OGH 5Ob66/95

OGH5Ob66/9525.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Arno T*****, vertreten durch Dr.Helmut A.Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Ravi K*****, vertreten durch Dr.Gerhard Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 14 MRG (Streitwert S 253.000,- s.A.) infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 19. April 1994, GZ 41 R 246/94-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 3.März 1993, GZ 7 Msch 31/92-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller behauptet, dem Antragsgegner für die Weitergabe seines Mietrechtes am Reihenhaus R*****gasse 7 in Wien eine Ablöse von S 424.000,- gezahlt zu haben, wovon nur S 171.000,- durch den Wert übergebener Gegenstände gedeckt gewesen seien. Er hat daher vom Antragsteller gemäß § 27 Abs 3 MRG iVm Abs 1 Z 1 leg cit die Rückzahlung von S 253.000,- s.A. verlangt.

Die Schlichtungsstelle der Gemeinde Wien (Magistratisches Bezirksamt für den ***** Bezirk) gab dem Sachantrag mit Bescheid vom 10.9.1992 statt. Die betreffende Entscheidung wurde dem Antragsgegner am 1.10.

1992 zugestellt, der daraufhin mit Schriftsatz vom 15.10.1992 das

Gericht anrief. Nach der Aktenlage wurde dieses Schriftstück am

15.10.1992 zur Post gegeben und langte - ohne Beilagen - beim

Erstgericht am 16.10.1992 ein; auf der noch vorhandenen Fotokopie der

Eingabe ist die Rückstellung (des Originals) an den Vertreter des

Antragsgegners zur Verbesserung "i.S. § 40 (3) MRG" verfügt. Ein

Abfertigungsvermerk zu dieser Verfügung fehlt, doch befindet sich ein

Rückschein im Akt, der die Übernahme eines Schriftstückes "GZ 7 Msch

31/92 Org z Vb zr" durch eine Arbeitnehmerin des

Antragsgegnervertreters bestätigt.

Mit Beschluß vom 3.3.1993 wies das Erstgericht die Anrufung des Gerichtes durch den Antragsgegner gegen die bereits erwähnte Entscheidung der Schlichtungsstelle als verspätet zurück, weil der Antragsgegner dem Verbesserungsauftrag innerhalb der ihm gesetzten 14-tägigen Frist nicht entsprochen habe.

Der dagegen vom Antragsgegner erhobene Rekurs blieb erfolglos. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Zurückweisung der Anrufung des Gerichtes aus folgenden Erwägungen:

Die Ausführungen des Antragsgegners, wonach ihm niemals ein Verbesserungsauftrag erteilt worden sei, stünden im Widerspruch zur Aktenlage. Aus einem Aktenvermerk des Erstrichters vom 15.2.1994 (AS 43) ergebe sich nämlich, daß die Anrufung des Erstgerichtes durch den Antragsgegner mittels Fernkopie erfolgt sei, die seinem Vertreter im Original zur Verbesserung binnen 14 Tagen durch Unterfertigung

zurückgestellt worden sei. Versehentlich habe man - was zweckmäßig,

aber nicht zwingend erforderlich gewesen wäre - keine Kopie dieses Antrages für den Akt angefertigt. Der Aktenvermerk stehe im Einklang mit dem an ON 1 gehefteten Zustellnachweis sowie mit dem dazugehörigen (undatierten) Aktenvermerk, wonach der am 16.10.1993 (richtig: 1992) eingelangte "Originalantrag" dem Antragsgegnervertreter zur Verbesserung zurückgestellt worden sei; die Zustellung dieses Verbesserungsauftrages sei am 29.10.1993 (richtig: 1992) erfolgt.

Entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners sei der

Verbesserungsauftrag zu Recht ergangen. Gemäß § 75 Z 3 ZPO, der

gemäß § 37 Abs 3 MRG iVm § 4 Abs 3 AußStrG auch im

wohnrechtlichen Außerstreitverfahren gelte, habe nämlich jeder

Schriftsatz, somit auch die Anrufung des Gerichtes gemäß § 40 MRG,

die Unterschrift der Partei selbst oder ihres Vertreters zu

enthalten. Eingaben per Telefax seien zwar aufgrund der analog

anzuwendenden § 89 Abs 3 GOG und § 60 Geo (vgl 1 Ob 525/93

mit Hinweis auf 3 Ob 569/92) zulässig und wahrten die 14-tägige Frist

des § 40 Abs 1 MRG; sie seien aber nur wirksam, wenn ein

formgerechter, unterfertigter Schriftsatz nachfolge, wobei das Gericht zur Verbesserung eine Frist zu setzen habe (vgl EvBl 1977, 496). Da der Antragsgegner dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen sei, habe das Erstgericht den Antrag auf Entscheidung durch das Gericht zutreffend als zur geschäftlichen Behandlung ungeeignet zurückgewiesen (Fasching, ZPR2, Rz 515).

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Hinweis auf die verwertete höchstgerichtliche Judikatur.

Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs (der im Hinblick auf die

Verlängerung der Rechtsmittelfrist durch den mittlerweile

abgewiesenen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe fristgerecht

erhoben wurde) macht der Antragsgegner geltend, daß die

rekursgerichtliche Entscheidung durch den Akteninhalt nicht gedeckt

sei und auf eine Verweigerung des Rechtes auf den gesetzlichen

Richter hinauslaufe. Ihm sei niemals ein Verbesserungsauftrag erteilt

worden, er habe dementsprechend auch keine Frist zur Verbesserung

versäumen können und wisse im übrigen (auch heute noch) nicht, was

überhaupt zu verbessern gewesen sein sollte. Der

Revisionsrekursantrag geht dahin, die Beschlüsse der Vorinstanzen

ersatzlos aufzuheben und dem Rekursgericht - allenfalls dem

Erstgericht - die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne seines Aufhebungsbegehrens im Ergebnis auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die Zurückweisung eines Schriftsatzes, mit

dem das Gericht in einer im außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG

abzuhandelnden Angelegenheit gemäß § 40 Abs 1 MRG angerufen

wurde, kein Sachbeschluß iSd § 37 Abs 3 Z 15 MRG ist, weil

nicht in der Sache selbst entschieden wurde (vgl WoBl 1992, 123/90

ua). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen die

zweitinstanzliche Bestätigung einer solchen Entscheidung richtet sich

daher allein nach § 528 ZPO (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG). Nach

dessen Absatz 2 könnte das Rechtsmittel - auch wenn das

Rekursgericht nur den ordentlichen Revisionsrekurs für unzulässig

erklärte - sogar jedenfalls unzulässig sein. Es ist zu prüfen, ob

der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt (§ 528

Abs 2 Z 1) und ob eine Rechtsschutzverweigerung aus formellen

Gründen vorliegt, die der Zurückweisung einer Klage gleichzuhalten

ist (§ 528 Abs 2 Z 2).

Um die streitwertabhängige Rechtsmittelbeschränkung des § 528 Abs

2 Z 1 ZPO beachten zu können, bedarf es gemäß § 526 Abs 3 ZPO

iVm § 500 Abs 2 Z 1 ZPO eines Ausspruches des Rekursgerichtes

über den Wert des Entscheidungsgegenstandes, wenn dieser nicht

ausschließlich in einem Geldbetrag besteht. Letzteres ist in

Angelegenheiten, die gemäß § 37 Abs 1 MRG ins außerstreitige

Verfahren verwiesen sind, die Regel, doch stellt die im

gegenständlichen Fall anzuwendende Kompetenznorm des § 37 Abs 1 Z

14 MRG eine Ausnahme dar. Hier entscheidet der Außerstreitrichter

(seit der Erweiterung seines Zuständigkeitskatalogs durch das 2.WÄG)

über ein Begehren, das schlicht auf Rückzahlung verbotener Leistungen

und Entgelte gerichtet ist (vgl WoBl 1994, 217/59), womit der

Entscheidungsgegenstand selbst in einem Geldbetrag besteht. Ein

allenfalls mit diesem Leistungsbegehren verbundenes

Rechtsgestaltungsbegehren wäre - wie im vergleichbaren Fall eines

Anfechtungsbegehrens, das letztlich auf Rückzahlung des

rechtsgrundlos Geleisteten abzielt (vgl RZ 1989, 119/43; SZ 61/101

ua) - nicht streitwertbestimmend, sodaß der Wert des

Entscheidungsgegenstandes allein durch den begehrten Geldbetrag

vorgegeben ist. Richtig hat daher das Rekursgericht von einem

Bewertungsausspruch abgesehen; ein solcher könnte - weil im Gesetz

nicht vorgesehen - den Obersten Gerichtshof auch gar nicht binden

(vgl MietSlg 40.800).

