelegen sei, sei eine Abstimmung nicht erforderlich gewesen. § 22 Abs 2 BRWO komme nicht zur Anwendung; da es keine Beratungen über die Feststellung der zur brieflichen Stimmabgabe Berechtigten gegeben habe, seien auch Beobachter nicht zu entsenden gewesen. Daß schriftlich abgegebene Stimmen ohne Wahlkarte als gültig gewertet worden seien, sei nicht erwiesen worden. Daß die Übersendung der schriftlich abgegebenen Stimmen an den Wahlvorstand per Adresse der Gewerkschaft erfolgt sei, bedeute keinen Verstoß gegen vorgeschriebene Wahlgrundsätze. Auf das Vorbringen, es sei nicht geprüft worden, ob sich an der Wahl auch Personen beteiligt hätten, deren Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Wahl bereits aufgelöst gewesen sei, sei nicht einzugehen, weil die Klägerin dies in keiner Weise konkretisiert habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, bestätigte das Urteil des Erstgerichtes in seinem Ausspruch über das Hauptbegehren (Abweisung des Begehrens auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 19.1.1993, gab jedoch dem Eventualbegehren statt und sprach aus, daß die am 19.1.1993 erfolgte Wahl des Arbeiterbetriebsrates der S***** GesmbH für ungültig erklärt werde. Daß die Neuwahl des Betriebsrates während der Tätigkeitsdauer des bestehenden Betriebsrates durchgeführt worden sei, begründe keine Nichtigkeit der Wahl. Die Wahl des gemeinsamen Betriebsrates vom 3.11.1992 sei schon deshalb unzulässig gewesen, weil darüber kein Beschluß in getrennten Betriebsversammlungen der Arbeiter und der Angestellten gefaßt worden sei. Es sei daher damit zu rechnen gewesen, daß die S***** GesmbH mit der Anfechtung der Wahl durchdringen werde. Wenn sich unter diesen Umständen der Betriebsrat, der sich in den Anfechtungsprozeß nicht eingelassen habe, und die älteste Arbeitnehmerin entschlossen hätten, nunmehr die Wahl eines Arbeiterbetriebsrates in die Wege zu leiten, könne von einer Nichtigkeit dieser Wahl nicht die Rede sein; es treffe auch nicht zu, daß die Betriebsversammlungen zur Wahl eines Wahlvorstandes von nicht zuständigen Organen einberufen worden seien. Ob die Bestellung des Wahlvorstandes durch Handheben ordnungsgemäß gewesen sei, könne auf sich beruhen, weil nur ein Wahlvorschlag erstattet worden sei und die Kandidaten dieses Wahlvorschlages gemäß § 11 Abs 3 BRWO ohne Abstimmung als gewählt gelten. Zweck der getrennten Betriebsversammlungen in Graz und in Kapfenberg sei es gewesen, den obersteirischen Arbeitnehmern die Reise nach Graz zu ersparen, wobei es ihnen freigestellt gewesen sei, welche der beiden Versammlungen sie besuchen wollten. Wohl sei nach § 6 Abs 1 BRGO der Kreis der Arbeitnehmer, die zur Teilnahme an den einzelnen Teilversammlungen und zur Stimmabgabe berechtigt sind, genau abzugrenzen und sicherzustellen, daß jeder stimmberechtigte Arbeitnehmer sein Stimmrecht nur einmal ausüben könne. Hier sei zwar nicht festgelegt worden, wer welche Teilversammlung besuchen sollte, doch seien Anwesenheitslisten geführt und damit sichergestellt worden, daß jedes Stimmrecht nur einmal ausgeübt werden konnte. Daß die Gruppenteilversammlungen von Gewerkschaftssekretären geleitet worden seien, habe wohl der Bestimmung des § 46 ArbVG widersprochen, doch führe dies nicht zur Ungültigkeit der von den Betriebsversammlungen gefaßten Beschlüsse. Die Wahl des Wahlvorstandes sei daher wirksam gewesen. Der unterlaufene Formfehler begründe weder die Nichtigkeit der Betriebsratswahl noch mache er sie anfechtbar.

