OGH 5Ob50/95

OGH5Ob50/9525.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Kurt A*****, Trafikant, ***** vertreten durch Dr.Alfred Strobl, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Sylvia R*****, Private, ***** vertreten durch Dr.Ingrid Köhler, Rechtsanwältin in Wien, wegen § 16 Abs 1 Z 1 MRG iVm § 12 Abs 3 aF MRG und § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 5. Dezember 1994, GZ 49 R 340/94-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 9.August 1994, GZ 6 Msch 25/94i-3 (richtig: 4) , abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Antragsteller hat am 20.12.1991 die Tabaktrafik des Hans P***** in *****, gekauft. Im Kaufvertrag wurde festgehalten, daß der Verkäufer Mieter einer näher bezeichneten Grundfläche und Eigentümer der darauf errichteten Verkaufshütte (Superädifikat) samt Einrichtungsgegenständen und Waren ist; die Mietrechte sollen mit dem Verkauf des Unternehmens gemäß § 12 Abs 3 MRG auf den Erwerber übergehen.

Die Rechtsvorgänger des Verkäufers hatten mit den früheren Liegenschaftseigentümern, den Rechtsvorgängern der nunmehrigen Antragsgegnerin, am 3.10.1970 einen Mietvertrag über die verfahrensgegenständliche Grundfläche abgeschlossen, in dem festgehalten ist, daß die Mieter Eigentümer des darauf zum Betrieb einer Tabaktrafik errichteten Holzkiosks sind. Das Mietverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und sollte von den Vermietern nur aus den im Mietengesetz genannten wichtigen Gründen gekündigt werden können.

Den Verkauf der Tabaktrafik an den Antragsteller nahm die Antragsgegnerin zum Anlaß, den monatlichen Hauptmietzins (der zuvor pauschal S 350,-- mit einer Wertsicherung nach dem Verbraucherpreisindex betragen hatte) auf den "nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungszustand und Erhaltungszustand des Mietgegenstandes angemessenen Betrag" von S 25.000,-- (zuzüglich USt und anteiligen Betriebskosten) zu erhöhen. Der Antragsteller begehrte daraufhin (zunächst bei der Schlichtungsstelle, jetzt gemäß § 40 Abs 1 MRG bei Gericht) die Überprüfung des Hauptmietzinses auf seine Angemessenheit iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG. Die Antragsgegnerin beharrt demgegenüber auf der Rechtmäßigkeit ihrer Mietzinsforderung, weil S 25.000,-- monatlich (zuzüglich USt und BK) für das Mietobjekt angemessen und ortsüblich seien. Zu beachten sei dabei die Lage des Objektes als wertbestimmender Faktor, die sich auch im Kaufpreis der Trafik (S 1,500.000,-- bei einem zu vernachlässigenden Wert der Verkaufshütte und des Warenlagers) niedergeschlagen habe.

Das Erstgericht wies diesen Sachantrag zurück, weil ein dem MRG unterliegendes Mietverhältnis bei Anmietung einer Grundfläche mit Superädifikat nur angenommen werden könne, wenn letzteres vereinbarungsgemäß ins Eigentum des Vermieters übergehen soll. Da sich im gegenständlichen Fall das Superädifikat zu keinem Zeitpunkt im Eigentum der Vermieterin befunden habe, liege der für eine Gleichbehandlung mit der Raummiete erforderliche Schutzzweck nicht vor.

Das vom Antragsteller angerufene Rekursgericht hob diese Entscheidung ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es führte aus:

Bei der Beurteilung, ob die Anmietung einer Grundfläche zur Errichtung und Nutzung eines Superädifikats der Raummiete iSd § 1 Abs 1 MRG gleichgestellt werden kann, komme es nicht darauf an, ob der Vermieter Eigentümer des Gebäudes ist oder später einmal werden soll. Das Wesen des Superädifikats bestehe nämlich gerade darin, daß Eigentümer des Gebäudes nicht der Liegenschaftseigentümer sein muß; es sei nicht Zubehör der Liegenschaft, sondern Gegenstand eines besonderen Eigentumsrechtes (Spielbüchler in Rummel2, Rz 4 zu § 297 ABGB). Entscheidend sei auch nicht, ob der Mieter das Superädifikat erst errichtet, oder ob er ein bereits bestehendes erwirbt (MietSlg 39.207/57).

Der Grund der Gleichbehandlung mit der Raummiete liege darin, daß die auf dem gemieteten Grundstück (in der Absicht, daß sie nicht stets dort bleiben sollen) errichteten Gebäude ohne die Grundstücksmiete nicht bestehen könnten. Deshalb solle das Interesse an den geschäftlich genutzten Räumen durch Sicherung des der Nutzung zugrundeliegenden Mietverhältnisses geschützt werden (Bydlinski in JBl 1984, 250). Anerkenne man dementsprechend, daß die Grundstücksmiete mit Superädifikat dem Geltungsbereich des MRG unterliegt, dann sei kein Grund zu finden, warum nicht auch § 12 Abs 3 MRG Anwendung finden solle. Eine Einschränkung der Anwendbarkeit des MRG, etwa auf die Kündigungsschutzbestimmungen, könne der bisherigen Judikatur nicht entnommen werden, wenn auch manche Bestimmungen - wie jene über die Erhaltungspflicht des Bestandgebers - naturgemäß im Fall des Superädifikats nicht praktikabel seien und wohl nur die vermietete Freifläche betreffen dürften.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß der Oberste Gerichtshof bisher nur zur Anwendung der Kündigungsschutzbestimmungen auf die Flächenmiete samt Superädifikat Stellung genommen habe, nicht jedoch zur Anwendbarkeit des § 12 Abs 3

MRG.

Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs macht die Antragsgegnerin geltend, daß die Ausdehnung des Geltungsbereiches des MRG auf die Miete von Grundstücken mit darauf stehenden oder zu errichtenden Superädifikaten nur dann gerechtfertigt sei, wenn feststeht, daß das Gebäude in das Eigentum des Vermieters übergehen soll. Nur dann habe nämlich der Vermieter Einfluß auf die Gestaltung des Gebäude. Fehle ein solcher Einfluß - wie hier -, könne der Grundstücksmieter (und Eigentümer des Superädifikats) den Schutz des § 12 Abs 3 MRG nicht in Anspruch nehmen. Auch andere Bestimmungen des MRG, etwa die §§ 3, 4, 5, 6 und 7, hätten nach der Sach- und Interessenlage auf derartige Mietverhältnisse keine Anwendung zu finden. Der Revisionsrekursantrag geht erkennbar dahin, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend sind beide Vorinstanzen davon ausgegangen, daß das MRG anzuwenden ist, wenn ein Grundstück zur Errichtung und geschäftlichen Verwendung eines Superädifikats gemietet wird (Würth in Rummel2, Rz 2 a zu § 1 MRG; WoBl 1989, 135/73; WoBl 1991, 34/27 ua). Nur dann, wenn dem Bauwerk im Verhältnis zur gemieteten Freifläche keine selbständige Bedeutung zukäme, läge eine vom Geltungsbereich des MRG (§ 1 Abs 1 leg cit) nicht erfaßte Flächenmiete vor (Würth aaO; EWr I/1/2 mwN). Dient das auf dem gemieteten Grundstück errichtete Bauwerk - wie hier - als Standort einer gewerblichen Tätigkeit, sind alle Voraussetzungen einer analogen Anwendung des MRG erfüllt (vgl WoBl 1992, 13/7).

Das dagegen von der Revisionswerberin in Anlehnung an die erstrichterlichen Entscheidungsgründe vorgebrachte Argument, der Vermieter müsse Eigentümer des Gebäudes sein oder zumindest über dessen Einflußmöglichkeiten bei der Gestaltung des Gebäudes verfügen, um ihn mit den besonderen Bürden der Raummiete zu belasten, wurde bereits vom Rekursgericht mit dem zutreffenden Hinweis auf die wesensgemäße Sonderrechtsfähigkeit des Superädifikats widerlegt. Die größtmögliche Gleichbehandlung der Mieter von Geschäftsräumen und der Mieter von Grundstücken, auf denen ein Superädifikat errichtet und geschäftlich verwendet werden soll, ist allein schon durch die idente Interessenlage so dringend geboten, daß die Frage des Eigentums am Gebäude in den Hintergrund zu treten hat (vgl Bydlinski, Superädifikate und Kündigungsschutz, JBl 1984, 249 ff; Schilcher in Korinek-Krejci, HBzMRG, 54 f).

Richtig ist, daß die bisher judizierten Fälle nur den Kündigungsschutz des Mieters zum Gegenstand hatten (MietSlg 36.235/28; MietSlg 37.222/13; MietSlg 39.207/57; MietSlg 41.165; MietSlg 41.166 ua). Wenn jedoch ein Mietverhältnis unmittelbar oder analog dem § 1 Abs 1 MRG zu unterstellen ist, müssen grundsätzlich alle Rechtsfolgen des MRG eintreten, sofern nicht ein Ausnahmefall der Absätze 2 bis 4 des § 1 MRG vorliegt (Call-Tschütscher, MRG, 5; idS auch Würth in der Anmerkung zu WoBl 1992, 13/7). Darum kann sich der Mieter eines Grundstücks, das vertraglich zur Errichtung und geschäftlichen Verwendung eines Superädifikats genutzt werden soll, gerade auch in Fragen der Mietzinsbildung auf den Schutz des MRG berufen (Call-Tschütscher aaO). Er nimmt damit - einem Mieter von Geschäftsräumen vergleichbar - nur jene Bestandsgarantie in Anspruch, die der Gesetzgeber für unerläßlich hielt, um im Wirtschaftsleben längerfristig disponieren zu können. Auch in diesem Punkt erfordert der Gleichklang der Interessen und das gleiche Maß an Schutzbedürftigkeit die Gleichbehandlung. Inwieweit andere Mieterschutzbestimmungen, etwa jene über die Erhaltungspflicht des Vermieters, eine analoge Anwendung auf Mietverhältnisse wie das gegenständliche zulassen, ist hier nicht zu entscheiden.

Dem Revisionsrekurs konnte somit nicht Folge gegeben werden.

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