Die außerdem vorweg zu prüfende Anfechtbarkeit verfahrensrechtlicher

Konformatsbeschlüsse hängt nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO davon ab,

ob eine Klage bzw ein Sachantrag (für den nach der Judikatur gleiches

gilt: EWr III/528 Z/16 ua) ohne Sachentscheidung aus formellen

Gründen zurückgewiesen worden ist. Das scheint bei vordergründiger

Wortinterpretation auf die Zurückweisung einer "Anrufung des

Gerichtes" iSd § 40 Abs 1 und 2 MRG nicht zuzutreffen, doch steht

einer analogen Anwendung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zum Schließen

von Lücken des Rechtsschutzes nichts entgegen, war diese Regelung

doch als wirksamer Rechtsbehelf gegen die Verweigerung gerichtlichen

Rechtsschutzes gedacht, der zwar normalerweise, aber nicht immer mit

Klage in Anspruch genommen wird. Ein Ausnahmefall von der

Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gegen einen bestätigenden

Beschluß des Rekursgerichtes liegt daher immer schon dann vor, wenn

unabhängig von der Bezeichnung des Prozeßschritts Rechtsschutz gleich

einer Klage beansprucht und dieser Antrag aus formellen Gründen

zurückgewiesen wird (vgl EFSlg 73.038). Diese Gleichbehandlung, die

- wie erwähnt - in Ansehung von Sachanträgen nach § 37 Abs 1

MRG bereits praktiziert wird, drängt sich auch im gegenständlichen

Fall auf, da die Anrufung des Gerichtes gemäß § 40 Abs 1 und 2

MRG wie immer in Fällen der sukzessiven Zuständigkeit, die Trennung

von Justiz und Verwaltung respektiert - nichts anderes ist als die

erstmalige und ausschließliche Befassung des Gerichtes mit einem

Sachantrag. Die Entscheidung der Gemeinde tritt außer Kraft (§ 40

Abs 1 Satz 2 MRG); deren Verfahrensergebnisse können vom Gericht

zwar verwertet werden, sind aber nicht per se Teil der gerichtlichen

Rechtsschutzgewährung. Dem Antragsgegner kommt somit, wie das

Rekursgericht durch seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit des

"ordentlichen" Revisionsrekurses zum Ausdruck brachte, die

Anfechtungsmöglichkeit des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zugute.

Schließlich ist in den Vorwegbemerkungen zum vorliegenden

Rechtsmittel zu erwähnen, daß das Rechtsmittelverfahren - wie schon

von den Vorinstanzen angenommen - einseitig ist. § 521 a Abs 1 Z

3 ZPO, auf den § 37 Abs 3 Z 16 MRG verweist, sofern nicht die

Sonderbestimmungen für die in Z 18 leg cit erwähnten Beschlüsse

gelten, sieht nämlich eine Beantwortung des Rekurses gegen die

Zurückweisung einer Klage (oder eines Sachantrages) nur dann vor,

wenn die Sache bereits streitanhängig ist. Diese Streitanhängigkeit

wird gemäß § 232 Abs 1 ZPO durch die Zustellung der Klageschrift

an den Beklagten (bzw die Zustellung des Sachantrages [vgl 5 Ob

156/92 ua] oder - wie hier - des Schriftsatzes nach § 40 Abs 1

MRG) begründet, was nach der Aktenlage bisher nicht geschehen ist.

Einer sofortigen Erledigung des vorliegenden Revisionsrekurses steht somit nichts im Weg.