Zu den leitenden Wahlgrundsätzen gehöre, daß gemäß § 51 Abs 1 ArbVG die Wahl durch persönliche Stimmabgabe nur in den Fällen des § 56 Abs 3 ArbVG durch briefliche Stimmabgabe im Postweg zu erfolgen habe, wobei die zuletzt genannte Bestimmung die Gründe aufzähle, die eine briefliche Stimmabgabe rechtfertigen. Nach dem Inhalt der Wählerliste seien bei der S***** GesmbH per 15.12.1992 218 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, wovon 105, sohin 48 % ihren Wohnort in Graz gehabt hätten. Der Wahlvorstand hätte Wahlkarten nur jenen Wahlberechtigten ausstellen dürfen, die sonst an der Stimmabgabe verhindert gewesen wären. Mit der generellen Ausstellung von Wahlkarten habe der Wahlvorstand den leitenden Grundsatz, daß die Wahl durch persönliche Stimmabgabe zu erfolgen habe, verletzt. Diese Vorgangsweise lasse sich auch mit dem Umstand, daß die Betriebsstätten zersplittert seien, nicht rechtfertigen. Dazu komme noch, daß die Gewerkschaft die Wahlunterlagen an die wahlberechtigten Arbeitnehmer versendet habe und nach dem Inhalt der Wahlkundmachung die Stimme an den bei der Gewerkschaft eingerichteten Wahlvorstand zu senden gewesen sei, wobei als Ansprechadresse für Rückfragen Gewerkschaftssekretär H***** angegeben gewesen sei. Dieser sei Mitglied des Wahlvorstandes gewesen, habe sich auch um ein Betriebsratsmandat beworben und sei auch als Betriebsrat gewählt worden. Die Briefwahl berge nun die Gefahr von Manipulationen in sich; es könne nicht ausgeschlossen werden, daß Stimmen abgefangen werden oder vorsätzlich oder auch nur fahrlässig abhanden kommen. Auf diese Weise könne das Wahlergebnis beeinflußt werden. Die Verletzung des Wahlgrundsatzes der Wahl durch persönliche Stimmabgabe erfülle einen Anfechtungstatbestand.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, 50.000 S nicht übersteige; die Revision sei nicht zulässig, weil sich die Lösung der strittigen Frage unmittelbar aus § 51 Abs 1 ArbVG ableite; aus dieser Bestimmung ergebe sich, daß die Briefwahl nur als subsidiäre Form der Stimmabgabe vorgesehen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die ao Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Hauptbegehren auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 19.1.1993 stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei begehrt mit ihrer gegen den stattgebenden Teil des berufungsgerichtlichen Urteiles gerichteten, auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten außerordentlichen Revision, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Beurteilung der geltend gemachten Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 19.1.1993 von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.

Gemäß § 40 Abs 1 ArbVG sind in jedem Betrieb, in dem dauernd mindestens 5 stimmberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, die Organe der Betriebsvertretung zu bilden. Gemäß § 40 Abs 2 ArbVG sind dann, wenn sowohl die Gruppe der Arbeiter als auch die Gruppe der Angestellten die Voraussetzungen des Abs 1 erfüllen, Betriebsräte der Arbeiter und der Angestellten zu bilden. Nach § 40 Abs 3 ArbVG kann die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates nur dann erfolgen, wenn die jeweiligen Gruppenversammlungen der Arbeiter und der Angestellten in getrennten Abstimmungen die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrates beschlossen haben. Ein solcher Beschluß bedarf der Mehrheit von 2/3 der für die Wahl des jeweiligen Gruppenbetriebsrates Wahlberechtigten (§ 49 Abs 2 ArbVG). Die Betriebsratswahl vom 3.11.1992 entsprach diesen Voraussetzungen nicht, weil eine Beschlußfassung in getrennten Gruppenversammlungen nicht erfolgt war. Dieser Fehler machte die Wahl jedoch nicht nichtig. Nichtigkeit einer Wahl liegt nur dann vor, wenn elementarste Grundsätze einer Wahl im allgemeinen und der Betriebsratswahl im besonderen außer Acht gelassen wurden (JBl 1976, 218 = Arb 9411 = ZAS 1977,27; Arb 10866 ua) und der Vorgang nur mehr als Zerrbild einer Wahl bezeichnet werden kann (Arb 10.273). Dies trifft aber für einen Verfahrensfehler wie die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates ohne Erfüllung der Voraussetzungen des § 40 Abs 3 ArbVG nicht zu. Allerdings macht dieser Verstoß die Wahl anfechtbar (RdW 1991,86; ecolex 1993, 551 mwH; Floretta/Strasser, ArbVG Handbuch 341; Haas-Laßnigg in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz ArbVG Bd 2, 287).