Diese Erledigung hat bei der Frage anzusetzen, ob eine erhebliche

Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO geltend gemacht wurde. Auch in

den Fällen der Zurückweisung eines Rechtsschutzantrages aus formellen

Gründen, für die § 528 Abs 2 Z 2 ZPO eine

Anfechtungsbegünstigung vorsieht, ist nämlich die Anrufung des

Obersten Gerichtshofes nur unter den Voraussetzungen des § 528 Abs

1 ZPO zulässig (WoBl 1994, 151/28; EWr III/528 Z/6; EWr III/528

Z/16 ua). Dabei genügt das Aufzeigen eines Verfahrensfehlers der

zweiten Instanz, dem unter dem Aspekt der Rechtssicherheit erhebliche

Bedeutung zukommt (ÖBl 1987, 102). Das ist etwa dann der Fall, wenn

die Entscheidungsgrundlagen der zweiten Instanz vom Akteninhalt

abweichen, überhaupt keine Entsprechung in den Akten finden oder

durch Erhebungsergebnisse eine entscheidungsrelevante Änderung

erfahren. Hier wird - mit Rückhalt in den Akten - ein solcher

Fehler geltend gemacht, womit die Zulässigkeit und letztlich auch die Berechtigung des Rekurses dargetan ist.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes basiert auf einem Aktenvermerk des Erstrichters vom 15.2.1994 (ON 17, AS 43), in dem dieser seine vermeintliche Erinnerung festhielt, die Anrufung des Gerichtes durch den Antragsgegner sei mittels Fernkopie (Fax) erfolgt, was den Erstrichter veranlaßt habe, dem Antragsgegnervertreter das Original der Eingabe mit dem Auftrag zurückzustellen, sie binnen 14 Tagen durch Unterfertigung zu verbessern. Grund der Zurückweisung des Schriftsatzes vom 15.10.1992 sei somit - zu Recht - die Nichtbefolgung dieses Verbesserungsauftrages gewesen. Tatsächlich wurde die Eingabe vom 15.10.1992, wie sich jetzt durch eine (nachträglich aufgetauchte) Fotokopie dieses Schriftsatzes belegen läßt, dem Gericht nicht im Wege der Telekopie, sondern normal im Postweg überreicht. Da diese Eingabe offensichtlich vom Antragsgegnervertreter unterschrieben war und im handschriftlichen Verbesserungsauftrag des Erstrichters auf § 40 Abs 3 MRG hingewiesen wurde, scheint auch nicht die fehlende Unterfertigung, sondern die Nichtvorlage der Entscheidung der Schlichtungsstelle der Grund für den Verbesserungsauftrag gewesen zu sein. Auch für die von beiden Vorinstanzen unterstellte Befristung des Verbesserungsauftrages findet sich kein Anhaltspunkt in den Akten. Die Verweigerung der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens über das Rückzahlungsbegehren des Antragstellers ist somit aus Gründen erfolgt, die in entscheidenden Punkten dem Akteninhalt widersprechen oder durch ihn - entgegen der Annahme des Rekursgerichtes - nicht gedeckt sind. Dies ist dem Rekursgericht zwar nicht vorwerfbar (bei der jetzt im Akt befindlichen Fotokopie der Eingabe vom 15.10.1992 dürfte es sich um das vom Erstrichter erst am 20.9.1994 hergestellte Stück handeln, siehe ON 28); es läßt sich jedoch nicht übersehen, daß ein wesentlicher Teil der gerügten Begründungsmängel tatsächlich vorliegt. Das Rekursgericht wird an Hand des nunmehr vervollständigten Aktes erneut zu entscheiden haben, ob die Eingabe des Antragsgegners vom 15.10.1992 verbesserungsbedürftig war, ob dem Antragsgegner ein Verbesserungsauftrag erteilt (und auch zugestellt) wurde (siehe den Rückschein vom 29.10.1992 sowie den AV vom 20.9.1994, ON 28), welchen Inhalt dieser Verbesserungsauftrag hatte und ob der Antragsgegner mit der Erfüllung dieses Verbesserungsauftrages säumig geworden ist (vgl die ON 1 und 4 dokumentierten die Bemühungen des Erstrichters bzw seiner Geschäftsabteilung, in den Besitz einer verbesserten Ausfertigung der Eingabe vom 15.10.1992 zu gelangen).

Es war daher, um dem Antragsgegner nicht den Rechtszug abzuschneiden, wie im Spruch zu entscheiden.

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