Im Fall der Anfechtung trifft das Gericht eine rechtsgestaltende Entscheidung (Floretta/Strasser ArbVG2 Anm 7 zu § 59 ArbVG). Bis zu dieser rechtsgestaltenden Entscheidung bleibt der Betriebsrat bestehen; seine Funktionsperiode ist daher weiter aufrecht. Der neugewählte Betriebsrat kann also ohne Rücksicht auf die Anfechtung nach seiner Konstituierung seine Tätigkeit in vollem Umfang aufnehmen. Der Betriebsrat ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, alle erforderlichen Rechtshandlungen vorzunehmen, das Gesetz garantiert auch für die Zukunft den rechtlichen Bestand dieser Rechtshandlungen, indem die Wahlanfechtung nicht zu deren Vernichtung führt. Erst von der Ungültigkeitserklärung der Wahl ab, die die Tätigkeitsdauer des neugewählten Betriebsrates vorzeitig beendet (§ 62 Z 5 ArbVG) können wirksame Rechtshandlungen nicht mehr vorgenommen werden (Floretta/Strasser aaO 347). Erst die Entscheidung des Gerichtes beendet die Tätigkeitsperiode des Betriebsrates vorzeitig (Floretta/Strasser aaO 352).

Daraus ergibt sich, daß im Zeitpunkt der Ausschreibung der Wahl vom 19.1.1993 und im Zeitpunkt der Wahl selbst ein (mangels gerichtlicher Entscheidung über die Anfechtung der Wahl vom 3.11.1992) zumindest vorerst rechtswirksam bestellter Betriebsrat bestand. Wird aber durch die Wahl eines neuen Betriebsrates die Funktionsperiode des bisherigen Betriebsrats mißachtet, ist die Wahl des neuen Betriebsrats als den elementarsten Grundsätzen einer Wahl widersprechend als absolut nichtig zu qualifizieren (vgl Arb 8322, 9365; SZ 63/104; Arb 10.273, 10.867; zuletzt 9 Ob A 311-338/93 = ZAS 1994,158 ua). In der Entscheidung Arb 10.867 lag im Ergebnis nur deshhalb keine Nichtigkeit der Wahl des neuen Betriebsrats vor, weil der Wahlvorstand über die von drei auf vier Jahre erweiterte gesetzliche Funktionsdauer des alten Betriebsrats irrte und alle Arbeiter und Angestellten ordnungsgemäß zur Betriebsversammlung geladen worden waren. Ein solcher entschuldbarer Irrtum über die Funktionsdauer des Arbeiterbetriebsrats wurde im vorliegenden Fall nicht festgestellt.

Dem könnte nun entgegengehalten werden, daß man bei der Einleitung des Verfahrens zur Wahl des neuen Betriebsrates und bei der Wahl selbst davon ausging, daß der Anfechtung der Wahl des am 3.11.1992 gewählten Betriebsrates stattgegeben werde. Dieser Einwand ändert aber nichts am Ergebnis, daß dann, wenn vor Entscheidung über die Anfechtung der Wahl ein neuer Betriebsrat gewählt wird, in einer Nichtigkeit begründenden Weise in die Funktionsperiode des bisherigen Betriebsrats eingegriffen wird. Die Wahl ist schon deshalb als nichtig zu qualifizieren, um Kollisionen zwischen gültigen Rechtshandlungen von zwei Betriebsräten zu vermeiden (Arb 10.866).

Im Zeitpunkt der Neuwahl stand ja noch gar nicht fest, ob die Funktionsperiode des zuvor gewählten Betriebsrates durch Entscheidung des Gerichtes vorzeitig beendet werden würde. Der Betriebsinhaber hätte die Möglichkeit gehabt (etwa, wenn ihm der neu gewählte Betriebsrat weniger zugesagt hätte, als der bisherige) die Klage zurückzuziehen; es hätten dann zwei Betriebsräte bestanden, was zu unlösbaren Kollisionen hätte führen können. Diese Gefahr tritt bei Betrachtung des Verfahrensganges zu 35 Cga 264/92 deutlich zu Tage. Die ursprünglich für 14.1.1993 anberaumte MStrV wurde am 7.1.1993 abberaumt, weil die (dort) klagende Partei mit der Begründung um Verlegung des Termines ersucht hatte, daß sie erwäge, die Klage im Hinblick auf die für 19.1.1993 neu ausgeschriebene Betriebsratswahl zurückzuziehen. Erst am 21.1.1993 - sohin erst nach der hier strittigen Wahl - wurde ein neuerlicher Termin für den 25.2.1993 anberaumt, bei dem dann das VU erging. Zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl vom 19.1.1993 stand daher nicht einmal fest, ob das Begehren auf Anfechtung der ersten Betriebsratswahl überhaupt aufrecht erhalten würde. Es war vielmehr der Disposition des Betriebsinhabers überlassen, ob es beim Ergebnis der ersten Betriebsratswahl bleiben sollte, in welchem Fall dann zwei Betriebsräte nebeneinander bestanden hätten, oder durch Aufrechterhaltung des die erste Betriebsratswahl betreffenden Anfechtungsbegehrens die vorzeitige Beendigung der Funktionsperiode des ersten Betriebsrates herbeizuführen.

Es ist auch nicht zulässig, eine ex post Betrachtung des Ablaufes anzustellen und die Zulässigkeit der Betriebsratswahl vom 19.1.1993 ausgehend vom Ergebnis des Verfahrens zu 35 Cga 264/92 des Erstgerichtes zu beurteilen und sozusagen die Gültigkeit der Wahl des neuen Betriebsrates von der Bedingung abhängig zu machen, daß die Wahl des vorerst gewählten für ungültig erklärt werde. Eine solche bedingte Wahl ist im Gesetz nicht vorgesehen. Dies würde hier überdies zu dem mit den Grundsätzen des Betriebsverfassungsrechtes unvereinbaren Ergebnis führen, daß es im Belieben des Betriebsinhabers läge, die Wahl zwischen zwei gewählten Betriebsräten zu treffen und damit in die Bestellung der Betriebsvertretung maßgeblich einzugreifen. Die Frage der Zulässigkeit der Wahl ist vielmehr ausgehend vom Zeitpunkt der Wahl selbst zu beurteilen. In diesem Zeitpunkt war aber die Tätigkeitsperiode des am 3.11.1992 gewählten Betriebsrates aufrecht. Sie wurde erst durch die Entscheidung des Erstgerichtes im Verfahren zu 35 Cga 264/92 mit Versäumungsurteil vom 25.2.1993 (unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 61 ASGG) mit diesem Tag beendet. Dafür, daß die Funktionsperiode dieses Betriebsrates vor der Wahl vom 19.1.1993 auf andere Weise vorzeitig geendet hätte (§ 62 ArbVG) ergeben sich aus dem Verfahren keine Anhaltspunkte. Vorgebracht wurde nur, daß die Einberufung der Gruppenversammlungen zur Neuwahl deshalb erfolgt sei, weil zufolge der Anfechtung ein schwebendes Verfahren vorgelegen sei. Nach den Verfahrensergebnissen wurden die Gruppenversammlungen der Arbeiter für den 15.12.1992 ua auch vom Betriebsrat einberufen. Selbst wenn unterstellt wird, daß diesbezüglich eine ordnungsgemäße Beschlußfassung im Betriebsrat iS des § 68 ArbVG erfolgt war, könnte hieraus nicht abgeleitet werden, daß damit der Betriebsrat im Sinne des § 62 Z 4 ArbVG seinen Rücktritt beschlossen hätte. Beschlüsse des Betriebsrates können nämlich nur ausdrücklich gefaßt werden; eine konkludente Beschlußfassung des Betriebsrates gibt es nicht (Floretta/Strasser aaO 382; Haas-Laßnigg aaO 344). Daß ein ausdrücklicher Beschluß des Betriebsrates iS des § 62 Z 4 ArbVG gefaßt worden wäre, wurde aber nicht einmal behauptet.

Die Betriebsratswahl vom 19.1.1993 ist daher nichtig. Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben; die Urteile der Vorinstanzen waren dahin abzuändern, daß ihrem Hauptbegehren stattzugeben war.

Die ao Revision der beklagten Partei hat nur die Entscheidung über das Eventualbegehren zum Gegenstand. Die darin relevierten Fragen sind jedoch für die Entscheidung nicht von Bedeutung, weil zufolge klagsstattgebender Entscheidung über das Hauptbegehren über das Eventualbegehren nicht mehr abzusprechen war. Die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG liegen daher nicht vor. Die ao Revision der beklagten Partei war aus diesem Grund zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte